Dutzende Kameras und zahlreiche Bildschirme: Mit Videoüberwachung will die Polizei in Hessen künftig immer mehr für Sicherheit sorgen. Dabei soll auch Künstliche Intelligenz (KI) vermehrt zum Zuge kommen.
Das Polizeipräsidium Frankfurt und der zum hessischen Polizeipräsidium für Technik (HTP) gehörende «Innovation Hub 110» testen derzeit im Frankfurter Bahnhofsviertel erste Anwendungsfälle. «Frankfurt macht bewusst den Anfang, weil es in dieser Großstadt zahlreiche Orte gibt, die potenziell gefährdet sind: beispielsweise das Bahnhofsgebiet, der Flughafen, das Stadion», sagt HPT-Vizepräsident Bodo Koch im Gespräch der Deutschen Presse-Agentur.
Grundsätzlich soll langfristig in ganz Hessen KI bei Videoschutzanlagen zum Einsatz kommen. «Denn wir können nicht exakt vorhersehen, wo eine gesuchte Person auftaucht oder eine gefährliche Tat geschieht», erläutert Koch.
Opfer- und Tätersuche
Der erste KI-Anwendungsfall im Bahnhofsviertel ist die gezielte Suche nach gefährdeten Personen mit Hilfe von KI. Zum Beispiel bei Mädchen und jungen Frauen, die vermisst gemeldet wurden und bei denen die Gefahr besteht, dass sie im Bahnhofsgebiet Crack konsumieren und sich prostituieren, um die Drogen zu finanzieren.
«Bei Treffern durch die KI können unsere Polizistinnen und Polizisten sofort reagieren und helfen, indem die gefährdeten Personen aus der Drogenszene herausgeholt werden», erklärt Bodo Koch. Konkret nutzt die Polizei hierfür Gesichtserkennungssoftware.
Zudem ist geplant, vom Hessischen Landeskriminalamt eingestufte Gefährder mittels Gesichtserkennungssoftware zu identifizieren, um dann polizeiliche Maßnahmen durchführen zu können. Als Gefährder werden Menschen bezeichnet, bei denen die Gefahr besteht, dass sie einen terroristischen Anschlag begehen.
Die Software gleicht die Bilder der Gefährder im laufenden Betrieb mit den Aufnahmen der Kameras ab. «Für alle anderen Bürgerinnen und Bürger ändert sich durch die Videoschutzanlage nichts», betont Koch. «Nur wer beispielsweise Waffen oder Messer zeigt, oder Personen, die wir gezielt suchen, sind im Ergebnis von der Suche mittels KI betroffen.»
Als nächsten Schritt wolle man dazu übergehen, dass die KI auch gefährliches Verhalten erkennt: etwa zwei Menschen, die sich schlagen oder aufeinander einstechen. In solchen Fällen würden dann die Polizistinnen und Polizisten im Video-Operation-Center der Polizei informiert. Sie würden dann den Sachverhalt bewerten und polizeiliche Maßnahmen einleiten. Alle KI-Anwendungen sollen noch in diesem Jahr zum Zuge kommen.
Der Mensch kann das nicht leisten
Allein im Bahnhofsgebiet in Frankfurt gebe es mehr als 50 Kameras, die sich mit Hilfe von KI zur Erkennung von möglichen Gefahrensituationen nutzen lassen. «Der Mensch, also die Polizistin oder der Polizist im Video-Operation-Center ist kognitiv nicht in der Lage, alle Kameras zeitgleich einzusehen», erklärt Koch, der zugleich Chief Digital Officer (CDO) der hessischen Polizei ist. Die Entscheidung, ob und wie einzugreifen ist, liege aber immer bei einer Polizistin oder einem Polizisten, betont er.
Perspektivisch dürfte der Einsatz von KI in Hessen zunehmen. Die KI-Verordnung lasse es grundsätzlich zu, Lichtbilder von «hochkarätigen Straftätern» mit offenen Haftbefehlen in die Datenbank aufzunehmen und gezielt nach diesen Personen zu suchen, erläutert Koch. So könnte dann der Straftäter, den mehrere Jahre Haft erwarten würden, ebenfalls erkannt werden. Dazu sei allerdings eine juristische Änderung in der Strafprozessordnung notwendig, für die sich die hessische Polizei aktuell einsetzt.
Insgesamt wird KI in der Polizeiarbeit wachsende Bedeutung haben, sagt der CDO der hessischen Polizei. Schon jetzt mache sie die Bekämpfung der Kinderpornografie deutlich effektiver. Auch die Verfolgung krimineller Finanzströme erleichtere sie erheblich. Zum Standard der Polizeiarbeit gehört auch die automatische Übersetzung von Chat-Verläufen in fremden Sprachen und die Übersetzung von Verhören.
dpa