Künstliche Intelligenz (KI) wird den Handel grundlegend verändern. Die Frage ist nicht ob, sondern wie. Das Wertschöpfungspotenzial, das der Einsatz von KI auch und vor allem für den Handel bietet, ist enorm.
Doch über die Rolle von KI und die Zukunft des Handels zu sprechen, führt nicht nur zur Auseinandersetzung mit technologischem Fortschritt und Disruption. Es geht dabei auch um die Frage, welche Rolle wir Menschen in diesem Zusammenhang spielen – und diese Rolle wird auch weiterhin entscheidend sein für die Zukunft und den Erfolg des Handels. Birk Angermann, Head of Revenue EMEA bei Shopify, wirft einen Blick auf die aktuellen Entwicklungen und die Zukunft des Handels.
Das Wertschöpfungspotenzial von KI
Alle Welt spricht über künstliche Intelligenz. Inzwischen ist sie längst allgegenwärtig. Angesichts ihrer rasanten Entwicklung drängt sich der Eindruck auf, dass KI in den kommenden fünf Jahren für mehr Veränderung und Disruption sorgen wird, als andere Technologien dies in den vergangenen 50 Jahren getan haben. Viele, um nicht zu sagen die meisten dieser Veränderungen sind zwangsläufig und werden sämtliche Industrien und Branchen betreffen, kurzum die gesamte Wirtschaft. Das Wertschöpfungspotenzial von KI für die Wirtschaft ist enorm und sie gilt schon jetzt als einer der größten und effektivsten Produktivitäts- und Wachstumsmotoren. Laut einer Studie von Goldman Sachs werden hochgerechnet auf das laufende Jahr rund 100 Milliarden US-Dollar weltweit in die Entwicklung von KI investiert.
Bis 2025 wird sich diese Summe verdoppeln. Eine Studie von Eco und Arthur D. Little schätzt das zu erwartende Umsatzwachstum durch KI für die Digitalwirtschaft auf rund 280 Milliarden Euro. Und Deutschland? 330 Milliarden Euro – so viel könnte generative künstliche Intelligenz zur Bruttowertschöpfung der deutschen Wirtschaft beitragen – so das Ergebnis einer aktuellen Studie, die IW Consult im Auftrag von Google durchgeführt hat. Dazu wäre ein Einsatz der Technologie in mindestens 50 Prozent der Unternehmen erforderlich. Aktuell setzen 600.000 und somit 17 Prozent der Unternehmen in Deutschland KI bereits effektiv ein. Rund die Hälfte der Befragten gibt an, dass KI die Wirtschaft bereits heute produktiver macht und noch mehr Unternehmen sind der Meinung, dass die Produktivität durch KI in Zukunft noch weiter steigen wird. Fest steht: Was für die Wirtschaft gilt, gilt auch und ganz besonders für den Handel.
Gegenwärtig tut sich ein tiefer Graben zwischen Enthusiasmus und Argwohn, zwischen Utopie und Dystopie, zwischen Chancen und Risiken des Einsatzes von KI auf. Wo die einen große Schübe in puncto Automatisierung und Produktivität verorten, ertönen anderenorts die Unkenrufe, dass der kompromisslose Vormarsch künstlicher Intelligenz Arbeitsplätze und letztendlich die Rolle und Relevanz des Menschen in der Wirtschafts- und Arbeitswelt bedrohe.
Ganz gleich, welche Position man in diesem Spannungsfeld einnimmt, es besteht kein Zweifel: KI wird den Handel grundlegend verändern und sie tut es schon heute. Sie spielt eine Schlüsselrolle im Hinblick auf die Zukunft des Handels. Doch über dessen Zukunft und den Stellenwert künstlicher Intelligenz zu sprechen, führt uns unweigerlich auch dazu, über die Rolle und Verantwortung zu sprechen, die wir in diesem Zusammenhang spielen, die Unternehmer:innen, die Händler:innen hinter den Marken, kurz: wir Menschen. Wir können an dieser Stelle vorwegnehmen: Der Handel ist und bleibt auch weiterhin ein People-Business.
Welche Rolle spielt KI wirklich?
Wie bereits erwähnt, ist das Wertschöpfungspotenzial von KI groß. Nicht zuletzt deshalb hat eine große Mehrheit der Unternehmen in Deutschland die Chancen, die in der Nutzung von KI für das eigene Geschäft liegen, längst erkannt – laut einer Umfrage der BITKOM 70 Prozent. Dennoch gibt es noch immer Unsicherheit, ob, wo und wie sich KI für die eigenen Zwecke effektiv nutzen lässt. Im Handel ist die Situation im Prinzip dieselbe.
Eine Umfrage, die Shopify im vergangenen Jahr unter Händler:innen durchgeführt hat, zeigt, dass bereits jeder Dritte versucht hat, in der einen oder anderen Form KI-Lösungen einzusetzen, um die eigene Produktivität zu verbessern. Der grundsätzliche Optimismus wird jedoch getrübt durch die nach wie vor weit verbreitete Unsicherheit darüber, wo und wie KI ganz praktisch eingesetzt werden kann und welche Technologiepartner:innen probate Orientierung und Unterstützung leisten können. Schließlich sind die Anforderungen in der Regel sehr individuell und spezifisch und KI-Lösungen von der Stange verfehlen in der Regel ihre erhoffte Wirkung.
Nun hat Shopify im Sommer eine ganze Reihe KI-gestützter Funktionen für seine Plattform eingeführt, die genau auf die Anforderungen des Handels zugeschnitten sind. Im Zuge dieser Einführung hat Shopify-Gründer und CEO Tobi Lütke in einem Video folgendes gesagt, um zu verdeutlichen, was diese Funktionen mit sich bringen und für den Handel bedeuten: „Entrepreneurs are heros and every hero needs a sidekick!” Wir alle kennen sie, die berühmten Partner:innen und ihre Nebenrollen in Filmen, Spielen oder der Literatur. Wir wissen, welche Rolle Robin für Batman, Chewbacca für Han Solo, Samweis Gamdschie für Frodo oder Luigi für Super Mario spielen.
Die Rolle von KI für den Handel mit der Rolle zu vergleichen, die diese Figuren traditionell in ihren Geschichten einnehmen, hilft uns nicht nur zu verstehen, wie KI uns unterstützen kann, sondern auch und vor allem, wer die wahren Held:innen der Geschichte sind, welche Rolle sie spielen und welche Pflichten und Verantwortung sie haben. Kurzum: KI wird uns auch im Handel dabei helfen, bessere, schnellere und vernünftige Entscheidungen treffen zu können – aber die Entscheidungen zu treffen obliegt in erster Linie uns, den Held:innen der Geschichte – und wenn es um KI geht, hat diese Geschichte erst begonnen. Wir sind gerade dabei, an der Oberfläche dessen zu kratzen, was KI uns im Commerce-Umfeld ermöglichen wird.
Anwendungsbereiche von KI im Handel
Es lohnt sich, einen kurzen Blick auf einige Bereiche beziehungsweise Anwendungsszenarien von KI im Handel zu werfen. Drei konkrete Beispiele fallen dabei ins Auge, auf die wir nun näher eingehen wollen. Erstens: personalisierte Produktempfehlungen. Personalisierte Produktempfehlungen basieren auf historischen Daten über die Nutzung von Online-Diensten sowie das Kaufverhalten von Konsument:innen. Produktempfehlungen gehören mittlerweile zum Standardrepertoire im E-Commerce. Doch mittels KI können nun wesentlich mehr Daten in die Personalisierung einbezogen werden, so dass Empfehlungen nicht nur personalisierter, sondern auch dynamisch erzeugt werden.
Hierzu können neben den historischen Kundendaten auch die regionale Zugehörigkeit, Kaufhäufigkeit oder die individuelle Kaufkraft einbezogen werden. Shopify hat diese Funktion bereits fest in seine Applikationen integriert. Sie nutzen maschinelles Lernen und Kundendaten, um relevante Produkte vorzuschlagen und erleichtert es so den Nutzer:innen, Artikel zu entdecken und zu kaufen, an denen sie interessiert sind.
Es lohnt sich, einen kurzen Blick auf einige Bereiche beziehungsweise Anwendungsszenarien von KI im Handel zu werfen. Drei konkrete Beispiele fallen dabei ins Auge, auf die wir nun näher eingehen wollen. Erstens: personalisierte Produktempfehlungen. Personalisierte Produktempfehlungen basieren auf historischen Daten über die Nutzung von Online-Diensten sowie das Kaufverhalten von Konsument:innen. Produktempfehlungen gehören mittlerweile zum Standardrepertoire im E-Commerce. Doch mittels KI können nun wesentlich mehr Daten in die Personalisierung einbezogen werden, so dass Empfehlungen nicht nur personalisierter, sondern auch dynamisch erzeugt werden.
Hierzu können neben den historischen Kundendaten auch die regionale Zugehörigkeit, Kaufhäufigkeit oder die individuelle Kaufkraft einbezogen werden. Shopify hat diese Funktion bereits fest in seine Applikationen integriert. Sie nutzen maschinelles Lernen und Kundendaten, um relevante Produkte vorzuschlagen und erleichtert es so den Nutzer:innen, Artikel zu entdecken und zu kaufen, an denen sie interessiert sind.
Zweitens: Chatbots und virtuelle Assistenz. Die Möglichkeit, Anfragen sofort und ohne Zeitverzug beantworten und rund um die Uhr Unterstützung bereitzustellen zu können, sorgt dafür, dass Chatbots den Komfort und die Verlässlichkeit im Kundenservice verbessern können. Künstliche Intelligenz sorgt auf Basis gesammelter Kundendaten für eine effizientere Kommunikation und Interaktion mit Kund:innen, was letztendlich für mehr Zufriedenheit und Kundenbindung sorgen kann. Über Schnittstellen zur Logistik kann die KI dafür sorgen, dass Chatbots auf Fragen wie „Wo ist meine Bestellung?” sofort eine zuverlässige Antwort parat haben. Hier schafft KI einen echten Mehrwert für Händler:innen und Kund:innen gleichermaßen, weil der gesamte Prozess von der Auslieferung über die Sendungsverfolgung bis hin zum Retourenmanagement vereinfacht wird.
Drittens: Generative KI. Hierbei handelt es sich inzwischen um ein weites Anwendungsfeld, bei dem KI-Systeme über Prompts Texte, Bilder und andere Inhalte generieren. Im Handel werden solche Systeme zur Erstellung, Skalierung von Marketing- und Werbematerialien und deren Anpassung für bestimmte Zielgruppen eingesetzt. Bei uns nennen wir diese Funktion Shopify Magic. Mit ihr lassen sich beispielsweise Blogposts für Kampagnen mit individueller Tonalität erstellen oder aber zielgruppenspezifische Produktbeschreibungen entwerfen. Ein gutes Beispiel, das zeigt, wie sehr KI uns bei der Erledigung alltäglicher, aber wichtiger Aufgaben unterstützen kann, etwa beim Formulieren von E-Mails an Kund:innen.
Dies sind nur drei Beispiele, die zeigen, wo und wie KI im Handel schon jetzt effektiv zum Einsatz kommt. Es gibt viele weitere Anwendungsbereiche, wie beispielsweise im Bestandsmanagement, bei der Betrugserkennung oder dynamischen Preisgestaltung sowie und Kündigungsprävention. Doch anhand dieser drei Beispiele wird bereits greifbar, welches Potenzial und welche Vorteile KI bietet. KI kann Feedback von Kund:innen an verschiedensten Touchpoints sowie große Datenmengen aus zahllosen Quellen blitzschnell verarbeiten, so dass Interaktionen mit Kund:innen in einer Geschwindigkeit durchgeführt, analysiert und messbar gemacht werden können, wie es auf herkömmlichem Weg nicht möglich wäre.
KI hilft dabei, Aufgaben und Prozesse, etwa in Bereichen der Kundenkommunikation, der Bestellabwicklung oder im Kundenservice, zu automatisieren. Im Supply Chain Management kann der Einsatz von KI die Fehlerquote um bis zu 50 Prozent senken und somit Umsatzeinbußen durch fehlende Produktverfügbarkeit um bis zu 65 Prozent verringern. Im Ergebnis kann KI somit unmittelbar dazu beitragen, den Umsatz zu erhöhen, was angesichts von Inflation und steigendem Kostendruck wichtiger denn je ist.
Die Herausforderungen von KI im Handel
Jetzt haben wir ausführlich über das Potenzial, die Möglichkeiten und Vorteile von KI für den Handel gesprochen. Wie sieht es aber mit den Herausforderungen aus? Eine große Herausforderung ist und bleibt, dass ein gewinnbringender Einsatz von KI im Handel Investitionen erfordert. Anders gesagt: Der Einsatz von KI kann teuer sein und ist unter Umständen nicht auf Anhieb rentabel. Investiert werden muss dabei nicht nur in die technische Lösung und Infrastruktur an sich, sondern auch in das notwendige Know-how für den Betrieb. Dies ist einer der wichtigsten Gründe, warum wir bei Shopify KI-Lösungen ohne die Notwendigkeit zusätzlicher Investitionen für den Handel bereitstellen. Ein weiterer, ganz wichtiger Punkt ist der Datenschutz.
KI-Algorithmen verarbeiten sensible Kundendaten, so dass sich die Frage nach der Sicherheit und dem Schutz dieser Daten zwangsläufig stellt. Darüber hinaus birgt der Einsatz von KI weitere Sicherheitsrisiken für Unternehmen, etwa durch Datenlecks im Hinblick auf Geschäftsinformationen und proprietäres Eigentum. Ganz entscheidend ist auch die dritte Herausforderung. Je mehr und intensiver KI-gestützte Chatbots für den Kundenservice genutzt werden, desto größer kann die Gefahr sein, das zu vernachlässigen, was Kund:innen nach wie vor – und sogar mehr denn je – erwarten: ein Kundenservice mit Intuition und Empathie, ein Kundenservice von Menschen für Menschen. Und es ist dieser letzte Punkt, der uns darauf aufmerksam macht, dass KI nicht dazu eingesetzt werden sollte, um den Menschen an ganz essentiellen Punkten zu ersetzen, sondern dafür, uns die Arbeit zu erleichtern, indem sie uns ermöglicht, Entscheidungen schneller, besser und vernünftiger zu treffen.
Die Zukunft des Handels ist mehr als digitale Bestandsdeckung
Wir fassen zusammen: Die Vorteile und das Potenzial künstlicher Intelligenz für den Handel liegen auf der Hand. Sie sind vielversprechend und groß. In Anbetracht der Herausforderungen, die wir ernst nehmen und bewältigen müssen, obliegt es aber am Ende des Tages uns, den Unternehmer:innen und Händler:innen, kurz den Menschen, die Entscheidungen zu treffen, die für einen echten und erfolgreichen Handel heute und in Zukunft ausschlaggebend sind. Echter Handel ist und bleibt mehr als digitale Bedarfsdeckung. Er braucht unser Herz, unsere Seele und unsere Vernunft. Es wird aus unserer Sicht auch in Zukunft kein echtes und authentisches Kauferlebnis, keine echte Markenerfahrung geben, ohne Empathie, ohne Intuition, sprich ohne Emotion.
Das ist es, worauf Konsument:innen auch und gerade in Zeiten künstlicher Intelligenz den größten Wert legen. In diesem Sinne bedeutet echter Handel heute und in Zukunft vor allem, Konsument:innen auf Augenhöhe zu begegnen, sie ernst zu nehmen. Genau dabei kann und soll KI uns unterstützen. Sie soll uns dabei helfen, unser Geschäft, den Handel und unsere Kund:innen noch ernster zu nehmen: durch schnellere, bessere und vernünftigere Entscheidungen. KI wird im Grunde nur das sein und leisten, was wir aus ihr machen und ihr erlauben. KI kann und wird eine entscheidende Rolle spielen, aber eben eine Nebenrolle, die den wahren Held:innen dabei hilft, ihre Mission zu erfüllen. Die Zukunft des Handels wird von „Held:innen” geschrieben und gestaltet – mit KI als einem treuen und starken Sidekick.