E-Invoicing: Keine Angst, es tut nicht weh

„Keine Angst, es tut nicht weh“ möchte man deutsche Unternehmen, insbesondere KMU, nach gutem ärztlichen Vorbild beruhigen, wenn es um die Einführung der elektronischen Rechnungsstellung geht.

Tatsächlich nahen wichtige Fristen für die Umsetzung der Vorgaben zum E-Invoicing. Ab dem 1. Januar 2025 müssen Unternehmen in der Lage sein, elektronische Rechnungen anderer Unternehmen zu empfangen und zu verarbeiten, und ab Januar 2027 dürfen Unternehmen mit einem Vorjahresumsatz über 800.000 Euro nur noch elektronische Rechnungen verschicken. Innerhalb der EU bilden deutsche KMU das Schlusslicht in der Umsetzung der E-Invoicing-Vorgaben. Das belegt die Studie „Elektronische Rechnungsstellung: Wegbereiter für eine vernetzte Echtzeit-Wirtschaft“ von Sage. In Deutschland haben lediglich 4 Prozent der KMU die elektronische Rechnungsstellung für Transaktionen mit anderen Unternehmen eingeführt, ein drastischer Unterschied zu 21 Prozent der belgischen KMU, die die Spitzenposition innerhalb der EU einnehmen. 

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Woran es hapert – mangelnde Digitalisierungsbereitschaft

Auch wenn die Einführung der elektronischen Rechnungsstellung nicht schmerzhaft ist, gibt es eine Reihe, zum Teil gut nachvollziehbare Gründe, warum deutsche KMU im EU-Vergleich hinterherhinken. Zunächst ist ein mangelndes Bewusstsein und fehlende Digitalisierungsbereitschaft zu nennen. Viele KMU sind sich der Vorteile von E-Invoicing nicht bewusst oder scheuen die Umstellung auf digitale Prozesse. Oftmals fehlt es an der Bereitschaft, etablierte Arbeitsweisen zu hinterfragen und in neue Technologien zu investieren. Insbesondere die Angst vor komplexen IT-Systemen und hohen Umstellungskosten schreckt viele Unternehmen ab.

Woran es hapert – Rechtslage und uneinheitliche Formate

Die deutsche Rechtslage lässt eine Vielzahl an Formaten zu. Während ZUGFeRD mit seiner Kombination aus PDF und XML-Datei Flexibilität verspricht, erfordert es eine komplexere Implementierung. Die XRechnung hingegen, konzipiert für den Austausch mit der öffentlichen Verwaltung, ist zwar maschinenlesbar, aber im B2B-Bereich weniger verbreitet. Diese uneinheitliche Formatlandschaft sorgt für Verwirrung und erschwert die Interoperabilität zwischen Unternehmen.

Hinzu kommt die uneinheitliche Regulierung der Rechnungstellung von Unternehmen an Behörden (B2G) und zwischen Unternehmen (B2B). Während im B2B-Bereich lediglich der Empfang von E-Rechnungen ab 2025 verpflichtend ist, schreibt der Gesetzgeber im B2G-Bereich die XRechnung seit 2020 vor. Unternehmen, die sowohl mit Geschäftspartnern als auch mit der öffentlichen Hand digital Rechnungen austauschen wollen, müssen daher ihre Systeme für beide Szenarien anpassen, was den Aufwand zusätzlich erhöht.

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Woran es hapert – IT-Infrastruktur und Expertise

KMU verfügen häufig über eine eingeschränkte IT-Infrastruktur und Expertise. Deshalb herrscht oft selbst bei Unternehmen mit vorhandener Buchhaltungssoftware die Vorstellung, die Umstellung auf E-Invoicing sei technisch komplex. Diese Situation wird nicht gerade verbessert durch Anbieter von Buchhaltungssoftware, die versuchen, ihren Kunden und Neukunden spezifische Pakete für die elektronische Rechnungstellung zu verkaufen. Dabei stellen Empfang, Versand und Archivierung elektronischer Rechnungen keine moderne Buchhaltungslösung vor Probleme. Unternehmen, die noch ohne Buchhaltungssoftware arbeiten sollten bei der Wahl einer Lösung darauf achten, dass das Produkt die gängigen Formate ZUGFeRD und XRechnung sowie die Verarbeitung elektronischer Rechnungen standardmäßig unterstützt, also z.B. keine kostenpflichtigen Ergänzungen erfordert.

Erfolgreiches E-Invoicing – Unternehmenskultur ändern

Wie viele Digitalisierungsprojekte ist die Einführung der elektronischen Rechnungsstellung mehr als ein rein technisches Unterfangen. Der Wechsel von Papier- zu digitalen Dokumenten erfordert eine grundlegende Veränderung der Denkweise und der Arbeitsabläufe im gesamten Unternehmen. Insbesondere als Teilaspekt einer weiterreichenden Digitalisierung des Dokumentenmanagements bietet die elektronische Rechnungsstellung enorme Potenziale, um Abläufe effizienter zu gestalten und Geld sowie Zeit zu sparen. Allein schon die Einsparungsmöglichkeiten beim Porto sind signifikant. Als Richtwert kann eine Einsparung von zwei Euro pro Rechnung gelten. Entscheidend ist, die Belegschaft bei der Umstellung mitzunehmen. Die Vorteile aus dem Umstieg auf elektronische Rechnungen ergeben sich nur, wenn alle betroffenen Mitarbeiter diese als solche wahrnehmen und ihnen die Arbeitserleichterung durch den Umstieg auf digitale Prozesse einleuchtet.

Erfolgreiches E-Invoicing – Staatliche Förderung nutzen

Die Einführung der elektronischen Rechnungsstellung amortisiert sich schnell und bietet Einsparungen von 60 bis 80 Prozent der Prozesskosten je Rechnung. Unternehmen, die für den Umstieg auf die elektronische Rechnungsstellung in neue Software investieren müssen, haben zudem die Möglichkeit, staatliche Förderung zu erhalten. Der Staat hat ein starkes Interesse daran, dass die elektronische Rechnungsstellung reibungslos und umfassend eingeführt wird, und bietet Unternehmen daher Unterstützung an. Diese unterscheidet sich je nach Bundesland und Region. Für Unternehmen lohnt es sich auf jeden Fall, sich entsprechend zu informieren.

Erfolgreiches E-Invoicing – Unterstützung

Um E-Invoicing flächendeckend erfolgreich zu machen, bedarf es einer breiten Aufklärungskampagne, die Unternehmen über die Vorteile, Funktionsweisen und rechtlichen Rahmenbedingungen von E-Invoicing informiert. Die Politik ist gefordert, klare und verständliche Informationen bereitzustellen und die Vorteile von E-Invoicing für Unternehmen und die öffentliche Hand hervorzuheben. Ebenso ist es wünschenswert, die zulässigen Formate auf ein einziges, einheitliches und zukunftssicheres Format zu reduzieren. 

Erfolgreiches E-Invoicing – die Vorteile

Die offensichtlichsten Vorteile durch den Umstieg auf E-Invoicing ergeben sich aus schlankeren Prozessen. Dazu kommt der geringere Zeitaufwand, der Kapazitäten der Belegschaft für anspruchsvollere Aufgaben freisetzt.

Darüber hinaus verbessert die elektronische Rechnung das allgemeine Compliance-Niveau eines Unternehmens und steigert den Cashflow, indem es die Zustellung und den Zeitraum bis zur Bezahlung verkürzt. Die automatisierte Abwicklung eingehender Rechnungen mit Workflow-basierten Freigabeprozessen und schnellerer Buchung inkl. Archivierung entlastet das Personal. Nicht zuletzt führt die Digitalisierung der Rechnungsstellung und -verarbeitung zur Einsparung der wichtigen ökologischen Ressource Papier bzw. Holz.

Sehr hoch ist auch der Beitrag der elektronischen Rechnungsstellung zur Cybersicherheit zu veranschlagen. Cyberkriminalität boomt und die Lieblingsbetrugsmethode der Cyberkriminellen ist das Phishing per E-Mail. Gerne zielen sie bei ihren Angriffen auf Personen mit Zugriff auf die Finanzsysteme in Unternehmen. Sie nehmen fremde, der Buchhaltung des Empfängerunternehmens jedoch bekannte digitale Identitäten an und verschicken beispielsweise gefälschte Rechnungen per E-Mail. Nicht selten fällt diese Art von Betrug erst auf, wenn es zu spät ist. Bei der elektronischen Rechnungsstellung kann die verschlüsselte Verbindung zwischen dem unzweifelhaft identifizierten Rechnungsteller und -empfänger dafür sorgen, dass solche Fälle der Vergangenheit angehören.

Fazit

E-Invoicing bietet Unternehmen, insbesondere KMU, zahlreiche Vorteile und ist für viele ein wichtiger Schritt in die digitale Zukunft. Um die Adaption von E-Invoicing in Deutschland zu beschleunigen, sind gemeinsame Anstrengungen von Politik, Wirtschaft und Verbänden erforderlich. Durch Aufklärung, Vereinfachung, Förderung und die Stärkung der IT-Sicherheit kann E-Invoicing zu einem Erfolgsmodell für den deutschen Mittelstand werden. Und nicht vergessen: Es tut nicht weh!

Autor: Christian Mehrtens, Geschäftsführer der Landesgesellschaften in der Region Central Europe bei Sage

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