Niederlassungen im Ausland sind keine einsamen Inseln. Vertriebsbüros und Produktionsstandorte benötigen Daten aus der Unternehmenszentrale. Im Gegenzug müssen sie wiederum Informationen zurückliefern. Idealerweise geschieht dieser Austausch direkt über das ERP-System.
Zur Vernetzung existieren in der Praxis grundsätzlich zwei Optionen: Einmal besteht die Möglichkeit einer zentral angelegten Architektur. Dabei greifen die Mandanten aller Standorte auf eine Datenbank zu. Das andere Modell ist dagegen dezentral organisiert. Hier versorgen mehrere, verteilte Datenbanken jeweils eine Gruppe regionaler Gesellschaften mit Informationen. Die Entscheidung „lokal versus zentral“ hat weitreichende Konsequenzen. Unternehmen müssen daher Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken sehr sorgfältig abwägen.
Der ERP-Hersteller proALPHA hat die wesentlichen Argumente zusammengetragen:
Gemeinsam an einem Strang ziehen
Eine zentrale Datenbank bietet einen einheitlichen Daten- und Prozesskern für alle Gesellschaften. Vorteil dieser Architektur: Sie ermöglicht einen optimalen, direkten Informationsaustausch. Denn Daten müssen nur an einer Stelle aktualisiert und vorgehalten werden. Für das Ein-Datenbank-Modell sprechen ferner die im Vergleich geringen Kosten für Anschaffung und Betrieb der Hardware. Ein weiteres, dickes Plus: Allen Landesgesellschaften steht der ganze Lizenz-, Anpassungs- und Funktionsumfang unmittelbar zur Verfügung.
Zentral ist nicht immer ideal
Wo Licht ist, ist auch Schatten. Dies zeigt sich bei einer zentralen Systemarchitektur insbesondere im laufenden Betrieb. Gerade bei Unternehmen, die in sehr unterschiedlichen Zeitzonen arbeiten, schmelzen nämlich die Zeitfenster für mögliche Wartungen auf ein Minimum. Selbst einfache Routineadministration wird da zur Herausforderung. Von ungeplanten, dringenden Eingriffen gar nicht zu reden. Auch auf der Kostenseite schwächelt eine zentralistische Struktur. Denn sie stellt den Landesgesellschaften möglicherweise Funktionalitäten zur Verfügung, die sie gar nicht benötigen. Ein Vertriebsbüro ohne Fertigung beispielsweise nutzt kein Modul für die Produktionsplanung. Darüber hinaus werden Lizenzkosten für neue Module auf die Gesamtuserzahl bezogen; im Falle eines „concurrent user“-Lizenzmodells lässt sich dieser Effekt zumindest abfedern, wenn bedingt durch verschiedene Zeitzonen immer nur ein Teil der Nutzer gleichzeitig im ERP-System aktiv ist. Jedoch bringt eine große, zentral ausgerichtete Installation noch weitere Nachteile mit sich: Zusätzlich zu einem erhöhten Abstimmungs- und Testbedarf im Falle von Change Requests gestalten sich auch die Releasewechsel oft besonders komplex, weil stets alle Gesellschaften gemeinsam das neue Release in Betrieb nehmen müssen.
Risiken genau abwägen
Wenn in einer zentral organisierten Architektur etwas schief geht, geht es richtig schief. Technische Probleme betreffen dann sofort alle Gesellschaften. Auch bei einem Datenleck ist der Schaden tendenziell größer als bei verteilten Systemen. Natürlich lässt sich dies auch anders betrachten: Ein Problem in einer zentralen Infrastruktur muss auch nur einmal behoben werden. Alles also eine Frage der Abwägung. Gegen einen zentralen Ansatz spricht: Zugriffsgeschwindigkeit und System-Performance hängen entscheidend von der weltweit verfügbaren Bandbreite und Latenz der Internetverbindungen ab. Last but not least können politische beziehungsweise lokale gesetzliche Änderungen Unternehmen zu einer Dezentralisierung zwingen. So zum Beispiel im Fall China: Dort müssen seit 2017 sensible und personenbezogene Daten lokal gehostet werden und dürfen das Land nicht verlassen. Sind so bewertete Daten betroffen, ist ein Ein-Datenbank-Modell de facto unmöglich.
Chancen optimal nutzen
Gleichzeitig bietet ein zentrales ERP aber auch viele Chancen: Werden neue Gesellschaften Schritt für Schritt angebunden, bietet der hohe Funktionsumfang von Anfang an ein Maximum an Flexibilität. Außerdem können bereits erprobte Prozesse direkt übernommen werden. Die neue Gesellschaft ist so viel schneller operativ und produktiv. Und auch wenn es dem ein oder anderen Country Manager nicht angenehm ist: Ein einheitliches Prozessgerüst zwingt zu einem standardisierten Vorgehen. Nur mit einem solchen „Korsett“ lässt sich eine gewisse Vergleichbarkeit erzielen für die Geschäftsleitung ein enormer Vorteil.
Zusätzliche Stolperfallen erkennen und umgehen
Mit dem technischen Setup im Backup allein ist es allerdings nicht getan. Für den internationalen ERP-Erfolg sind noch zwei weitere Themenkomplexe maßgeblich: zum einen der Datenzugriff. ERP-Governance und Datensicherheit dürfen heute nicht mehr auf die leichte Schulter genommen werden. Ein Modell mit zentraler Verantwortung und zentraler Verwaltung bietet da die größtmögliche Sicherheit. Gleichzeitig kann es jedoch Einbußen in der Produktivität kommen. Denn für einen effizienten Informationsfluss benötigen die lokalen Organisationen auch umfangreichen Zugang zu relevanten Daten. Je nach Situation kann es sogar erforderlich sein, die Verantwortung für die Daten teilweise oder komplett in lokale Hände zu geben. Die Zentrale verliert damit ein Stück Hoheit und Kontrolle. Dies gilt insbesondere bei Fragen des Stammdatenmanagements. Hier heißt es ebenfalls abzuwägen: Werden die Stammdaten zentralisiert über einen Mastermandanten gepflegt, sollen die Landesgesellschaften selbst ihre Stammdaten aktualisieren und verwalten – oder gibt es eine „goldene Mitte“?
Den optimalen Weg finden
„Eine pauschale Empfehlung für den einen oder anderen Ansatz abzugeben, wäre hochgradig unseriös“, unterstreicht Heiner Habeck, Manager International Business Development beim ERP-Hersteller proALPHA. Die individuellen Gegebenheiten und strategischen Prioritäten seien einfach zu unterschiedlich. Allerdings gebe es für bestimmte Konstellationen durchaus erprobte Szenarien. Der Aufbau einer optimalen Architektur kommt daher mit einem erfahrenen ERP-Berater schneller voran. Dennoch: Abschließend muss jedes Unternehmen sämtliche Stärken, Schwächen, Risiken und Chancen für sich abwägen und bewerten.
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