Bild, Video- und Audiofälschungen

Echt jetzt?! Ein Survival-Guide für die Deepfake-Parallelwelt

Deepfake

Die Nachricht erreicht Sie völlig unerwartet: Ein dringender Videoanruf vom Chef, der eine sofortige Überweisung fordert. Ein virales Video eines Prominenten mit bizarren Aussagen. Eine täuschend echte Nachricht eines Familienmitglieds in Not – willkommen in der Ära der Deepfakes.

Dieser Artikel soll Ihnen dabei helfen, Deepfakes im Alltag zu erkennen.

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Die alarmierenden Deepfake-Fälle der letzten Jahre zeigen, wie realistisch diese Täuschungen geworden sind. Vom millionenschweren Betrug bis zum viralen Spaß-Bild: Die folgende Auswahl macht deutlich, warum wir uns dringend mit diesem Thema auseinandersetzen müssen.

Prominente Deepfake-Fälle

Der 25-Millionen-Dollar-Betrug bei Arup

Januar 2024: Die Täter kombinierten klassisches Phishing mit hochmodernen Deepfake-Technologien. Obwohl der Finanzangestellte des renommierten Ingenieur-Büros Arup zunächst skeptisch war, überzeugte ihn ein täuschend echter Videoanruf von vermeintlichen Führungskräften. In 15 Einzeltransaktionen überwies er daraufhin insgesamt 25 Millionen Dollar. Besonders erschreckend: Selbst seine anfängliche Vorsicht wurde durch die Qualität der Fälschungen überwunden.

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Der Schockanruf bei Familie Busch

Corinna Busch aus Neuss erlebt den Alptraum vieler Eltern. Ein Anruf erreicht sie – die Stimme ihres Sohnes, verzweifelt, in Not. Er habe einen Unfall verursacht, brauche dringend eine Kaution. Die Stimme klingt täuschend echt, die Panik greift um sich. Nur ein schneller Kontrollanruf beim echten Sohn verhindert Schlimmeres. Er ist zu Hause, in Sicherheit – der Anruf war mithilfe von Voice Cloning erstellt worden. Die Technologie kann auch das Vertrauteste überhaupt imitieren: die Stimme der eigenen Kinder.

Der Papst im Streetwear-Look

Ein Bild von Papst Franziskus in einer weißen Balenciaga-Daunenjacke erobert 2023 das Internet. Millionen Menschen teilen das Foto, was einige von ihnen nicht wissen: Es ist ein Deepfake. Die KI schafft zwar ein realistisches Bild, aber nicht ganz ohne Makel. So sind die Hände missraten und die eine Seite der Brille sieht anders aus als die andere. Viralität ist noch lange kein Beweis für Echtheit.

Paost Franziskus Deepfake
Fallen Ihnen die Fehler auf? Ein Tipp: Schauen Sie auf Hände und Brille. Bildquelle: Generiert mit Midjourney


Die Tom-Cruise-Täuschung

Die „deeptomcruise“ Videos auf TikTok demonstrieren die neue Qualität von Deepfakes und locken Tausende von Menschen an, die zum Teil nicht wissen, dass es sich nicht um den echten Tom Cruise handelt. Die Fälschungen in Videoform sind so überzeugend, dass nur kleinste Details wie unscharfe Übergänge am Hals oder ein nicht ganz authentisches Lächeln die künstliche Herkunft verraten. Eine deutliche Warnung: Die Technologie wird immer besser. Aber wie können wir uns in Zukunft davor schützen, damit wir nicht darauf reinfallen?

deeptomcruise
Der Tiktok-Account DeepTomCruise macht keinen Hehl daraus, dass es ein Parodie-Account ist, dennoch fallen viele Menschen trotzdem darauf hinein. Bildquelle. Screenshot/Tiktok


Schritt 1: Die erste Prüfung

Die erste Prüfung ist entscheidend – hier werden die meisten Deepfakes entlarvt. Gerade in emotionalen Situationen und unter Zeitdruck passieren die schlimmsten Fehler. Sowohl im privaten als auch im geschäftlichen Kontext nutzen Betrüger genau diese menschlichen Schwächen aus. Ein fingierter Notfall, eine angeblich dringende Überweisung – die Täter wollen, dass Sie schnell und ohne nachzudenken handeln. Nehmen Sie sich daher bewusst Zeit für diese ersten, wichtigen Prüfschritte:

  • Ruhe bewahren, mehrfach ansehen/anhören
  • Quelle kritisch prüfen
  • Bei geschäftlichen Anfragen: Etablierte Kommunikationswege nutzen
  • Bei privaten Nachrichten: Direkten Kontakt auf bekannter Nummer suchen
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Schritt 2: Bewegungsmuster analysieren

Die menschliche Bewegung ist hochkomplex und für KI schwer nachzuahmen. Der Fall der „deeptomcruise“ Videos demonstriert dies eindrucksvoll: Trotz beeindruckender Qualität verraten sich die Fälschungen durch unnatürliche Bewegungsabläufe. In Geschäftsmeetings ist dies besonders relevant, da Sie die Gestik Ihrer Kollegen oft gut kennen. Achten Sie besonders auf die Harmonie der Bewegungen – echte Menschen bewegen sich fließend und natürlich:

  • Natürliche Bewegungen von Haaren und Kleidung
  • Übergänge zwischen Kopf und Hals
  • Synchronität aller Bewegungen
  • Besonders bei Geschäftsmeetings: Gestik und Mimik der bekannten Person

Schritt 3: Gesichtsdetails checken

Das menschliche Gesicht ist eine der komplexesten Bewegungsstrukturen überhaupt. Beim Arup-Betrug waren es gerade die feinen Details, die hätten stutzig machen können. Jeder Mensch hat charakteristische Mikroausdrücke und Bewegungsmuster, die eine KI nur schwer perfekt nachahmen kann. Diese Details sind sowohl im privaten als auch im geschäftlichen Kontext entscheidende Warnsignale:

  • Augenglanz und natürliches Blinzeln
  • Lippensynchronität bei Sprache
  • Natürliche Hautstrukturen
  • Mikroexpressionen und kleine Bewegungen

Schritt 4: Die Stimme analysieren

Die Stimme ist unser persönlicher Fingerabdruck. Der Fall der Familie Busch zeigt erschreckend deutlich, wie überzeugend Stimmen bereits gefälscht werden können – selbst eine Mutter wurde getäuscht. Dennoch gibt es subtile Merkmale, die Sie beachten sollten – besonders wenn Sie die echte Stimme der Person kennen:

  • Natürliche Sprachmelodie überprüfen
  • Auf Atmung und Pausen achten
  • Typische Sprachmuster und Redewendungen der Person suchen
  • Bei ungewöhnlichen Anweisungen oder emotionalen Appellen besonders skeptisch sein

Schritt 5: Kontext ist König

Der Kontext eines Videos oder einer Nachricht ist oft aufschlussreicher als technische Details. Der Papst im Streetwear-Look ging viral, weil viele den Kontext ignorierten. Wie wahrscheinlich ist es, dass sich das Kirchoberhaupt in einer Balenciaga-Jacke öffentlich zeigen würde? Bei Familie Busch war es die klassische Masche des „Verwandten in Not“, der dringend Geld benötigt. Im Business-Bereich nutzen Betrüger oft vermeintliche Dringlichkeit, um übliche Prozesse zu umgehen. Prüfen Sie daher immer den größeren Zusammenhang:

Für Unternehmen:

  • Gibt es etablierte Prozesse für solche Anfragen?
  • Passt die Anfrage zur Geschäftspolitik?
  • Wurden übliche Hierarchien eingehalten?
  • Entspricht die Kommunikation den Unternehmensrichtlinien?

Für Privatpersonen:

  • Ist das Verhalten typisch für die Person?
  • Passt der Zeitpunkt und die Art der Kommunikation?
  • Gibt es ungewöhnlichen Zeitdruck?
  • Werden Sie zu untypischen Handlungen gedrängt?

Schritt 6: Physikalische Logik prüfen

Die physikalische Realität ist der größte Feind der Deepfakes. Bei Videocalls sind es oft unmögliche Lichtreflexionen. KI-Systeme können zwar Gesichter und Stimmen imitieren, scheitern aber häufig an den grundlegenden Gesetzen der Physik:

  • Schatten und Lichtreflexionen analysieren
  • Auf unmögliche Objektbewegungen achten
  • Größenverhältnisse überprüfen
  • Bei Videocalls: Umgebung auf Stimmigkeit prüfen

Schritt 7: Technische Absicherung

Die technischen Möglichkeiten zur Deepfake-Erkennung entwickeln sich ständig weiter. Sie können ein wichtiger Baustein der Verteidigung sein. Moderne Tools können Ihnen helfen, Fälschungen zu erkennen – nutzen Sie diese Ressourcen:

  • Reverse-Image-Search für Bilder
  • Zwei-Faktor-Authentifizierung für Geschäftsprozesse
  • Verifizierte Kommunikationskanäle
  • Bei Bedarf: KI-Erkennungstools

Schritt 8: Sicherheitsprotokoll implementieren

Der Arup-Betrug hätte durch strikte Sicherheitsprotokolle verhindert werden können, der Schockanruf bei Familie Busch durch vorher vereinbarte Erkennungszeichen. Im privaten wie im geschäftlichen Bereich sind klare Prozesse der beste Schutz gegen Deepfake-Betrug. Etablieren Sie feste Regeln und halten Sie diese konsequent ein:

Für Unternehmen:

  • Festgelegte Verifizierungsschritte für wichtige Transaktionen
  • Regelmäßige Schulung der Mitarbeiter
  • Notfallpläne für Deepfake-Angriffe
  • Regelmäßige Updates der Sicherheitsprotokolle

Für Privatpersonen:

  • Persönliche Codeworte mit Familie für Notfallsituationen vereinbaren
  • Bei „Notfallanrufen“ immer Rückruf auf bekannter Nummer
  • Keine finanziellen Entscheidungen unter Zeitdruck

Fazit

Wie wir gesehen haben, entwickelt sich die Deepfake-Technologie rasant weiter. Die gute Nachricht: Mit geschultem Auge, klaren Prozessen und gesundem Menschenverstand können Sie sich, Ihre Familie und Ihr Unternehmen schützen. Denn auch der überzeugendste Deepfake hat seine Schwachstellen – man muss nur wissen, wonach man sucht.

Lars

Becker

Redakteur

IT Verlag GmbH

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