Förderungen in die Halbleiterindustrie sind für den Staat ein lohnendes Investment. Das ist ein Ergebnis der neuen ZVEI-Studie „Von Chips zu Chancen: Die Bedeutung und Wirtschaftlichkeit der Mikroelektronikförderung“.
„Die für die Mikroelektronik eingesetzten Mittel erzielen eine hohe Rendite“, erklärt der Studienautor Tanjeff Schadt, Partner bei Strategy&, der globalen Strategieberatung von PwC. Der Ertrag liege zwischen 30 bis 40 Prozent, das eingesetzte Geld amortisiere sich nach neun bis zwölf Jahren. Ausgelöst durch die Mikroelektronikförderung steige die jährliche Bruttowertschöpfung in Europa um 33 Milliarden Euro, die Steuereinnahmen legten um 7,9 Milliarden Euro pro Jahr zu. Dazu kämen 65.000 neue, qualifizierte Arbeitsplätze in Europa, davon 49.000 allein in Deutschland. „Die Zahlen zeigen eindeutig: Das Investment rechnet sich und schafft die Grundlage für Europas Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft. Über die gesamte Wertschöpfungskette sehen wir Wirtschaftswachstum und Beschäftigungsaufbau“, bilanziert Schadt. „Jeder direkte Arbeitsplatz erzeugt rund sechs weitere Stellen entlang der Wertschöpfungskette, nicht eingerechnet sind Arbeitsplätze, die aufgrund von erhöhter Wettbewerbsfähigkeit in angrenzenden Industrien entstehen.“
Trotz dieser positiven Effekte müssen Deutschland und Europa mehr für die Mikroelektronikbranche tun. Die Studie stellt unmissverständlich fest: Das angestrebte 20-Prozent-Ziel der Europäischen Union für globale Halbleiterkapazitäten bis 2030 ist nicht zu erreichen. Selbst mit den gegenwärtig bereitgestellten Fördermitteln würde der Anteil von aktuell 8,1 Prozent auf 5,9 Prozent im Jahr 2045 absinken. „Europa droht bei einem weiteren Rückgang der Produktionskapazitäten abgehängt und zum Spielball geopolitischer Machtinteressen zu werden“, warnt ZVEI-Präsident Dr. Gunther Kegel. Weil die Mikroelektronikindustrie entscheidend für Europas Wettbewerbsfähigkeit und technologische Souveränität sei, müsse die EU ihr Engagement verstärken. Kegel: „Die aktuellen Förderzusagen können nur ein erster Schritt sein, sie müssen ausgebaut werden.“ Europa verfüge nur in den Bereichen Leistungshalbleiter, Mikrocontroller und Sensorik noch über eine starke Marktposition, so der ZVEI-Präsident weiter und fordert: „Um unsere Stellung in den globalen Wertschöpfungsketten abzusichern, sollte die Förderung sich künftig auf bestehende Stärken fokussieren. Europa braucht ein eigenes technologisches Faustpfand, an dem international nicht vorbeizukommen ist.“
Wichtig sei darüber hinaus, die Förderung auf das Mikroelektronik-Ökosystem auszuweiten. Kegel: „Ein weiteres Abschmelzen unserer Marktanteile bei Leiterplatten und Elektronikfertigung können wir uns nicht erlauben.“ Anders als beispielsweise in den USA gibt es für beide Industrien in der EU keine Förderung. Der Marktanteil der EU am globalen Leiterplattenmarkt ist historisch stark geschrumpft und liegt deutlich unter fünf Prozent. 85 bis 90 Prozent des weltweiten Produktionsvolumens wird in China und Taiwan hergestellt.
Chips: Schlüsseltechnologie zum Erreichen der Klimaziele
Die Studie macht des Weiteren deutlich, welchen Beitrag die Mikroelektronik zur CO2-Reduktion leistet. „Halbleiter helfen, ein Vielfaches der Emissionen einzusparen, die im Rahmen ihrer Fertigung anfallen“, erklärt Andreas Urschitz. Große Chancen sieht der ZVEI- und Infineon-Vorstand darin, Europa zum Vorreiter von Klimatechnologien zu entwickeln. „Ob Photovoltaik, Windkraft, Wärmepumpe, Speicher oder emissionsfreie Mobilität: Der Bedarf an klimaschonenden Technologien wird rasant zulegen“, so Urschitz weiter. „Die beabsichtigte klimaneutrale Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft gelingt nur mit Mikroelektronik. Halbleiter ermöglichen Innovation, Produktivitätsfortschritt und damit Wettbewerbsfähigkeit zukunftsgerichteter Industriesektoren, wie zum Beispiel dem Automobilbereich, erneuerbarer Energien und Netze, Industrieautomatisierung und etliche mehr.“
Laut Studie entfällt der größte Anteil des zum Erreichen der Klimaziele benötigten Halbleiterbedarfs – 80 Prozent – auf Leistungshalbleiter. Denn diese würden nahezu überall zur Steuerung und Optimierung gebraucht. Um das selbstgesteckte Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, könnten bis zu 25 Prozent der antizipierten europäischen Produktionskapazitäten allein für die klimaneutrale Elektrifizierung benötigt werden, weist die Studie darüber hinaus nach.
Um die sich daraus ergebenden Bedürfnisse der Mikroelektronik in Zukunft noch besser adressieren zu können, hat der ZVEI die neue Plattform Mikroelektronik geschaffen. Sie soll die relevanten Stakeholder zusammenbringen und die Anliegen der Branche bündeln. Den Vorsitz der Plattform wird Andreas Urschitz übernehmen.
(pd/ZVEI)