Künstliche Intelligenz mischt derzeit die Karten im E-Commerce neu: Das Shopping-Erlebnis wird individueller; die Customer Experience erreicht eine nie dagewesene Qualität. Weil das die Kundenerwartungen und folglich auch den Wettbewerb nachhaltig verändert, sollten Unternehmen sich lieber heute als morgen mit den Chancen von KI auseinandersetzen.
Kaum mehr als 50 Jahre ist es her, dass eine Software namens ELIZA die Menschen durch Intelligenz und scheinbares Verständnis natürlicher Sprache verblüffte: Das Programm stammte aus der Feder des legendären KI-Pioniers Josef Weizenbaum, wobei eine Unterhaltung mit ELIZA ausschließlich via Tastatur und Bildschirm möglich war. Denn digitale Analysen gesprochener Wörter existierten damals noch nicht. Auch besaß ELIZA nur rudimentäres Hintergrundwissen, sodass ihre Intelligenz wohl vor allem darin bestand, im „Gespräch“ mit Menschen die Illusion von wirklichem Verständnis hervorzurufen.
Die meisten heutigen KI-Grundlagen wie Algorithmen für maschinelles Lernen waren bereits der Forschergeneration um Josef Weizenbaum bekannt. Schnelle Prozessoren hingegen gab es seinerzeit nicht – ebenso wenig wie performante Datenbanken. Beides braucht man aber, um aus heterogenen Informationen unterschiedlichster Herkunft je nach Situation in Echtzeit relevantes Hintergrundwissen zu generieren. Kein Wunder also, dass preiswerte Rechenpower und der Cloud-Zugriff auf ultraschnelle In-Memory-Datenbanken derzeit als wichtige Treiber für den Durchbruch von KI im Massenmarkt gelten.
Viele Verbraucher reden inzwischen nicht nur mit allgegenwärtigen Sprachassistenten wie Siri, Alexa, Cortana & Co., sondern lassen sich auch von thematisch speziell trainierten Chatbots beraten: Mercedesfahrer etwa können seit kurzem einen Chatbot in ihrem Smartphone zur Bedienung ihres Wagens befragen. Oder sie richten einfach die Kamera auf ein bestimmtes Ausstattungsdetail und erhalten sofort eine Erklärung zum fokussierten Bild – inklusive Verlinkung auf weiterführende YouTube-Videos. Unkomplizierter geht es kaum; die gedruckte Bedienungsanleitung kann getrost im Handschuhfach liegen bleiben. Entstanden ist das multimediale Dialogsystem „Mercedes Ask“ in einer Kooperation zwischen Spezialisten aus dem IT-Unternehmen adesso und den Customer-Experience-Experten der adesso Group zugehörigen ARITHNEA GmbH.
Weil im Wettbewerb nichts so sehr wie Erlebnisqualität zählt
Customer Experience ist denn auch das Schlüsselwort, wenn es um das KI-Potenzial im E-Commerce geht: So wie sich das Nutzungserlebnis eines Mercedesfahrers durch den intelligenten Chatbot verbessert, so können auch Online-Shop-Betreiber durch KI das Einkaufserlebnis ihrer Kunden aufwerten. Per Profilbildung lassen sich beispielsweise Shop-Angebote und Werbekampagnen personalisieren. Jeder Kunde sieht dann nur noch solche Produkte, die seinen Bedürfnissen und seinem Budget tatsächlich entsprechen. Mehr noch: Je besser das KI-System einen Kunden im Lauf der Zeit kennenlernt, desto präziser kann es den künftigen Bedarf prognostizieren. Wer zum Beispiel nach Immobilen sucht, ist meist auch an einer Baufinanzierung und später auch an entsprechenden Versicherungen interessiert. Richtig eingesetzt, bietet KI demnach einzigartige Chancen, um Kunden enger an sich zu binden und gleichzeitig die Wertschöpfung pro Kundenbeziehung zu maximieren.
Zugleich ist KI ein entscheidender Hebel, um die Kosten der Kundenbetreuung im E-Commerce nachhaltig zu reduzieren: Ein Chatbot eines Online-Elektronikfachmarkts kann beispielsweise sofort Auskunft zu einem beliebigen Bauelement der Produktdatenbank mit ihren oftmals abertausenden Einträgen geben. Jeder noch so versierte menschliche Berater müsste dafür bei den meisten Bauteilen zunächst einmal die betreffenden Datenblätter am Bildschirm durchforsten – während der Kunde am anderen Ende wartet. Die KI-Automatisierung solcher Kundenkontakte senkt demnach nicht nur Personalkosten, sondern verbessert überdies spürbar die Qualität der Kundenbetreuung.
Achtung Mittelstand! KI-Hürden aus dem Weg geräumt
Aber ist der Weg dahin nicht viel zu teuer für einen durchschnittlichen Mittelständler? Lange galt die Maxime, dass KI nur etwas für große Unternehmen sei. Schließlich erwerben solche Systeme ihre Intelligenz erst durch ein sehr aufwendiges Training – und zwar auf der Basis von Massendaten, über die kaum ein mittelständisches Unternehmen verfügt. Ein solches Training braucht zudem Zeit, hochkarätiges Knowhow und eine kostspielige Technologiebasis. All das ist zwar richtig, doch mittlerweile bündeln Plattformen wie SAP Leonardo vorab trainierte KI-Funktionen und stellen sie als Cloud-Service zur Verfügung.
Das System SAP Leonardo bietet unter anderem standardisierte Schnittstellen für KI-Funktionen zur Gesichts- und Produkterkennung oder auch zur Dokumentklassifikation. Der Face-Recognition-Algorithmus funktioniert hier deshalb so gut, weil das System vorab mit abertausend Fotos aus Social-Media-Quellen gefüttert wurde. Dank einer extrem schnellen SAP HANA-Datenbank in der Cloud ist Gesichtserkennung mit dieser Lösung in Sekundenbruchteilen möglich. Denkbare Anwendung im E-Commerce: Bequemes Login bei Online-Shops ohne lästige Benutzernamen- und PIN-Eingabe.
Wie die meisten Cloud-Lösungen sind auch KI-Services auf der Basis von SAP-Analytics-Tools nach dem Pay-per-Use-Prinzip zu haben: Mittelständler können praxiserprobte KI-Funktionen demnach kurzfristig nutzen, ohne mit Investitionen in finanzielle Vorleistung gehen zu müssen. Auch um den Betrieb einer KI-tauglichen IT-Infrastruktur brauchen sie sich im Cloud-Modell nicht zu kümmern. Folglich brauchen sie dafür auch kein entsprechend qualifiziertes IT-Personal. Lösungen wie SAP Leonardo räumen frühere Hürden für die KI-Nutzung im Mittelstand aus dem Weg. Also gibt es auch in diesem Unternehmenssegment kein objektives Hindernis mehr für den Einsatz innovativer KI-Technologien.
Fazit
Ob Chatbot, Face Recognition oder Produkterkennung – welche KI-Variante sich im Einzelfall zur Verbesserung der Customer Experience empfiehlt, hängt in erster Linie vom jeweiligen Geschäftsfeld ab. Generell aber gilt, dass künstliche Intelligenz ihr Potenzial immer dann am besten entfaltet, wenn sie nicht isoliert, sondern von weiteren Analytics-Lösungen flankiert eingesetzt wird. Denn nur so gelingt es, eine echte 360-Grad-Perspektive auf den Kunden zu gewinnen. Genau darum geht es sowohl beim KI- als auch beim Analytics-Einsatz: die Kunden immer genauer kennenzulernen, um ihre heutigen Bedürfnisse besser verstehen und künftigen Bedarf antizipieren zu können.
Der E-Commerce-Markt durchläuft derzeit eine Revolution, deren Gewinner eindeutig die Kunden sind. Denn prädiktive Analytics-Technologien inklusive KI ermöglichen absolut situationsgerechte, auf den individuellen Bedarf exakt zugeschnittene Angebote – während gleichzeitig die Erlebnisqualität ein bislang kaum denkbares Level erreicht. Customer Experience wird mehr und mehr zum entscheidenden Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb – dem kann sich auf Dauer kein Unternehmen entziehen. Je früher also die Auseinandersetzung mit dem KI-Potenzial für das eigene Geschäft beginnt, desto größer der künftige Vorsprung gegenüber der Konkurrenz.