BGH zur Cyberbunker-Bande: Keine anderen Standards für Webhoster

Gericht, Urteil

Als die Polizei vor rund vier Jahren das erste deutsche Darknetzentrum in einer früheren Nato-Bunkeranlage in Rheinland-Pfalz aushob, war das Aufsehen groß. Nun ist das Urteil in einem der bundesweit größten Prozesse um Cybercrime weitgehend rechtskräftig. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe verwarf die Revisionen am Dienstag größtenteils, verschärfte die Schuldsprüche in einer Nuance und verwies die Sache nur mit Blick auf die Einziehung sichergestellter Technik noch einmal ans Landgericht Trier. Vor allem stellte der dritte Strafsenat klar, dass für Straftaten im Internet keine anderen Maßstäbe gelten als in der analogen Welt.

Das unter dem Firmennamen Cyberbunker betriebene, hochgesicherte Rechen- und Datenverarbeitungszentrum hatte sich in einer früheren Nato-Bunkeranlage in Traben-Trarbach befunden. Polizisten stellten 886 physische und virtuelle Server mit zwei Millionen Gigabyte Daten sicher; es war ein «Bulletproof-Hoster» (kugelsicherer Hoster), der vor dem Zugriff von Polizei und Regierungen sicher sein sollte.

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Anonym, ohne Vertrag und bezahlt am besten nicht nachvollziehbar in der Kryptowährung Bitcoin konnte man Webpräsenzen mieten. Wurde Missbrauch gemeldet, boten die Betreiber Hilfe beim Verschleiern an.

Was auf den Servern passierte, dafür interessierten sich die sieben Männer und eine Frau im Grunde nicht. Alles war möglich – außer Terrorismus und Kinderpornografie. Mehr als 249 000 Straftaten wurden abgewickelt: Drogendeals im Wert von vielen Millionen Euro, Datenhehlerei, Computerangriffe und Falschgeldgeschäfte.

Die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz klagte die vier Niederländer, drei Deutschen und einen Bulgaren im Alter von heute 24 bis 63 Jahren auch wegen Beihilfe zu den von ihren Kunden begangenen Straftaten an. Das Landgericht sprach sie Ende 2021 aber nur wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung schuldig und verhängte Freiheitsstrafen von einem Jahr auf Bewährung bis zu fünf Jahren und neun Monaten.

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Erstmals hatten in Deutschland Betreiber krimineller Plattformen im Darknet vor Gericht gestanden. Doch die Staatsanwaltschaft und alle Angeklagten legten Revision ein. Letztere waren der Ansicht, dass sie als Webhoster nicht für die Inhalte der von ihnen betriebenen Server verantwortlich gewesen seien und freigesprochen werden sollten.

Der BGH bestätigte nun die Entscheidung des Landgerichts in diesem Punkt: Die Angeklagten hätten das gemeinsame Interesse verfolgt, den Cyberbunker zur Verfügung zu stellen. Dafür hätten sie viel Aufwand betrieben und bei der Verschleierung der Aktivitäten ihrer Kunden geholfen. Einige Beschuldigte hätten sogar auf dem Gelände gewohnt. Der Rädelsführer, der den alten Bundeswehr-Bunker 2013 für 450 000 Euro gekauft hatte, habe zudem nur solche Mitarbeiter zugelassen, die die Absichten des Cyberbunkers ausdrücklich gutgeheißen hätten.

Der dritte Strafsenat verschärfte die Schuldsprüche sogar dahingehend, dass die Vereinigung «auf besonders schwere Straftaten gerichtet» gewesen sei. Der Vorsitzende Jürgen Schäfer sprach von einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit, die von den Machenschaften ausgegangen sei. (Az. 3 StR 306/22)

Allerdings sahen die Richter wie auch das Landgericht keinen Gehilfenvorsatz. Dafür müsse man genaue Vorstellungen von den beabsichtigten Taten haben. Das Fördern einfach jedweden Delikts – wie es die Cyberbunker-Bande getan habe – reiche nicht aus, sagte Schäfer. Für Cyberstraften seien keine anderen Standards anzusetzen. Er verwies darauf, dass der Gesetzgeber erst 2021 den Straftatbestand des Betreibens krimineller Handelsplattformen im Internet eingeführt habe – hier also offenbar eine Lücke gesehen habe.

Auch Verteidiger Jürgen Graf, einst selbst Strafrichter am BGH, betonte diesen Aspekt. Webhoster müssten nicht mit Strafen rechnen, sofern man ihnen keine Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung nachweise. Von einem «Sieg für den Datenschutz» sprach Graf im Anschluss an die rund einstündige Urteilsverkündung.

Eine andere Kammer des Landgerichts muss sich aber noch einmal mit Detailfragen zu eingezogener Technik befassen. Dies hatte das Landgericht für einen Teil des sichergestellten Equipments abgelehnt. Ferner änderte der BGH den Betrag einzuziehenden Geldes von einem der verurteilten Männer geringfügig wegen eines Rechenfehlers.

dpa

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