Immer mehr Automobil-Unternehmen führen neue Services ein – sei es, um neue Umsätze zu generieren, die Kundenbindung zu erhöhen oder auf geänderte Marktanforderungen zu reagieren. Dabei bekommen sie es häufig mit völlig neuen Geschäftsfeldern zu tun. Die Business Software der Unternehmen sollte diese schnell und flexibel unterstützen können.
So wie in der gesamten Fertigungsindustrie gewinnt auch in der Automobil-Branche die so genannte „Servitization“ zunehmend an Bedeutung. Zusätzlich zu ihren Produkten bieten Unternehmen ergänzende Services an oder setzen sogar ganz neue, komplett Service-orientierte Geschäftsmodelle um. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen eröffnet die Servitization Unternehmen die Möglichkeit, zusätzliche Umsätze zu generieren und weiter zu wachsen. Zum anderen stellen Services ein äußerst wirksames Instrument zur Differenzierung dar. In Zeiten, in denen sich die Produkte immer ähnlicher und gleichzeitig die Märkte immer umkämpfter sind, werden Services zunehmend zum ausschlaggebenden Faktor für die Kundenbindung.
Oft haben Unternehmen aber auch gar keine andere Wahl, als sich auf neue Services einzulassen, weil ihre Kunden das inzwischen einfach erwarten. Die Automobilhersteller haben schon vor vielen Jahren begonnen, immer mehr Aufgaben, die nicht zu ihren Kernkompetenzen gehören, an ihre Zulieferer auszulagern. Waren das in der Vergangenheit vor allem Konstruktionstätigkeiten, haben sie nun damit begonnen, den Zulieferbetrieben auch immer mehr Aufgaben aus dem Servicebereich zu übertragen.
Ersatzteillager für Automobilhersteller in Eigenregie betreiben
Ein Beispiel dafür liefert ein Tier-1-Supplier, der mechatronische Systeme für Automobilhersteller produziert. Ein Kunde des Unternehmens wollte, dass es nicht länger nur die Teile für ihn produziert, die er zur Herstellung seiner Fahrzeuge benötigt. Stattdessen sollte der Zulieferer zusätzlich die Ersatzteillager bei den Händlern und an den Service-Points des Automobilherstellers in Eigenregie betreiben. Abhängig davon, wie viele Ersatzteile der Hersteller für den Sekundärmarkt benötigt, sollte der Supplier die Bestände der Lager eigenständig mit seinen mechatronischen Systemen auffüllen.
Dieses Beispiel zeigt eine zentrale Herausforderung der Servitization für Unternehmen der Automobil-Branche: Sie bekommen es oft mit komplett neuen Geschäftsfeldern zu tun. Bisher betrieb der Supplier ausschließlich das Geschäft eines Serienfertigers. Er erhält von seinem Kunden Lieferabrufe für mechatronische Systeme, die er dann gemäß der Mengen- und Zeitvorgaben auf seinen Maschinen einplant, produziert und innerhalb der vorgegebenen Zeit liefert.
Die Produktion für die Ersatzteillager muss er nun zusätzlich gänzlich anders planen und steuern – nämlich abhängig von Verbräuchen und nicht von Bestellungen. Dazu sind völlig andere Planungsmodelle einzusetzen, die künftige Verbräuche aus historischen heraus prognostizieren und dabei auch Faktoren wie Rückrufe oder die Auslaufzeiten von Modellreihen einbeziehen können. Dabei gilt es, mehrere hundert einzelne Läger zu berücksichtigen.
ERP-Systeme müssen neue Aufgaben schnell unterstützen
Neue Umsätze generieren, die Kundenbindung erhöhen oder auf externe Anforderungen reagieren: Unabhängig davon, aus welchen Gründen sich Unternehmen der Automobil-Branche neue Geschäftsmodelle und Services erschließen, kommt ihren ERP-Systemen dabei eine zentrale Bedeutung zu. Sie bilden in aller Regel das Herzstück ihrer IT-Landschaft und müssen deshalb in der Lage sein, die neuen Aufgaben möglichst schnell zu unterstützen.
Das können sie am besten gewährleisten, wenn sie eine komponentenbasierte Architektur aufweisen. Damit lassen sich bestehende ERP-Installationen unkompliziert mit den Komponenten erweitern, die zur Abbildung der zusätzlichen Prozesse nötig sind. Darüber hinaus sollte sich ein ERP-System durch Konfiguration an neue Prozesse anpassen lassen anstatt dafür aufwändige Programmierungen oder Modifikationen des Quell-Codes zu verlangen. Auf diese Weise ist es dann möglich, etwa nutzungsorientierte Abrechnungsmodelle, geänderte Fertigungsabläufe oder bedarfsorientierte Planungsprozesse schnell und ohne Auswirkungen auf die Updatefähigkeit des Systems zu realisieren.
Oft wird außerdem auch eine automatisierte Kommunikation mit den Systemen von Kunden oder Partnern nötig. Um das zu unterstützen, sollten die ERP-Systeme von Automobil-Unternehmen offene und leicht konfigurierbare Schnittstellen für den elektronischen Datenaustausch (EDI) bieten. Zur unkomplizierten Einbindung kleinerer Partner oder Kunden, die nicht die nötige Ausstattung zur EDI-Kommunikation aufweisen, bringt das ERP idealerweise spezielle B2B-Portale mit.
Bedarfsorientierte Planungstools effizient eingeführt
Mit einer solchen flexiblen ERP-Software konnte auch der Tier-1-Supplier für mechatronische Systeme die Anforderungen des Automobilherstellers rasch erfüllen. Die Software ermöglichte ihm unter anderem, kosteneffizient und schnell bedarfsorientierte Planungstools einzuführen und zusätzlich zur Produktion ein Lagerführungssystem aufzubauen. Mit Hilfe mobiler Scannerlösungen, die die Software integriert zur Verfügung stellt, kann das Unternehmen außerdem Lagerentnahmen effizient verbuchen. Zudem unterstützen ihn die logistischen Komponenten des ERP bei den Rücknahmeprozessen defekter Teile.
Stefan Issing ist Global Automotive Industry Director von IFS