Die so genannte Great Resignation ist zu einem geflügelten Wort geworden. Auch das Weltwirtschaftsforum hat sich mit diesem Begriff auseinandergesetzt und zitiert in einem Artikel Professor Anthony Klotz, der diesen Begriff geprägt hat: „Viele Menschen werden ihren Arbeitsplatz verlassen, wenn die Pandemie vorüber ist und das Leben wieder zur Normalität zurückkehrt.“
Was ist dran an dieser düsteren Aussicht auf eine drohende Kündigungswelle?
Eine einzige Kündigung ist ein großer Verlust für ein Unternehmen und im Hinblick auf den steigenden Fachkräftemangel gleich in mehrerlei Hinsicht. Es kostet viel Zeit, neue Mitarbeiter:innen einzustellen und auszubilden. Zudem müssen die Opportunitätskosten berücksichtigt werden, die mit dieser Stelle verbunden sind. Gerade Unternehmen in Wirtschaftsbereichen, in denen der Markt unsicher und veränderlich ist, müssen sich dessen bewusst sein.
Studie belegt: Fehlende Zeit Schuld für sinkende Motivation
Die Auswirkungen der Great Resignation sind für deutsche Arbeitnehmer:innen bereits spürbar. Die Office Worker Survey 2022 von UiPath stellt fest, dass 52 Prozent der Arbeitnehmer:innen in Deutschland nicht mehr wissen, was ihr eigentlicher Job ist, weil Kolleg:innen gekündigt haben und sie zusätzliche Aufgaben übernehmen müssen. 69 Prozent geben an, dass sie bis zu vier zusätzliche Aufgaben, wie extra Projekte, Kunden oder administrative Aufgaben, übernommen haben.
Dies wird von einer kürzlich veröffentlichten Adobe-Studie untermauert. Die Studie befragte Mitte 2021 tausende Arbeitnehmer:innen in den USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Australien, Neuseeland und Japan. Mehr als die Hälfte (56 Prozent) der Befragten aus der Generation Z gab an, innerhalb des nächsten Jahres den Job kündigen und bei einem anderen Unternehmen anfangen zu wollen. Unter den deutschen Befragten bestätigten zwar nur 25 Prozent diese Absicht, eine solche Wanderung von Arbeitskräften wäre jedoch auch für den deutschen Arbeitsmarkt eine große Herausforderung.
Die Hauptgründe sind ein zu hoher Zeit- und Produktivitätsdruck, der gefühlte Zwang, zu jeder Tageszeit erreichbar sein zu müssen sowie eine fehlende Work-Life-Balance. Gerade im Hinblick auf die Tatsache, dass die Generation Z bis zum Jahr 2025 etwa 27 Prozent der globalen Erwerbsbevölkerung ausmachen wird, sollte dieses Umfrageergebnis ernst genommen werden.
Hinzu kommt, dass die Pandemie die Einstellung und Überzeugung von Arbeitnehmer:innen aller Unternehmensgrößen gegenüber ihrer Arbeits- und Lebenszeit grundlegend geändert hat. Zeit wird wie nie zuvor als wertvollstes Gut angesehen. Freilich verträgt sich dies nicht mit dem Anhäufen von Überstunden und der permanenten Erreichbarkeit.
51 Prozent der befragten deutschen Arbeitnehmer:innen in Großunternehmen und 58 Prozent der befragten KMU-Führungskräfte gaben an, länger zu arbeiten, als ihnen recht ist. Gleichzeitig sei die wöchentliche Arbeitszeit im globalen Durchschnitt auf etwa 45 Stunden angestiegen. 55 Prozent aller befragten deutschen Teilnehmer:innen machen hierfür ihr Unternehmen (Unternehmenskultur sowie administrative Prozesse und Aufgaben) verantwortlich.
Wachsender Ruf nach Automatisierungstechnologie
Eines wird sehr deutlich: Es geht immer mehr darum, Arbeitnehmer:innen zuzuhören und ihrer veränderten Einstellungen auf Augenhöhe zu begegnen. 34 Prozent der befragten deutschen Arbeitnehmer:innen und 35 Prozent der befragten deutschen KMU-Führungskräfte gaben an, während ihrer Arbeitswoche Zeit mit unwichtigen Aufgaben am Computer zu verschwenden. Ganze 85 Prozent der Arbeitnehmer:innen, respektive 81 Prozent der KMU-Führungskräfte, sagten, dass diese Aufgaben sie davon abhalten, ihre Arbeit effektiv erledigen zu können. Dazu zählen das Sichten, Suchen und Teilen von Dateien, das Ausfüllen der immer gleichen Dokumente sowie die Pflege von Arbeitszeitbögen und Kostenabrechnungen. Diese repetitiven und stupiden Aufgaben gehören zu den Hauptgründen für eine Kündigung bei der Generation Z.
Dabei könnten solche Aufgaben leicht automatisiert werden – mittels Robotic Process Automation (RPA). Bei der robotergestützten Prozessautomatisierung handelt es sich um eine Software, bei der Software-Roboter menschliche Handlungen bei der Interaktion mit digitalen Systemen und Software nachahmen. Genau wie Menschen können Software-Roboter zum Beispiel verstehen, was auf einem Bildschirm zu sehen ist, die richtigen Tastenanschläge ausführen, durch Systeme navigieren, Daten identifizieren und extrahieren und eine breite Palette von definierten Aktionen durchführen. RPA tut dies schneller und beständiger als Menschen. Sie rationalisiert Arbeitsabläufe, wodurch einerseits ein Unternehmen profitabler, flexibler und reaktionsschneller werden kann. Andererseits kann RPA die Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeiter:innen steigern. Denn diese können ihren Fokus nun auf kreativere und herausforderndere Aufgaben lenken.
Automatisierung für alle
Doch es genügt nicht, einfach irgendein Automatisierungs-Tool einzuführen. Es muss ansprechend und leicht zu bedienen sein. Globale Unternehmen wie Bilfinger Industrial Services haben die RPA bereits adaptiert. Dort lernen Mitarbeiter:innen, die Automatisierungen anzuwenden. Diese können ähnlich einfach bedient werden wie Microsoft Excel. Beim Gutschriftverfahren muss die Abteilung in der Regel Daten und Vertragsspezifikationen in das Kundensystem eingeben, um eine Lieferantenkreditrechnung oder Evaluated Receipt Settlement (ERS) zu erstellen. Bei der ERS handelt es sich um die automatische Abrechnung des Wareneingangs. Lieferantenrechnungen werden automatisch, das heißt ohne Eingang beim Lieferanten im System gebucht. Dieser manuelle Prozess kann die Mitarbeiter:innen der Verwaltungsabteilung bis zu 15 Minuten pro Arbeitsauftrag kosten. Obwohl Bilfinger die Daten, wie etwa die Maße der Gerüste, bereits digitalisiert verfügbar hatte, erlaubte das System des Kunden nicht, eine Schnittstelle zum Hochladen dieser Daten zu schaffen. Die Mitarbeiter:innen der Abteilung verbrachten folglich fünf bis sechs Stunden pro Tag damit, digitale Daten manuell in das System des Kunden einzugeben.
Die Automatisierung versprach eine große zeitliche und mentale Entlastung für die Angestellten. Die Abteilung bearbeitet durchschnittlich 150 Arbeitsaufträge pro Woche. Dank der RPA konnten bis zu 70 Prozent der Arbeitsstunden eingespart werden. Und das war nur ein Teil des Order-to-Cash-Prozesses, der für den Kunden erledigt werden musste.
Mittlerweile sind fünf Software-Roboter im Einsatz. Einige sind für spezifische Prozesse bei bestimmten Kunden zuständig, andere für allgemeine Aufgaben, die bei vielen Kunden ähnlich sind. So wurde beispielsweise ein Software-Roboter für Gerüstbrauprojekte entwickelt. Der Roboter verwaltet die Zeiterfassung und berechnet die für ein Gerüstbauprojekt aufgewendeten Stunden. Nachdem der Prozess mit einem Kunden standardisiert und automatisiert wurde, wird der virtuelle Assistent nun auch für andere Kundenprojekte eingesetzt.
Im Ergebnis stehen die Mitarbeiter:innen der Projektverwaltung nun unter einer geringeren Arbeitsbelastung. Das hat nicht nur zu einer größeren Zufriedenheit geführt. Die Mitarbeiter:innen haben Zeit zurückgewonnen und konnten sich beruflich von der reinen Projektverwaltung hin zur Kontrolle von Prozessen und zur Förderung kontinuierlicher Verbesserungen entwickeln. Mitarbeitende, die früher Zeit hatten, nur einen Kunden zu betreuen, können jetzt zwei oder drei betreuen.
Das Personal in den Automatisierungsprozess einzubeziehen, ist der Schlüssel zu einer guten Akzeptanz seitens der Mitarbeiter:innen. Jedes Mal, wenn ein neuer Roboter in Betrieb genommen werden sollte, wurde ein Benutzerakzeptanztest mit so vielen am Prozess Beteiligten wie möglich organisiert. So wird sichergestellt, dass auch skeptische Mitarbeitende Fragen stellen und sich selbst vom Mehrwert des Roboters überzeugen können.