So stark wie das Thema Künstliche Intelligenz wegen Tools wie ChatGPT, Bard oder Deepl aktuell auch in den Medien besprochen wird, so umfangreich und vielseitig ist ihr Einsatz. Aus KI können wesentlich komplexere Nutzen gezogen werden als das simple Verfassen oder Übersetzen von Texten. Wir Menschen haben es geschafft, bereits viele großartige Dinge hervorzubringen.
Wir sind vor allem gut darin, Technologien zu erfinden, die uns darin unterstützen, unsere Unfähigkeiten oder Schwierigkeiten zu beheben. Genauso ist es auch mit der Künstlichen Intelligenz beziehungsweise AI. Sie soll für uns Herausforderungen lösen, zu denen wir mit unserem menschlichen Verstand nicht in der Lage sind. Und das geht eben über das Texten und Redigieren und Kontrollieren hinaus.
Das Ziel hinter technischen Fortschritten besteht schließlich darin, Geräte und Funktionen zu schaffen, mit denen Menschen bestmöglich umgehen können und neben Erleichterungen auch neues Wissen erfahren. Doch wie sieht gute Technologie aus? Aufschluss darüber geben uns beispielsweise die Daten einer evidenzbasierten Designmethode, die Funktionalität auf rationaler Weise analysiert. Nach Hunderten von Projekten mit dieser Methode und langjähriger Erfahrung sowie Optimierung beschäftigt uns heute aber auch die Frage „Wie sieht ein guter Prozess oder ein Tool aus, durch den gute Technologie entstehen kann?”
Wenn durch Alltagshelfer Einfachheit verloren geht
IT-Systeme sind oft komplexe Programme mit genauen Regeln, die in noch kompliziertere Strukturen beziehungsweise gesellschaftliche Umfelder integriert sind. Die Grundproblematik besteht darin, dass davon ausgegangen wird, dass sich Menschen an Systeme und Strukturen anpassen und sich in sie hineinversetzen können. Tatsächlich ist unser Verstand jedoch begrenzt und schnell überfordert, wenn es um komplexe Zusammenhänge oder Vorgänge geht. Bei den fortschrittlichen Technologien, die wir Menschen in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt haben, wurde oft aus den Augen gelassen, wie sie von Menschen möglichst intuitiv und leicht benutzt werden können. So haben wir uns mit vermeintlichen Alltagshelfern und Tools, die uns unterstützen sollen, auch eine zusätzliche Herausforderung geschaffen, die es zu bewältigen gilt. KI hat die Skills hierbei zu helfen, wenn wir bedenken, dass wir nur begrenzt viel auswerten können.
7 +/- 2 – Die Kapazität unseres Gehirns ist begrenzt
So ist die User Experience-Revolution bereits seit einiger Zeit in vollem Gange und versucht diese Technik in Einklang mit den Menschen zu bringen. Ziel ist immer, die Benutzeroberflächen von solchen Programmen möglichst so zu gestalten, dass wir Menschen sie problemlos nutzen können und nicht von ihnen erschlagen werden. Wir wissen, dass Personen nicht viele Informationen gleichzeitig aufnehmen und verarbeiten können. So beschreibt die Millersche Zahl, dass Menschen gleichzeitig nur 7+/-2 Informationsschnipsel im Kurzzeitgedächtnis verarbeiten können. Genauso denken wir oft, dass wir beispielsweise das Gesamtbild einer Situation wahrnehmen, obwohl wir in Wirklichkeit sequenziell sehen. Das sogenannte fotografische Gedächtnis ist ebenfalls ein Trugschluss. Nur sehr wenige Menschen können sich an Situationen so detailliert erinnern als hätten sie ein Foto vor sich.
Technischen Anspruch auf den Menschenverstand anpassen
Für den Großteil der Menschen gilt, dass wir nur Bruchteile wahrnehmen. Diese Tatsache ist für die Erstellung von Benutzeroberflächen elementar. Wenn wir also Informationen in ein Interface verpacken und uns fragen, warum die User:innen nichts damit anfangen, dann liegt es meist daran, dass die Auskünfte zwar im Tool aber eben nicht im Verstand der Menschen angekommen sind. Brauchbar werden Technologien erst, wenn das Interface es schafft, ein Hilfsmittel für den Menschenverstand zu sein und die nötigen Informationen auch zu vermitteln. Designer:innen müssen daher wissen, ab wann die Auskünfte zu viel sind. Das meint nicht zu viele Buttons oder zu viel Text und Daten, sondern den Grad der Komplexität. Damit die Systemgestalter:innen allerdings nicht nur aus dem Bauchgefühl einschätzen müssen, ab wann eine Plattform zu anspruchsvoll ist, braucht es eine messbare Lösung. Und genau hier kommt die KI ins Spiel.
Visuelle Komplexität messbar machen
Ein Experiment, was wir durchgeführt haben, um den Mehrwert von KI im UX-Design zu zeigen, lief folgendermaßen ab: Eine Anzahl an Designer:innen wurde beauftragt, ein Interface für ein medizinisches Gerät zu erstellen. Alle bekamen das gleiche Briefing und wurden dann in drei Teams aufgeteilt. Die erste Gruppe durfte sich beim Design nur nach Best Practice Cases richten. Die Zweite durfte sich Feedback von User:innen einholen und die dritte Gruppe durfte mit dem Tool Cømpass die Komplexität des Interfaces messen. Danach wurden die entwickelten Benutzeroberflächen einer Auswahl an Nutzer:innen gezeigt, die damit Aufgaben erledigen mussten.
Im Anschluss wurde gemessen, wie lange die Anwender:innen brauchten, um eine Entscheidung zu treffen, wie oft sie die Richtige trafen und wie erschöpfend ihnen die Erfahrung subjektiv vorkam. Die Ergebnisse waren eindeutig. Obwohl sich alle Designer:innen bemühten Komplexität zu reduzieren, funktionierte es in den Gruppen unterschiedlich gut. Das User-Feedback war hilfreich, weil Menschen sich zumindest bis zu einem gewissen Grad bewusst sind, wenn ein Interface „zu viel“ oder zu komplex für sie ist. Das war schon mal eine wichtige Erkenntnis. Dennoch können Personen die visuelle Komplexität nicht wirklich beurteilen. Solch eine Messung wird erst durch KI-Tools wie Cømpass möglich, auf dessen Evidenz-Grundladge sich bessere Design-Entscheidungen treffen lassen.
Computer Vision durch KI-Tool Cømpass
Cømpass ermöglicht es schließlich, die visuelle Komplexität von Interfaces zu messen und gibt den Designer:innen die nötigen Daten an die Hand, um das bestmögliche Interface zu gestalten. So können die Benutzer:innen ihre kognitiven Ressourcen für das Lösen von Problemen nutzen und müssen sie nicht für die Bedienung einer anspruchsvollen Oberfläche verschwenden. Die Künstliche Intelligenz, die dahintersteht, benutzt Computer Vision, um dutzende von Faktoren zu messen, die ein Interface komplex machen und die Leistung der User:innen behindern. Dafür identifiziert Cømpass einzelne Komponenten der Benutzeroberfläche und analysiert sie, um zu verstehen, was sie bedeuten und wie schwierig sie von Menschen zu verarbeiten sind. Zudem wird auch die visuelle Hierarchie im Layout ausgewertet, indem Gruppen von Komponenten identifiziert werden. Mit Hilfe von Computer Vision können so Details und Beziehungen ausgewertet werden, die weit über die Grenzen der menschlichen Wahrnehmung hinausgehen.
Der Unterschied zu anderen Design-Tools liegt auf der Hand. Oftmals simulieren und messen Alternativprogramme nur, wo die Benutzer:innen auf den Bildschirm schauen. Diese Daten sind zwar auch informativ, aber nur begrenzt für Designentscheidungen nutzbar. Genauso verhält es sich mit Nutzer-Feedback. Viele Probleme sind uns Menschen selbst nicht bewusst beziehungsweise können wir unser Nutzerverhalten nur bedingt und meist unkonkret reflektieren. Cømpass wiederum zeigt die Komplexität und die Schwierigkeit, ein Interface zu verarbeiten und zu verstehen. Somit stellt das KI-Tool eine direkte Verbindung zwischen einem Design und der erwarteten Leistung der Nutzer:innen her. Hinzu kommt, dass solch ein Programm unglaublich schnell agiert und innerhalb von Sekunden verschiedene Optionen vergleicht und die gewünschten Ergebnisse bereitstellt. Das Experiment zeigt uns, wie viel mehr KI leisten kann und in welcher Form sie uns bei der Gestaltung und Entwicklung von Programmen unterstützen kann. Last but not least, übernimmt KI hierbei keinen Job von uns, sondern erweitert unsere Fähigkeiten.