Künstliche Intelligenz für Softwareanbieter – Chancen und Risiken

KI

Superlative wie „Revolution“ sollte man tunlichst zurückhaltend nutzen, wurden sie in der Vergangenheit doch allzu inflationär verwendet – während in Wirklichkeit doch nur wieder eine neue „Sau durchs Dorf gejagt“ wurde. Beim Themenbereich Künstliche Intelligenz, oder kurz KI, kann davon aber absolut keine Rede sein.

Im Gegenteil, übertrifft KI vergangene „Revolutionen“ um ein Vielfaches. Das ist vor allem darin begründet, dass KI praktisch ohne Einschränkungen alle Lebens- und Arbeitsbereiche massiv berührt, während beispielsweise die industrielle Revolution hauptsächlich das Produktionsumfeld betraf und die digitale Revolution ebenfalls nur für bestimmte Berufsgruppen relevant war. Zudem erfolgten viele der bisherigen Umwälzungen in mehreren, wenngleich auch schnellen Entwicklungsschritten und müssten somit eher als „Evolutionen“ bezeichnet werden.

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Darüber hinaus erleben wir bei der Künstlichen Intelligenz gewissermaßen eine „Demokratisierung“ der Technologie, da sie praktisch allen Menschen zur Verfügung steht – in begrenztem Umfang sogar kostenlos, wie bei ChatGPT zu erleben. Das war im Falle der digitalen Revolution zumindest zu Beginn noch völlig anders, da sich nur Wenige die teuren Rechner überhaupt leisten konnten.

KI finden wir bereits heute in den unterschiedlichsten Anwendungen von Fahrzeug-Assistenzsystemen über die Codierung von Programmen bis hinein in kreative Bereiche, die von solchen technologischen Entwicklungen bislang mehr oder weniger unberührt waren. Für Schriftsteller, Maler oder Komponisten hat sich im Prinzip seit mehreren hundert Jahren nichts geändert, doch nun ist die KI sogar in der Lage, ganze Sinfonien zu komponieren oder ein Bild im Stile Rembrandts zu malen.

Wer auf der Welle schwimmt, geht nicht unter

Die Fachwelt ist sich zudem einig, dass wir es bei KI mit einer disruptiven Technologie zu tun haben, deren volle Auswirkungen heute noch gar nicht abzusehen sind. Manche vergleichen das Phänomen der KI mit einer gigantischen Welle, von der wir momentan nur ein erstes Kräuseln auf der Wasseroberfläche sehen. Diese Welle, so ist man sich sicher, wird die gesamte Industrie umwälzen: Bereiche fallen weg, neue Möglichkeiten kommen hinzu. 

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Angesichts dieser enormen Wucht einer solchen Welle erscheint es für Unternehmen wenig ratsam, sich einfach zurückzulehnen, um der Entwicklung zuzuschauen. Zu groß ist die Gefahr, durch diese Passivität unter die Welle zu geraten. Wie so oft ist es deutlich klüger, proaktiver Teil dieser Entwicklung zu sein – sich möglichst früh mit der neuen Technologie auseinanderzusetzen und ihre Möglichkeiten für sich zu nutzen.

Für unabhängige Softwareanbieter ergeben sich hier drei Fragen:

  • Wie kann ich KI für meine eigene Arbeit zur Produktivitätssteigerung nutzen?
  • Wie kann KI die Qualität und/oder Funktionalität meiner Produkte verbessern?
  • Welche neuen Produkte kann ich basierend auf KI entwickeln?

Auch im Mikrokosmos eines Softwarehauses lässt sich KI auf praktisch alle Bereiche anwenden. Das beginnt bei der Programmierung: mit Künstlicher Intelligenz sind Programme nicht nur erheblich schneller und effizienter codiert, sondern darüber hinaus auch von höherer Qualität. Damit nicht genug, kann KI auch weitere Abteilungen unterstützen – von der Angebotserstellung und Preiskalkulation über die Konzeptionierung von Marketing-Strategien bis zum automatisierten Kundensupport.

Bei der Nutzung von KI für vorhandene Produkte geht es in der Regel um Verbesserungen der Effizienz oder Erweiterung der Funktionalität. Das heißt, die vorhandene Kerntechnologie wird mit Künstlicher Intelligenz verwoben, um einen konkreten Mehrwert zu erhalten. Beispielsweise könnten auftretende Fehlermeldungen mittels KI im Kontext näher erläutert werden, sodass auch weniger erfahrene Bediener das Produkt deutlich kompetenter nutzen können – aus einem Produkt von Experten für Experten wird ein Produkt, das alle nutzen können. Die KI übernimmt hierbei die Aufgabe eines virtuellen Beraters.

Automatisierung mittels KI?

Angesichts der Möglichkeiten von KI erscheint es verlockend, Prozesse vollständig zu automatisieren und auf Bedienereingriffe ganz zu verzichten. Allerdings sollte man hier mit Bedacht vorgehen. Zunächst einmal stellt sich die Frage der Verantwortlichkeit: Wer ist im Falle einer Fehlentscheidung seitens der KI für die möglicherweise katastrophalen Folgen haftbar zu machen? In regulierten Branchen wie der Pharma- und Lebensmittelindustrie verbietet sich eine solche „entmenschlichte“ Automatisierung angesichts der Vorschriften bezüglich Dokumentation und ISO-Verfahren ohnehin von selbst. 

Somit muss der Mensch Teil der Prozesskette bleiben und ist letztendlich für die Entscheidung verantwortlich, ob eine bestimmte Aktion ausgeführt wird oder nicht. Die Künstliche Intelligenz kann hierbei lediglich basierend auf vorhandenen Daten und Zusammenhängen Handlungsempfehlungen ausgeben.

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… und der Datenschutz?

Der Datenschutz, bzw. die Datensicherheit, ist ein kritischer Punkt im Zusammenhang mit der Nutzung von Künstlicher Intelligenz. Denn die KI kann nur dann effektiv arbeiten, wenn sie auf die Daten eines Systems Zugriff hat. Aber wo landen diese Daten und sind sie dort sicher? Im Idealfall werden personenbezogene Daten bereits vor der Übergabe an die KI herausgefiltert. Dasselbe gilt für sensible Geschäftsinformationen, was jedoch die Leistung der KI einschränken kann. Es gilt also, den angemessenen Mittelweg zwischen Datenschutz und KI-Funktionalität zu finden. An dieser Stelle ist interessant zu sehen, was der Open Source Bereich alles an grossen Sprachmodellen hervorgebracht hat, die lokal auf dem eigenen Computer betrieben werden und sehr gute Ergebnisse liefern können, aber alle Daten unter der Kontrolle des Anwenders bleiben, sofern man in der Lage ist, mit wenigen Zeilen Python ein LLM zu laden. Google stellte erst kürzlich überraschend mit Gemma zwei Open-Source-KI-Modelle vor und die Entwicklung wird hier rasant weitergehen.

Neue Produkte mit KI

Ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste, Mehrwert von Künstlicher Intelligenz für Softwareanbieter ist ihr Potenzial für völlig neue Produkte. Hier sind die Möglichkeiten praktisch unbegrenzt und längst noch nicht erschöpfend ausgelotet. Beispielsweise könnte ein Unternehmen, das die Systemumgebungen seiner Kunden überwacht und automatisiert, neue Lösungen anbieten, die über die reine Systempflege weit hinausgehen. Das können beispielsweise Funktionen sein, die eine hohe Geschäftsrelevanz aufweisen, indem sie erweiterte Datenanalysen durchführen, basierend auf Marktprognosen Handlungsempfehlungen ausgeben, Rechnungen automatisiert prüfen und (nach Bestätigung) freigeben oder Engpässe identifizieren, um die gesamte Lieferkette zu optimieren.

KI bietet derart viele neue Chancen, die nicht verpasst werden dürfen. Im vergangenen Jahr gab es in Großbritannien rund 11.000 Startup-Unternehmen, deren Geschäft auf dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz basiert. Und selbst große Systemhäuser, die bislang nicht im Verdacht standen, schnell in neue Technologien einzusteigen, haben sich neuerdings KI auf ihre Fahne geschrieben. Die Möglichkeiten sind praktisch unerschöpflich, weshalb es keinerlei Denkverbot bei neuen Ideen geben darf. Nur so kann ein Unternehmen sichergehen, auch zukünftig relevant zu bleiben.

Bernd

Engist

Chief Technology Officer

Avantra

Seit der Gründung von Avantra vor 20 Jahren ist Bernd Engist für die technologische Vision und die Produktentwicklung verantwortlich. Er hat einen MA in Elektrotechnik und Elektronik vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT).
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