Unabhängigkeit, Entscheidungsfreiheit sowie freie Zeit- und Ortswahl bei der Arbeit – das sind auch 2024 die wichtigsten Vorteile, die Freelancer an ihrer Selbstständigkeit schätzen. New Work ist für sie gelebte Realität: Mehr als sieben von zehn Befragten unter 30 machen ihren Job komplett remote.
Das zeigt der aktuelle Freelancer-Kompass, den die Projektplattform freelancermap gerade zum neunten Mal in Folge veröffentlicht hat. Die größte Marktstudie im deutschsprachigen Raum offenbart aber auch Schattenseiten dieser Autonomie – und was das für die Arbeitswelt von morgen bedeutet.
Durchschnittlich erledigen 57 Prozent der über 3.000 im deutschsprachigen Raum befragten Freelancer ihre Arbeit remote. Dabei gilt: Je jünger, desto lieber. Fast 72 Prozent der Generation Z suchen sich ihren Arbeitsplatz selbst aus. In der Generation Y tun das noch knapp 67 Prozent. Nur 57 Prozent macht der Remote-Anteil in der Altersgruppe zwischen 40 und 50 aus – und bei den Boomern beträgt er nicht einmal mehr die Hälfte (45 Prozent). Das habe aber nichts mit den gängigen Generationenklischees zu tun, betont Thomas Maas, CEO der Projektplattform freelancermap und Herausgeber der Studie. Die Jüngeren arbeiteten keineswegs weniger hart oder engagiert: „So nehmen beispielsweise die Gen Z und die Boomer von allen Befragten am wenigsten Urlaub, nämlich nur 26 Tage im Durchschnitt.“
Office-Pflicht als Show-Stopper
Wer sich ans remote Arbeiten gewöhnt hat, will jedenfalls nicht mehr davon lassen: So würden mehr als 70 Prozent der ortsunabhängig arbeitenden Freiberufler:innen Projekte ablehnen, für die sie ins Büro kommen müssten. Im Durchschnitt aller Befragten sind es nur 59 Prozent – bereits ein Plus von vier Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr. New Work bedeute eben mehr als digitale Prozesse und agilere Formen der Arbeitsorganisation, so Thomas Maas von freelancermap: „Es ist ein Kulturwandel, der sich nicht mehr zurückdrehen lässt.“ Das verstehen inzwischen auch immer mehr kleine Unternehmen: Fast jeder dritte Freelancer, der remote arbeitet, ist für ein Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitern im Einsatz.
New Work überwindet Sachzwänge und Diskriminierung
Doch nicht für alle Freelancer geht es bei der Wahl ihres Arbeitsmodells allein um das Streben nach Autonomie: Rund ein Drittel der Befragten hat damit auch besonderen Lebensumständen Rechnung getragen. Das kann die Pflege eines Angehörigen sein, die Geburt eines Kindes oder das Erreichen einer bestimmten Altersgrenze. „Remote zu arbeiten, bringt eine Flexibilität, die heutzutage notwendig ist“, bekräftigt Daniel Cronin, Experte für Innovation, Start-ups und Transformation. „Sie erlaubt es vielen Menschen erst, in bestimmte Berufe reinzukommen.“ Oder aber, sie länger auszuüben: Untersuchungen belegen, dass die Altersgruppe der 45- bis 54-Jährigen im Kontext von Arbeit am häufigsten Altersdiskriminierung erlebt. „Der Jobmarkt ist schwierig für Angestellte über 50 Jahre“, bestätigt auch ein Teilnehmer am Freelancer Kompass, der inzwischen freiberuflich erfolgreich ist.
Leistungsbooster oder Erschöpfungstreiber?
Die Freiheit, den Arbeitsort selbst zu bestimmen und den Laptop mal dort aufzustellen, wo andere Urlaub machen, kann aber auch Schattenseiten mit sich bringen. Hans Rusinek, der in Hamburg und St. Gallen zur Transformation der Arbeitswelt forscht, erkennt „eine Erschöpfungskrise in der Arbeitswelt“, die auf hybride Arbeit zurückgehe: „Die Entgrenzung ist dadurch noch viel krasser geworden.“ Im Freelancer Kompass wurde 2024 deshalb erstmals auch nach Aspekten von Mental Health und dem Einfluss räumlicher Veränderung auf die Arbeitsbelastung gefragt: Mehrheitlich wird Remote-Arbeit oder Workation von Freiberufler:innen als Booster für Kreativität und Motivation erlebt. Über 61 Prozent der Entwickler und Daten-Experten können sich außerhalb des Büros besser auf ihre Arbeit konzentrieren, fast zwei Drittel der Kreativen erleben remote positive Auswirkungen auf ihren Schaffensprozess. Nur durchschnittlich jeder fünfte Befragte beklagt ein erhöhtes Stresslevel.
(pd/freelancermap)