Rund vier Jahre nach dem Ausheben des ersten deutschen Darknetzentrums in einer früheren Nato-Bunkeranlage in Rheinland-Pfalz will der Bundesgerichtshof (BGH) seine Entscheidung verkünden. Die Karlsruher Richter sollen am Dienstag (10.30 Uhr) bekanntgeben, ob das Urteil des Landgerichts Trier Bestand hat.
In einem der bundesweit größten Prozesse um Cybercrime hatte es 2021 gegen acht Verantwortliche wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung Freiheitsstrafen von einem Jahr auf Bewährung bis zu fünf Jahren und neun Monaten verhängt. Erstmals hatten in Deutschland Betreiber krimineller Plattformen im Darknet vor Gericht gestanden.
Alle Angeklagten und die Staatsanwaltschaft legten Revision ein. Bei der mündlichen Verhandlung am BGH Ende August wurden die Argumente deutlich: Aus Sicht der Anklage haben sich die Beschuldigten auch der Beihilfe zu den – mehr als 249 000 – Straftaten schuldig gemacht, die ihre Kunden begangen haben. Das Landgericht hatte das nicht so gesehen und die Acht in diesem Punkt freigesprochen.
Die vier Niederländer, drei Deutschen und ein Bulgare im Alter von heute 24 bis 63 Jahren hingegen sind der Ansicht, dass sie nach ihrer Interpretation von deutschem und EU-Recht als Webhoster nicht für die Inhalte der von ihnen betriebenen Server verantwortlich gewesen seien und freigesprochen werden sollten. Die Rechtsanwälte der Söhne des Hauptverantwortlichen sagten beispielsweise, es sei eher um familiäre Hilfe für den Vater gegangen als um kriminelle Absichten. Der Verteidiger eines anderen Verurteilten sagte, es habe sich nicht um eine kriminelle Vereinigung gehandelt, sondern um ein normales Arbeitnehmerverhältnis: Sein Mandant habe Anweisungen ausgeführt.
Der Fall um den Cyberbunker von Traben-Trarbach hatte für großes Aufsehen gesorgt, als Hunderte Polizisten im Herbst 2019 das hochgesicherte Rechen- und Datenverarbeitungszentrum in einer früheren Nato-Bunkeranlage aushoben. Sie stellten 886 physische und virtuelle Server mit zwei Millionen Gigabyte Daten sicher; es war ein sogenannter Bulletproof-Hoster (kugelsicherer Hoster).
Unter dem Firmennamen Cyberbunker warben die Betreiber damit, das Datenzentrum sei vor einem Zugriff der Polizei sicher. Für 2000 Euro pro Jahr konnte man anonym und ohne Vertrag eine Webpräsenz mieten, bezahlt am besten nicht nachvollziehbar in der Kryptowährung Bitcoin.
Außer Terrorismus und Kinderpornografie war alles drin. Drogendeals im Wert von vielen Millionen Euro, Datenhehlerei, Computerangriffe und Falschgeldgeschäfte wurden abgewickelt. Bei Missbrauchsmeldungen wurde ein «Tarnkappenservice» angeboten, um Rechner-Adressen zu verschleiern. Viele Beschwerden wurden weitgehend ignoriert.
Rädelsführer war nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz ein Niederländer, der den alten Bundeswehr-Bunker im Jahr 2013 für 450 000 Euro gekauft hatte. Mit der Zeit sei die Bande gewachsen. Es habe eine Hierarchie und feste Rollen für jeden gegeben. So sei etwa eine Deutsche als Buchhalterin tätig gewesen, die beiden Söhne des Mannes als Administratoren für Kundenaufträge und IT.
dpa