Künstliche Intelligenz gibt es mittlerweile seit fast siebzig Jahren. In Industrie, Forschung und Wirtschaft wird die Technologie schon intensiv genutzt. Mit der Veröffentlichung der neuesten Version des Textroboters ChatGPT im März 2023 hat auch die öffentliche Debatte um die Bedeutung der Technologie für das (Arbeits-) Leben so richtig Fahrt aufgenommen.
In ihrem Gastbeitrag diskutiert Sandra Deichsel, Strategy Lead beim Project Management Institute (PMI), dem weltweit führenden Berufsverband für Projektmanager:innen, welche Chancen und Risiken die Technologie für das Projektmanagement bietet.
Es war 1966, mitten im Summer of Love, als der deutsch-amerikanische Informatik-Pionier Joseph Weizenbaum vom Massachusetts Institute of Technology das Computerprogramm ELIZA erfand. Benannt nach der Hauptfigur in George Bernard Shaws Roman „Pygmalion“ gilt es als Meilenstein der künstlichen Intelligenz und erster Chatbot der Welt. Die Bezeichnung „Künstliche Intelligenz“ war zu diesem Zeitpunkt gerade einmal zehn Jahre alt.
Seitdem schreitet die Entwicklung rasant voran. Vor allem mit Beginn der 2010er-Jahren – mit dem Aufkommen des maschinellen Lernens – wurden einige bedeutende Fortschritte erzielt. Neuronale Netzwerke, die auf einfacher Ebene die Funktion des menschlichen Gehirns nachahmen und die Auswertung riesiger Datenmengen ermöglichen, sorgen dafür, dass sich KIs immer mehr Nutzungszwecke erschließen. Sie kommen beim Online-Shopping, in der Werbung oder bei der Web-Suche zum Einsatz. Sie fungieren als digitale persönlichen Assistenten oder Übersetzer.
Mit dem Textroboter ChatGPT hat nicht nur die Faszination für die Technologie die breite Gesellschaft erreicht, sondern auch die Debatte um die Chancen und Risiken von Künstlicher Intelligenz, insbesondere für die Arbeitswelt, Fahrt aufgenommen. In Rekordzeit knackte das Sprachmodell die Marke von 100 Millionen Nutzenden – und stellt die Gesellschaft vor grundlegende Fragen: Werden Maschinen viele Berufe schon bald überflüssig machen? Oder sind sie einfach nur clevere Hilfsmittel, die im Arbeitsalltag vor allem dabei unterstützen, die richtigen Prioritäten zu setzen und komplexe Abläufe zu erleichtern – zum Beispiel im Projektmanagement? Und welchen Wert hat in diesem Szenario der Faktor Mensch noch?
Effizienter Arbeit mit KI!?
Im Hinblick auf die vielfältigen Beispiele, wie KI schon heute eingesetzt wird, zeigt sich deutlich, dass es sich schon längst nicht mehr um ein Zukunftsversprechen handelt. Die Technologie ist bereits dabei, unser Arbeitsleben grundlegend zu verändern. Auch im Projektmanagement bieten Programme wie ChatGPT erhebliche Vorteile, weshalb Unternehmen zunehmend in sie investieren werden.
Zu diesem Schluss kommt unter anderem eine gemeinsame Studie des Start-ups OpenAI, das ChatGPT entwickelt hat, und Forschenden der University of Pennsylvania. Rund 80 Prozent aller Arbeitnehmenden in den USA seien demnach in Berufen tätig, in denen mindestens eine Aufgabe durch generative KI künftig schneller erledigt werden kann. Ein ähnliches Fazit zieht auch die Forschungsabteilung der Investmentbank Goldmann Sachs. Sie geht davon aus, dass rund zwei Drittel aller derzeitigen Arbeitsplätze zu einem gewissen Grad durch KI automatisiert werde. Bis zu einem Viertel werde sogar komplett ersetzt. Auf die ganze Welt hochgerechnet, entspräche das rund 300 Millionen Vollzeitarbeitsplätzen.
Im Hinblick auf den riesigen Energiebedarf und die hohen Anforderungen beim Datenschutz gehen KI-Fachleute zwar davon aus, dass solche Prognosen rein theoretischer Natur bleiben. Trotzdem gibt es schon heute Tausende von Anwendungsbeispiele, die in fast allen Branchen zum Einsatz kommen. Das beginnt beim Lesen der täglichen Timeline, welche die KI auf Basis des persönlichen Surf- und Leseverhaltens erstellt, geht über die Analyse von Röntgenbildern oder Laborergebnissen zur Diagnose von Mustererkennungssoftware, der Bestimmung von Orten, an denen Fotos und Videos aufgenommen wurden, im Journalismus bis hin zur Abwehr von Cyberangriffen.
Auch im Projektmanagement, wo zahlreiche Aufgaben wie die Planung, Organisation, Überwachung und Steuerung von Projekten teils parallel bearbeitet werden müssen, kommt KI-Software wie der Chatbot ChatGPT heute zum Einsatz. Die logischen und zeitlichen Abfolgen des klassischen Projektmanagements eignen sich hervorragend, um sich Einschätzungen und Analysen von der KI geben zu lassen. Unternehmen liefert ChatGPT eine einfache, intuitiv bedienbare Nutzerschnittstelle, die es ermöglicht, ohne tiefgreifende technologische Kenntnisse und aufwendige Integrationen neue Möglichkeiten auszuprobieren. Laut einer Umfrage des IT-Dienstleisters Adesso, sehen das 90 Prozent der deutschen Unternehmen genauso und setzen mit den Möglichkeiten, die Modelle wie ChatGPT bieten schon auseinander.
ChatGPT – das All-in-one-Tool
ChatGPT ermöglicht Projektleitenden, ihre Aufgaben schneller und präziser zu erledigen, indem sie dem System bei Bedarf Fragen stellen und in Echtzeit passende Antworten erhalten. So lässt sich unkompliziert auf relevante projektbezogene Daten wie Zeitpläne, Budgets oder andere Ressourcen zugreifen, um den Fortschritt eines Projekts im Überblick zu behalten, mögliche Hindernisse zu erkennen und fundierte Entscheidungen zu treffen. Das kann die Arbeitsbelastung verringern und dazu beitragen, Projekte erfolgreich und reibungslos ins Ziel zu bringen.
Daneben lässt sich ChatGPT auch für die Projektplanung und -terminierung verwenden: Durch die Analyse vergangener Projekte und Daten hilft das Tool dabei, realistische Zeitpläne zu entwickeln, Prioritäten zu setzen und Ressourcen effizient zuzuweisen. Das Programm kann zudem Risikobewertungen erstellen und potenzielle Probleme identifizieren, die während der Projektdurchführung auftreten. Die entsprechenden Daten können dazu in einer Vielzahl von digitalen Formaten in die Software eingespeist werden: Mit Hilfe von Algorithmen verarbeitet ChatGPT Sprache und nutzt maschinelles Lernen, um sie zu analysieren und Erkenntnisse daraus zu gewinnen. Bei der Projektplanung lassen sich so viel Zeit und wertvolle Ressourcen sparen.
Außerdem kann ChatGPT darauf trainiert werden, Projektdaten wie KPIs, Zeitpläne oder Budgetinformationen zu berücksichtigen. Die Software greift dafür auf Daten aus verschiedenen Quellen wie Finanz- oder Projektmanagementtools, Kalendern und E-Mails oder klassischen Tabellen zurück. So identifiziert sie wiederkehrende Muster und Tendenzen im Projektfortschritt, wenn zum Beispiel Deadlines nicht eingehalten oder Budgets regelmäßig überschritten werden. ChatGPT kann auf Basis dieser Informationen innerhalb weniger Sekunden Empfehlungen erstellen, wie sich Prozesse sowie die Nutzung von Ressourcen optimieren lassen, um bei Problemen rechtzeitig gegenzusteuern.
Des Weiteren gilt ChatGPT als echtes Kommunikationstalent, das dazu verwendet werden kann, den Austausch innerhalb des Projektteams zu erleichtern. Die Software bietet dafür eine zentrale Plattform zum Teilen von Ideen, Daten und Informationen. Der Vorteil: Niemand muss aufwendig zwischen verschiedenen Anwendungen wechseln, was maßgeblich dabei hilft, den Überblick zu behalten.
ChatGPT unsterstützt Projektfachleute
Im Hinblick auf die vielfältigen Beispiele, wie KI schon heute eingesetzt wird, zeigt sich deutlich, dass es sich schon längst nicht mehr um ein Zukunftsversprechen handelt. Die Technologie ist bereits dabei, unser Arbeitsleben grundlegend zu verändern. Auch im Projektmanagement bieten Programme wie ChatGPT erhebliche Vorteile, weshalb Unternehmen zunehmend in sie investieren werden.
Die Entwicklung hin zur Nutzung von Tools wie ChatGPT im Projektmanagement ist insbesondere vor dem Hintergrund von New Work und Digitalisierung zu betrachten. Mit der Zunahme der Geschwindigkeit und Dynamik von Projekten steigt nämlich auch ihr Grad an Komplexität. Um dem gerecht zu werden, ist ein hohes Maß an Erfahrung und Methodenwissen notwendig. Häufig führen diese Veränderungen dazu, dass viele Aufgaben von Projektfachleuten – aus schieren Kapazitätsgründen – nicht mehr zufriedenstellend bewältigt werden.
KI dagegen arbeite spielend leicht mit einer riesigen Menge an Quellen, Daten und Informationen, deren Verarbeitung die menschliche Leistungsfähigkeit vor unüberwindbare Hürden stellen würde. So kann die Technologie uns dabei helfen, im Management von Projekten auch komplexeste Probleme effizient zu lösen. Doch tritt sie damit tatsächlich in Konkurrenz zum Menschen? Müssen Projektfachleute künftig um ihre Jobs bangen?
Wohl kaum. Die Algorithmen der KI wurden dafür entwickelt das menschliche Denken zu unterstützen und spezielle Anwendungsprobleme zu lösen. Das ermöglicht reine Routineaufgaben, die im Zweifelsfall zeitaufwendig und lästig zugleich sind, an die KI zu delegieren. Sie löst die ihr zugeteilten Aufgabe im Idealfall souverän, zuverlässig und ohne Werturteil, weil sie explizit dafür geschaffen wurde, zu unterstützen. Nicht, um die sogenannten Power Skills – also die zwischenmenschlichen Kompetenzen – der Projektfachleute zu ersetzen (wenn das überhaupt möglich ist). Wie die aktuelle Studie „Pulse of the Profession“ des PMI zeigt, bleiben die vier wichtigsten Power Skills Kommunikation, Empathie, Teamfähigkeit und kollaborative Führung auch in Zeiten des sich zunehmend beschleunigenden technologischen Fortschritts für Projektprofis weiterhin unverzichtbar.
Schließlich ist die Genauigkeit und Nützlichkeit der Ergebnisse, die ChatGPT liefert, immer untrennbar mit der Aktualität, Qualität und Relevanz der Daten und Informationen verknüpft, auf die das Programm zugreift – und dem Kontext, in dem sie genutzt werden. Die strategische Kompetenz, die komplexe Projekte erfordern, kann eine KI nicht ersetzen. Dafür braucht es echte Menschen, die fähig sind „out of the box“ zu denken, konstruktiv miteinander zu interagieren und im Zusammenspiel mit Dritten individuelle Entscheidungen zu treffen. Im Idealfall sind das ausgebildete und zertifizierte Projektfachleute mit Erfahrung.
Mensch und Maschine stehen in diesem Kontext nicht mehr in Konkurrenz zueinander. Richtig genutzt, unterfüttert KI die Arbeit von Projektmanager:innen vielmehr mit belastbaren Daten und Informationen. Wer sich, spezialisiert auf das eigene Tätigkeitsfeld stetig weiterbildet und weiß, wie man KI wie ChaGPT für die eigenen Zwecke nutzt und sich der Bedeutung der vier Power Skills in diesem Kontext bewusst ist, wird künftig im Vorteil sein – aber nicht ersetzt werden. Ganz im Gegenteil.