Ein Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) mit Programmen wie ChatGPT in Schulen hat aus Sicht führender Bildungsexperten großes Potenzial.
Es gebe allerdings viele Voraussetzungen und Bedingungen für eine lernförderliche und verantwortungsbewusste Nutzung dieser Instrumente, betonte die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK/Bonn) der Kultusministerkonferenz in einem am Mittwoch veröffentlichten Papier. Das Gremium empfahl kurzfristig eine Übergangsphase zur systematischen Erprobung solcher KI-Tools «bei offener Fehlerkultur». Auch auf Risiken und Hürden wies die SWK hin.
Ein zentraler Satz lautet: «KI kann und sollte Lehr-Lernprozess unterstützen, die finale Entscheidung beziehungsweise Bewertung und die Verantwortung für das Endprodukt muss bei Menschen liegen.» Lehrkräfte müssten dafür qualifiziert sein, Fortbildungsangebote rasch ausgebaut werden.
Für wen sind die Tools sinnvoll?
In der Grundschule sollte der Kommission zufolge auf texterstellende KI-Instrumente wie ChatGPT ganz und in den ersten Jahren der weiterführenden Schule weitgehend verzichtet werden. Hier müsse der Fokus auf dem Erwerb von Lese- und Schreibkompetenzen der Kinder liegen. Vom achten Jahrgang an könne ein regelmäßiger Einsatz als Schreibunterstützung erfolgen, während weiterhin auch Texte ohne diese Hilfsmittel erstellt werden sollten. Die Verwendung von KI müsse eng begleitet werden.
Die KI-Programme können nach SWK-Angaben vor allem dann unterstützen, «wenn Lernende über hohe fachliche, Schreib-, Lese- und digitale Kompetenzen verfügen». Sie sollten daher bei älteren Schülern wie auch in Hochschulen zum Einsatz kommen. Es gehe um eine «produktive Nutzung» dieser Technologie. Der Aufbau der Lese- und Schreibkompetenz in den ersten Schuljahren solle ohne sogenannte Große Sprachmodelle (Large Language Models/LLM) wie ChatGPT und Co. erfolgen.
Aktuelle Schätzungen gehen laut Kommission davon aus, dass mindestens 20 Prozent der Schülerinnen und Schüler in Deutschland ChatGPT bereits als Info-Quelle, für Textproduktion und -übersetzung verwenden. Für Lehrkräfte sehen die Bildungsexperten ebenfalls viele, oft noch unterschätzte Möglichkeiten: Etwa für die Unterrichtsplanung, das Erstellen von Wissenstests mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden oder auch die Entwicklung von Unterrichtsmaterial, differenziert nach Leistungsstärke der Schüler. KI könne aber die didaktischen Fachkenntnisse einer Lehrkraft nicht ersetzen.
Worin bestehen laut SWK Risiken und was ist zu tun?
Chatbots reagieren auf Spracheingaben und erstellen Texte, die auch erfundene Sachverhalte und Fehler enthalten, aber dennoch plausibel klingen. Die Schüler müssen in der Lage sein, Inhalte hinsichtlich Qualität, Korrektheit, Vertrauenswürdigkeit zu bewerten, die Steuerung im Prozess durch ihre Spracheingaben zu übernehmen, wie das Gremium schreibt. Kritisches, analytisches Denken, auch fachliches Wissen seien erforderlich. Gerade bei schwächeren Lernenden könnten diese Kompetenzen eher nicht vorausgesetzt werden.
Ein versierter Umgang der Schülerinnen und Schüler mit den KI-Instrumenten solle als neues Lernziel geübt und auch geprüft werden. Entsprechend müssten Lehrkräfte qualifiziert sein. «Die dynamische Entwicklung der Tools fordert die Lehrkräfte besonders.» Die Verantwortung für eine Verwendung der KI – etwa zur Aufgabenerstellung oder Leistungsbeurteilung – soll laut Empfehlung bei den Lehrerinnen und Lehrern liegen.
Derzeit gebe es Unsicherheiten auch mit Blick auf Prüfungsformate, hier müsse die Prüfungskultur weiterentwickelt werden. Die Kommission rät in Prüfungen zur Unterscheidung zwischen hilfsmittelfreien Teilen und solchen, in denen KI-Tools genutzt werden dürfen. Kommen solche Instrumente zum Einsatz, «sollte nicht nur der letztendliche Text, sondern auch die reflektierte Auseinandersetzung der Schülerinnen und Schüler mit der Erstellung und dem Ergebnis Gegenstand der Beurteilung sein». Es sei davon auszugehen, dass eine gekonnte «Koaktivität» mit ChatGPT und Co. eine wichtige Zukunftskompetenz darstellen werde.
To-Do-Liste für die Bildungspolitik
Das SWK-Papier verweist auch auf «technologische, ethische und rechtliche Probleme», die einen rechtmäßigen Einsatz im Schulbereich in Frage stellten. Der Einsatz kommerzieller Tools sei marktwirtschaftlichen Interessen unterworfen, sie seien nicht für die Schulen gemacht worden. Der Bildungspolitik komme die Aufgabe zu, KI-Instrumente in geeignete Lernplattformen zu integrieren. «Eine besonders große Herausforderung besteht derzeit noch darin, Tools für den Einsatz im Bildungskontext und in speziellen Fächern zu entwerfen», erläuterte die Direktorin des Leibniz-Instituts für Wissensmedien, Ulrike Cress.
Allen Lernenden und Lehrenden sollte dem Gremium zufolge ein kostenfreier oder günstiger Zugriff auf diese Tools ermöglicht werden. Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Saarlands Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD), betonte in einer Mitteilung: «Technologischer Fortschritt darf nicht zu stärkerer sozialer Ungleichheit führen, sondern die Chancen müssen für alle zugänglich sein.»
dpa