Der NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hat der Bundesregierung vorgeworfen, durch den Verzicht auf Vorratsdatenspeicherung den Kampf gegen Kindesmissbrauch zu erschweren. Seit einem Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofes im September vergangen Jahres sei juristisch bei den Ermittlungen gegen Missbrauchsdarstellungen viel mehr möglich, sagte Reul dem Sender Welt. Mit der Vorratsdatenspeicherung sei es möglich, «an die IP-Adressen und die dahinterliegenden Menschen» zu gelangen. Es sei «überhaupt nicht zu begreifen», warum die Bundesregierung diese Möglichkeiten nicht nutze.
«In Berlin regieren drei Parteien, die nicht in der Lage sind, eine Frage zu beantworten, die seit Jahren uns alle umtreibt. Bisher galt immer die beliebte Ausrede: Gerichte haben noch nicht entschieden. Jetzt ist der Fall klar.» Seit September sei nun fast wieder ein Jahr vergangen, in dem nichts geschehen sei, kritisierte Reul. «Diejenigen, die nicht in der Lage sind, uns jetzt die rechtlichen Möglichkeiten zu geben, dass die Polizei arbeiten kann, die haben moralisch sich mit Schuld beladen.»
Wie das Bundeskriminalamt (BKA) am Dienstag mitteilte, nehmen von der Polizei erfasste Darstellungen von Kindesmissbrauch vor allem im Internet weiter zu. Demnach wurden im vergangenen Jahr 42 075 Fälle in Deutschland bekannt und damit 7,4 Prozent mehr als 2021. Der Europäische Gerichtshof hatte im September der Speicherung von Telekommunikationsdaten zur Aufklärung von Straftaten in Deutschland enge Grenzen gesetzt. Die Richter urteilten, die derzeit ausgesetzte Regelung zur Vorratsdatenspeicherung in Deutschland sei mit EU-Recht unvereinbar. Sie erklärten aber zugleich, dass zur Bekämpfung schwerer Kriminalität eine Vorratsspeicherung der IP-Adressen möglich sei. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verwies ebenfalls darauf und sagte, sie setze sich weiter dafür ein, den Behörden die notwendigen Instrumente für den Kampf gegen diese Form schwerster Kriminalität an die Hand zu geben.
dpa