„Wenn einer im Homeoffice arbeiten kann, ist er unwichtig“, verlautbarte unlängst der Unternehmer Wolfgang Grupp öffentlichkeitswirksam im Tagesspiegel. Auch sonst scheint sich das Arbeiten von zuhause, oder einem anderen Ort als dem Büro, auf dem Rückzug zu befinden.
Seit dem vergangenen Jahr mehren sich die Schlagzeilen von großen Unternehmen, die zuvor großzügige Remote-Work-Regelungen wieder zurücknehmen und ihre Angestellten in Büros zurückbeordern. Sogar der Videokonferenzsoftware-Anbieter Zoom, der seinen Aufstieg maßgeblich der großen Home-Office-Welle der COVID-Pandemie verdankt, machte keine Ausnahme: CEO Eric Yuan begründete die Maßnahme damit, dass außerhalb des Büros das gegenseitige Vertrauen verloren ginge und Innovation und Produktivität litten. Droht nun also Angestellten mittelfristig wieder die Zwangsrückkehr ins Büro – und stimmen die geäußerten Gründe überhaupt? SD Worx, führender europäischen Anbieter von HR- und Payroll-Dienstleistungen, ist dem in einer Studie nachgegangen, die bei mehr als 16.000 Arbeitnehmer:innen und fast 5.000 HR-Manager:innen aus 16 europäischen Ländern durchgeführt wurde.
Wer darf remote arbeiten – und wie?
Im Zuge der Studie gab nur rund ein Viertel aller deutschen Arbeitgeber:innen an, Remote Office nicht anzubieten – was sich in etwa mit dem Anteil jener deckt, die angeben, es gäbe in ihrem Unternehmen keine Jobs, die überhaupt das Arbeiten außerhalb der Arbeitsstelle erlauben würden (28,5 Prozent). Während der erstgenannte Wert fast exakt im europäischen Mittelwert liegt, liegt der zweite unter dem europäischen Schnitt von 31,3 Prozent.
Fast ebenso hoch ist mit genau 30 Prozent der Anteil derjenigen Arbeitgeber:innen, die angeben, dass in ihrem Unternehmen alle Angestellten tatsächlich ausschließlich im Büro arbeiten. Umgekehrt arbeiten nur in rund 14 Prozent aller Unternehmen mehr als zwei Drittel der Angestellten auf Positionen, die eine Arbeit von Zuhause ermöglichen.
Arbeitgeber:innen sehen mehrheitlich Produktivitätssteigerung
Die Studie zeigt zur Haltung von Arbeitgeber:innen vor allem eines: Die Mehrheit der deutschen Befragten schließt sich der zitierten Aussage von Zoom-CEO Eric Yuan nicht an. Rund 57 Prozent der Arbeitgeber:innen geben zu Protokoll, dass Arbeit von Zuhause nicht nur mehr Vorteile als Nachteile bietet, sie sind auch der Überzeugung, dass die Produktivität höher ist – in beiden Fällen liegt Deutschland sogar über dem europäischen Schnitt. Nur 12,5 Prozent nehmen in Deutschland ausdrücklich ein Sinken der Produktivität wahr. Umgekehrt glauben nur 35,5 Prozent der Deutschen, dass Tätigkeit aus dem Home-Office die persönliche Bindung zum Unternehmen schwäche (Europa: 41 Prozent), und mit 39 Prozent (Europa: 42 Prozent) sieht eine Minderheit eine Problematik für die Mitarbeiter:innenführung. Obendrein gibt ein Drittel an, dass die Möglichkeit zum Hybrid oder Remote Working in Jobinseraten zu den wichtigsten fünf Vorteilen zählt, mit denen für die jeweilige Stelle geworben wird – abgesehen von Jobsicherheit erreicht kein anderer Aspekt einen solch hohen Wert.
In einem wesentlichen Punkt sind Befragte hierzulande allerdings hinsichtlich Remote Office negativer gestimmt als der europäische Schnitt. Mit 61 Prozent liegt der Anteil derer, die sich aktiv um die Rückkehr ihrer Belegschaft ins Büro bemühen, um fünf Prozentpunkte über dem Durchschnitt und nicht einmal einen Prozentpunkt hinter Spitzenreiter Belgien. Ein erstaunliches Ergebnis angesichts dessen, dass unter Arbeitgeber:innen mehrheitlich sogar eine Produktivitätssteigerung wahrgenommen wird.
Die Haltung der Arbeitnehmer:innen
Die Wahrnehmung der Arbeitnehmer:innen ist relativ deckungsgleich zu den obigen Angaben der Arbeitnehmer:innen. Unter ihnen fühlen sich drei von vier Befragten in Deutschland aufgefordert – wenn auch nicht verpflichtet – im Büro zu arbeiten, selbst wenn sie die Möglichkeit zur Arbeit von Zuhause haben; nur jede:r Zehnte nimmt keine Präferenz in eine bestimmte Richtung wahr. Die tatsächliche Möglichkeit zu mindestens einem Tag in der Woche nehmen rund zwei Drittel der Befragten wahr, während nur etwa 10 Prozent vollständig remote arbeiten.
Und auch unter Arbeitnehmer:innen überwiegt mit 56 Prozent der Antworten die Ansicht, von Zuhause aus produktiver zu sein, obendrein gibt die Hälfte an, im Home-Office länger zu arbeiten als im Büro. Ebenso gibt nur ein knappes Drittel an, sich vom Rest der Belegschaft isolierter zu fühlen oder weniger in die Organisation des Unternehmens integriert – und auch hier liegt dieser Wert mit 29 Prozent deutlich mehrere Prozentpunkte unter dem europäischen Schnitt von 37 Prozent.
Ob Angestellte im Home-Office „unwichtig“ sind, lässt sich also zusammengefasst pauschal nicht beantworten. Aber ebenso wenig lässt sich der oft gehörte Vorwurf bekräftigen, remote Beschäftigte seien im Schnitt fauler und weniger produktiv. „Unsere Studie deutet darauf hin, dass eher das Gegenteil der Fall ist“, so Patrick Barazzoni, Geschäftsführer Deutschland bei SD Worx. Und abschließend: „Unternehmen können durchaus davon profitieren, ihren Angestellten die Arbeit von außerhalb des Büros zu erlauben – und eine gesunde Mischung aus Büro- und Remote-Arbeit hilft eine gesunde Work-Life-Balance sicherstellen, während gleichzeitig der ‚Team-Spirit‘ und das Zusammengehörigkeitsgefühl erhalten bleiben.“
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