Die ICS-CERT-Experten von Kaspersky prognostizieren aufgrund einer vergrößerten Angriffsfläche durch die Digitalisierung Aktivitäten freiwilliger und cyberkrimineller Insider sowie mehr Ransomware-Angriffe auf kritische Infrastrukturen (KRITIS) im kommenden Jahr.
Weiter werden sich die technischen, wirtschaftlichen und geopolitischen Veränderungen, auch in Bezug auf die Qualität der Bedrohungserkennung auswirken und zu neuen potenziellen Schwachstellen führen.
Die Prognosen basieren auf der Expertise des ICS-CERT-Teams von Kaspersky in der Analyse von Schwachstellen, Angriffen und der Vorfallreaktion sowie der persönlichen Sicht der Experten auf die Bedrohungslandschaft hinsichtlich industrieller Cybersicherheit:
APT-Aktivitäten (Advanced Persistent Threats) gegen Industrieunternehmen und OT-Systeme gegen neue Branchen und Standorte: Die Realwirtschaft, darunter Landwirtschaft, Logistik und Transport, sowie der alternative und gesamte Energiesektor, Hightech sowie Hersteller von Pharmazeutika und medizinischen Geräten werden im kommenden Jahr vermehrt von Cyberangriffen betroffen sein. Darüber hinaus werden weiterhin traditionelle Ziele wie der militärisch-industrielle Komplex und der Regierungssektor im Fokus von APT-Akteuren stehen.
Die Angriffsfläche nimmt aufgrund der Digitalisierung weiter zu: Grund dafür ist der Wettlauf um eine höhere Effizienz bei IIoT und SmartXXX, einschließlich Systemen für Predicitve Maintenance und Digital Twins. Dieser Trend hat sich bereits in der ersten Jahreshälfte dieses Jahres manifestiert, computergestützte Wartungsmanagementsysteme (CMMS) wurden vermehrt angegriffen. Die Top-10 der Länder, in denen diese Systeme angegriffen wurden, gelten als Länder mit einem höheren Sicherheitsniveau – darunter Österreich auf Platz 4 und Deutschland auf Platz 5.
Die vergrößerte Angriffsfläche ergibt sich zudem aus den steigenden Preisen für Energieträger und den daraus resultierenden höheren Hardwarepreisen, die viele Unternehmen dazu zwingen, ihre Pläne für die Bereitstellung von Infrastrukturen vor Ort für Cloud-Dienste von Drittanbietern aufzugeben und zudem Auswirkungen auf Budgets für IT-Sicherheit haben könnten.
Unbemannte Transportmittel werden für Angriffe missbraucht: Bedrohungen können auch von unbemannten Transportmitteln und Aggregaten ausgehen, die zum Ziel oder Werkzeug für Angriffe werden.
Abgreifen von Anmeldedaten und ideologisch und politisch-motivierte Insider: Cyberkriminelle werden verstärkt versuchen, an Anmeldedaten von Nutzer zu gelangen. Des Weiteren erwarten die Kaspersky-Experten eine Zunahme ideologischer und politisch-motivierter Insider: Insider werden mit cyberkriminellen Gruppen zusammenarbeiten, darunter Erpresser und APT-Akteure. Diese können sowohl in Produktionsstätten als auch bei Technologieentwicklern, Produktanbietern und Dienstleistern tätig sein.
Zunahme von Hacktivismus und Ransomware-Angriffen: Die geopolitischen Veränderungen hinsichtlich vertrauenswürdiger Partnerschaften werden sich weltweit auf die industrielle Cybersicherheit auswirken. Kaspersky erwartet eine Zunahme politisch-motivierter Hacktivisten sowie mehr Ransomware-Angriffe auf kritische Infrastrukturen, da es schwieriger wird, solche Angriffe strafrechtlich zu verfolgen.
Schlechtere internationale Zusammenarbeit in der Strafverfolgung: Die internationale Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung wird sich verschlechtern und damit zu einer Zunahme von Cyberangriffen in Ländern führen, die als Gegner betrachtet werden. Gleichzeitig werden neue alternative Lösungen, die im Inland entwickelt werden, zu neuen Risiken führen, da die Software beispielsweise Sicherheitskonfigurationsfehler und Zero-Day-Schwachstellen aufweisen kann, die sowohl Cyberkriminelle als auch für Hacktivisten missbrauchen können.
Qualität der Bedrohungserkennung sinkt, vermehrt Leaks vertraulicher Daten: Aufgrund von Kommunikationsstörungen zwischen Entwicklern und Experten in Ländern, die sich in einem Konflikt befinden, wird die Qualität bei der Bedrohungserkennung in Mitleidenschaft gezogen. Weiterhin erwarten die Kaspersky-Experten, dass die Qualität der Threat Intelligence abnehmen wird, was zu unzureichenden Attributionen und Versuchen von Regierungen führen wird, Informationen über Vorfälle, Bedrohungen und Schwachstellen zu kontrollieren. Die zunehmende Verwicklung von Regierungen in betriebliche Abläufe von Industrieunternehmen, einschließlich Verbindungen zu staatlichen Clouds und Diensten, die teilweise weniger geschützt sind als die marktführenden privaten, wird zu weiteren ICS-bezogenen Risiken führen. Die Kaspersky-Experten gehen zudem davon aus, dass unzureichend qualifizierte Mitarbeiter in staatlichen Einrichtungen sowie eine sich noch entwickelnde interne Kultur und Praxis für eine verantwortungsvolle Offenlegung zu Leaks vertraulicher Daten führen könnten.
Neue Techniken und Taktiken der Cyberkriminellen im Jahr 2023
Die ICS-CERT-Experten von Kaspersky haben die wichtigsten Techniken und Taktiken aufgelistet, die sich im Jahr 2023 voraussichtlich durchsetzen werden:
- Phishing-Seiten und Skripte, die in legitime Websites eingebettet sind.
- Verwendung defekter Verteiler mit darin enthaltenen Trojanern, Patches und Schlüsselgeneratoren für häufig verwendete und spezielle Software.
- Phishing-E-Mails, die aktuelle Ereignisse mit besonders dramatischen Themen, einschließlich politischer Ereignisse, aufgreifen.
- Dokumente, die bei früheren Angriffen auf Partner- oder verwandte Organisationen gestohlen wurden, werden als Köder in Phishing-E-Mails verwendet.
- Verbreitung von Phishing-E-Mails in kompromittierten E-Mail-Postfächern von Mitarbeitern und Partnern, die als legitime Arbeitskorrespondenz getarnt sind.
- N-Day-Schwachstellen werden noch langsamer geschlossen, da Sicherheitsupdates für einige Lösungen in bestimmten Märkten weniger zugänglich sind.
- Missbrauch grundlegender Standardkonfigurationsfehler (wie beispielsweise die Verwendung von Standardpasswörtern) und einfache Zero-Day-Schwachstellen in Produkten „neuer“ Anbieter, einschließlich lokaler Anbieter.
- Angriffe auf Cloud-Dienste.
- Nutzung von Konfigurationsfehlern in Sicherheitslösungen, die zum Beispiel die Deaktivierung einer Antivirenlösung ermöglichen.
- Nutzung beliebter Cloud-Dienste als CnC, wobei das Opfer, selbst nachdem ein Angriff erkannt wurde, möglicherweise nicht in der Lage ist, die Angriffe zu blockieren, da wichtige Geschäftsprozesse von der Cloud abhängen.
- Ausnutzen von Schwachstellen in legitimer Software, darunter DLL-Hijacking und BYOVD (Bring Your Own Vulnerable Driver), um Endnote-Security zu umgehen.
- Verbreitung von Malware über Wechselmedien, um Air Gaps zu umgehen.
„2022 gab es zahlreiche Sicherheitsvorfälle, die den Eigentümern und Betreibern von industriellen Kontrollsystemen (ICS) viele Probleme bereiteten“, kommentiert Evgeny Goncharov, Leiter des ICS CERT bei Kaspersky. „Wir haben jedoch keine plötzlichen oder katastrophalen Veränderungen in der Bedrohungslandschaft gesehen, die sich nicht eindämmen ließen – auch wenn so manche Schlagzeilen ein anderes Bild zeichnen. Die Analyse der Vorfälle dieses Jahres zeigt, dass wir uns nun in einer Ära befinden, in der die wichtigsten Veränderungen in der ICS-Bedrohungslandschaft hauptsächlich von geopolitischen Trends und den daraus resultierenden makroökonomischen Faktoren bestimmt werden. Cyberkriminelle sind von Natur aus kosmopolitisch, achten aber sehr genau auf politische und wirtschaftliche Trends, da sie auf der Jagd nach leichten Gewinnen sind und ihre persönliche Sicherheit gewährleisten wollen. Wir hoffen, dass unsere Analyse zukünftiger Angriffe für Unternehmen hilfreich ist, um sich auf neue aufkommende Bedrohungen vorzubereiten.“
Weitere Informationen:
Die APT-Prognosen wurden auf Basis der weltweit eingesetzten Threat Intelligence Services von Kaspersky entwickelt. Hier finden Sie die ICS-Prognosen von Kaspersky für das Jahr 2023.
www.kaspersky.de