Flexibilität ist eine der zentralen Anforderungen von Weber Kunststofftechnik an ein ERP-System, um die komplexen Planungs- und Fertigungsabläufe zu beherrschen. Dabei geht es beispielsweise um sogenannte wachsende Stücklisten, eine Indexierung oder die Mehrwerkesteuerung Multisite.
Die Gerhard Weber Kunststoff-Verarbeitung GmbH hat es vom Ein-Mann-Handwerksbetrieb zum führenden Hersteller von Kunststofftechnik in Europa geschafft. Mit dem Wachstum der Unternehmensstrukturen mussten schließlich auch die informationstechnischen Strukturen mithalten. So fiel mit dem Bau eines Werks in Polen der Startschuss für die Einführung eines umfassenden ERP-Systems. Das berücksichtigt die Anforderungen eines Anlagenbauers und Sonderfertigers genauso wie die werks- und landesübergreifenden Unternehmensstrukturen.
Verschiedene Kunststoffe wie Polyethylen, PVC, Polypropylen oder Flurkunststoffe hat der ein oder andere schon einmal gehört. Die Frage, wann welcher Kunststoff eingesetzt wird, können hingegen nur die Wenigsten beantworten. Zu dieser Gruppe gehören die über 500 Mitarbeiter der Gerhard Weber Kunststoff-Verarbeitung GmbH (Weber Kunststofftechnik), mit Hauptsitz in Minden (Westfalen). Denn das international tätige Familienunternehmen ist seit seiner Gründung 1967 auf die Herstellung von Kunststoffbehältern und -apparaten für die sichere Lagerung und das sichere Handling von Chemikalien und aggressiven Medien spezialisiert. Und es sind vor allem thermoplastische Kunststoffe bzw. eine Verbundbauweise (zusätzliche Beschichtung mit glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) die sich hierfür eignen. Heute bietet Weber Kunststofftechnik, inzwischen Mutter der Weber-Gruppe, seinen Kunden ein breites Portfolio für den Behälterbau aus Verbundwerkstoffen, Plattenmaterial und Wickelrohr an: Von Rund- und Rechteckbehältern über Sicherheitspaletten und Auffangwannen für die Gefahrstofflagerung, Abluftreinigungsanlagen, Abfüllstationen, Dosieranlagen bis hin zu Silos. Dabei handelt es sich in erster Linie um kundenspezifische Sonderanfertigungen. Zusätzlich bietet Weber auch die Peripherie um die Komponenten an. Vom Engineering bis zur Errichtung ganzer Tankläger für den Chemiegroßhandel sowie die Vorbehandlungsanlagen für die Feuerverzinkungsindustrie gehören zu den Kernsegmenten.
Bild: Weber Kunststofftechnik bietet Rund- und Rechteckbehältern über Sicherheitspaletten und Auffangwannen für die Gefahrstofflagerung, Abluftreinigungsanlagen, Abfüllstationen, Dosieranlagen bis hin zu Silos an. (Bildquelle Weber Kunststofftechnik)
Zum geheimen Liebling manch eines Mitarbeiters hat sich indes die kleinere Sparte Vario Pool System (kurz VPS) gemausert, die von Weber Kunststofftechnik gebaute Schwimmbecken vertreibt. Das Besondere: In VPS-Becken trainieren und regenerieren u. a. die Fußballprofis von 1. Bundesliga-Vereinen. Zudem lieferte der Transport von Becken mittels Schwerlast-Helikoptern, z. B. auf das Dach von Luxus-Hotels in den Bergen, bereits das eine oder andere spektakuläre Bild, das einfach in Erinnerung bleibt.
Zu der Unternehmensgruppe gehören zwei eigenständige Produktionsunternehmen in Deutschland und Polen sowie Vertriebsniederlassungen in den Benelux, Skandinavien und GUS. Das Unternehmen ist damit einer der größten Hersteller von Kunststoffbehältern und -apparaten in Europa.
Wachstum braucht Strukturen
Mit der Expansion wuchsen auch die informationstechnischen Anforderungen. Als der Aufbau eines weiteren Werks in Polen – zunächst mit rund 150 Mitarbeitern – Gestalt annahm, entschieden sich die Verantwortlichen für die Einführung eines umfassenden ERP-Systems. Yvonne Grünewald, Leiterin Controlling bei Weber Kunststofftechnik erinnert sich: „Tatsächlich arbeitete bis zu diesem Zeitpunkt lediglich der Vertrieb und der Einkauf mit einer kleiner IT-Systemlösung“. Die Fertigungsplanung und -steuerung erfolgte hingegen ausschließlich via Excel, Word oder sogar mithilfe von handschriftlichen Dokumenten. Für die komplexe Vernetzung unseres Stammwerks in Minden mit dem neuen Werk in Polen reichten die Mittel schlicht nicht mehr aus – und erst recht nicht mit der Perspektive weiteren Wachstums.“ Zu den wichtigsten Anforderungen an das System zählten daher nicht nur Funktionalitäten für den Anlagenbau und die Sonderfertigung, sondern auch für die Mehrwerkesteuerung über Werks- und Landesgrenzen hinaus.
Die Entscheidung fiel auf den ERP-Standard PSIpenta sowie einige integrierte MES (Manufacturing Execution System)-Module des Berliner ERP- und MES-Spezialisten PSI Automotive & Industry. Alle 500 Mitarbeiter melden inzwischen ihre Arbeitszeiten über die Personalzeiterfassung. 210 User arbeiten täglich auch darüber hinaus mit dem System, angefangen beim Kontaktmanagement bis zur Dokumentation. Geht heute bei Weber Kunststofftechnik eine Kunden-Anfrage ein, erfolgt zunächst eine Produktauslegung- und Preiskalkulation. Auf dieser Basis erstellt das ERP-System ein Angebot. Vor Bestätigung des Auftrags ermittelt der integrierte Leitstand eine Termin- und Ressourcenplanung, die wiederum Basis für der Erstellung der Fertigungsaufträge ist. Parallel erarbeitet die Konstruktion mit Hilfe eines PDM-Systems die exakten Pläne, die wiederum ins ERP-System importiert werden. Es folgen die Erstellung der Fertigungsstücklisten, die Aktivierung und Freigabe des Fertigungsauftrags, gegebenenfalls eine Auswärtsvergabe an das Schwesterwerk in Polen via Multisite sowie der Start der (physischen) Fertigung. Eine integrierte Betriebsdatenerfassung (BDE) meldet für die Produktionsplanung und -steuerung relevante Daten automatisch zurück. Schließlich erstellt das System die erforderlichen Lieferscheine und stößt die Fakturierung sowie eine Soll-Ist-Auswertung an.
Ständige Änderungen ohne Probleme
Als Sonderfertiger und Anlagenbauer spielen bei Weber Kunststofftechnik vor allem jene Funktionalitäten eine herausragende Rolle, die Änderungen bzw. Ergänzungen während des Planungsprozesses unterstützen. Denn die gehören in dieser Branche zum täglich Brot. „Angenommen, wir fertigen einen Rundbehälter mit Auffangwanne. Dann steht ggf. schon recht früh fest, wie der Zylinder aussehen muss. Die Stutzen hingegen sind noch nicht klar definiert. Natürlich macht es aber Sinn, dann schon mit dem Wickeln des Zylinders zu beginnen“, erklärt Yvonne Grünewald, die als Leiterin Controlling längst auch bestens mit den Produktionsabläufen vertraut ist. Das ERP-System ermöglicht diese Flexibilität durch sogenannte wachsende Stücklisten sowie über die Indexierung. „Die Flexibilität im Auftragsmanagement ist für uns wirklich unheimlich wichtig. So können z. B. auch verschiedene Abteilungen parallel arbeiten oder in immer wieder unterschiedlichen Reihenfolgen mit der Auftragsbearbeitung starten. Änderungen pflegen wir einfach ins System ein. Andere ERP-Lösungen verhalten sich sehr starr in den Abläufen, was dazu führt, dass nachträgliche Änderungen mit einem hohen Aufwand verbunden oder gar nicht möglich sind“, so Grünewald.
Ressourcen werks- und landesübergreifend im Blick
Die Werke in Polen und Minden sind heute eng miteinander verzahnt. Beide Werke sind zwar eigenständig und verfügen über einen eigenen Vertrieb und Einkauf. Sie können aber jeweils auf die Kapazitäten des anderen zurückgreifen. Dabei fungiert insbesondere Polen als verlängerte Werkbank von Minden. „Wenn wir in Minden keine Kapazitäten frei haben, vergeben wir die Produktion nach Polen. Da das Material von Minden beigestellt wird, sind hier regelmäßig umfangreiche Materialbewegungen notwendig“, erläutert der IT-Leiter. Das alles lässt sich mit der Mehrwerkesteuerung PSIpenta Multisite abbilden, jeweils in deutscher und polnischer Oberfläche. Eine besondere Rolle spielt hier auch der integrierte Leitstand. Ursprünglich sollte hierüber die zentrale Disposition beider Werke von Minden aus erfolgen. Inzwischen verfügt aber auch Polen über eine Arbeitsvorbereitung und beschäftigt mehr als 250 Mitarbeiter. Heute nutzen beide Werke den Leitstand für die Ressourcenplanung und Terminierung. Das ist durchaus ungewöhnlich. Aber auf diese Weise können beide die Kapazitätsplanungen einsehen und z. B. abschätzen, ob die Fremdvergabe eines Auftrags möglich ist. So lassen sich auch die Einkaufsmasken oder Lageransichten beider Werke zu einer Oberfläche verknüpfen. „Das klingt banal. Tatsächlich spart es Zeit und Aufwand, da wir wie in einer gemeinsamen Firma arbeiten und jeder Anwender die Möglichkeit hat, sich die Informationen und Dokumente aus beiden Werken anzuschauen “, so Bokemeyer. Die Belieferung der Kunden erfolgt dann jeweils vom fertigenden Werk.
ERP-MES-System verschafft Profitabilität
Fakt ist: Die Komplexität der werksübergreifenden Planungs- und Ablaufprozesse ließe sich ohne ein ERP-MES-System nicht mehr beherrschen. Das gilt aber bereits auf Werksebene. Das A und O ist dabei die hohe Datenqualität, die geschaffenen Strukturen und zahlreichen ineinandergreifenden Automatismen. Die sorgen nicht zuletzt für geringere Arbeitsaufwände. „Unsere Material- und Fertigungsdisposition ist heute viel genauer und effizienter. Die Ergebnisse aus den Strukturen werden in den betriebswirtschaftlichen Zahlen deutlich sichtbar“, weiß Grünewald. Fakt ist: Die maximale Transparenz über die Auftragsstände ist für Weber Kunststofftechnik als Sonderfertiger, gerade bei Großprojekten, unverzichtbar. 100 Reports liefert das ERP-System für die verschiedensten Geschäftsbereiche und ist somit Ausgangspunkt für weiterführende Analysen bzw. Entscheidungsgrundlage für Investitionen der Geschäftsführung.
Für die Zukunft gut aufgestellt
Weber Kunststofftechnik ist zu einem Unternehmen von internationalem Format gereift. Dazu trägt auch der Einsatz des ERP-MES-Systems bei. Seine Strukturen und Automatismen haben sich nicht nur rentiert, sondern auch eine Basis geschaffen für eine erfolgreiche Zukunft – weiteres Wachstum miteingeschlossen.