Warum auch in wirtschaftlichen Krisenzeiten Innovation nicht auf der Strecke bleiben darf: Die gravierenden Auswirkungen der aktuellen Corona-Krise konnte sich vor knapp einem Monat wohl niemand so wirklich vorstellen.
Mittlerweile jedoch bedeuten die notwendigen Maßnahmen zur Verlangsamung der Ausbreitung nicht nur bei Privatpersonen zu Einschränkungen, auch Unternehmen spüren nach und nach die weitreichenden Konsequenzen der derzeitigen Lage. Ein besonderer Unsicherheitsfaktor ist hierbei die Unwissenheit, wie lange die getroffenen Maßnahmen aufrecht erhalten werden müssen, welche weiteren hinzukommen und was diese mittel- bis langfristig für die Wirtschaft und somit auch Unternehmen bedeuten.
Der Status Quo für Unternehmen
Fakt ist, schon heute verlangsamen sich grundsätzliche Prozesse innerhalb von Unternehmen und müssen umgestellt werden. Der Fokus liegt auf der Erhaltung betriebskritischer Prozesse sowie der Aufrechterhaltung einer bis zu einem gewissen Maß betrieblichen Normalität. Mitarbeiter müssen sich auf neue Arbeitsbedingungen und Situationen einstellen, wie etwa die Arbeit aus dem Homeoffice oder Kurzarbeit, um den Fortbestand des Unternehmens zu sichern. Nicht kritische Prozesse, wie etwa Investitionen in Innovationen, fallen augenscheinlich in den Hintergrund oder können schlicht und ergreifend nicht weiter verfolgt werden. Besonders junge Firmen, die ihren Fokus auf dem Vertrieb von Innovationsprodukten an Enterprise-Kunden haben, sind von der derzeitigen Situation sehr stark betroffen.
Warum Corona vor allem den B2B Innovationsvertrieb so stark trifft
Investitionsentscheidungen werden vorwiegend auf Basis einer einfachen Kosten-Nutzen-Abschätzung getroffen. Diese ist jedoch bei besonders innovativen oder disruptiven Technologien nicht immer realistisch, da es häufig an fundierten Referenz- oder Vergleichswerten aus der Vergangenheit oder Praxis fehlt. Darüber hinaus erzielen Innovationen häufig einen Mehrwert über Hebel, die nicht in Form von KPIs oder anderer Kennzahlen erhoben werden können. Hierzu zählen zum Beispiel die Behebung von Produktivitätsverlusten, die durch Abstimmungen via Videokonferenzen zu Design Reviews entstehen oder die Vermeidung von Fehlerquoten, die auf komplizierte Kommunikationsprozesse oder Abstimmungsfehler zurückzuführen sind.
Was macht den Innovationsvertrieb so besonders
Um mit den oben genannten Unsicherheiten umzugehen, weicht der Innovationsvertrieb häufig von den klassischen Lieferantenbeziehungen ab. Vor allem im Enterprise-Bereich heißt die Kooperation mit einem Startup oder anderen innovativen Unternehmens meistens die Entwicklung einer langfristigen strategischen Partnerschaft. Besonders große Unternehmen achten darauf, dass sie ausreichend Einfluss auf die technische Entwicklung nehmen können, denn besonders zum Start können die meisten Start-ups die vom Kunden definierten Requirements noch nicht zu 100 Prozent abdecken.
Kooperationspartner, die sich für die Zusammenarbeit mit einem Start-up entscheiden, stehen also häufig vor den gleichen Entscheidungen wie ein potentieller Investor. Dementsprechend kommt auch ein Kooperationspartner bei seiner Entscheidungsfindung nicht umhin – gerade in Zeiten einer Krise wie der aktuellen Corona Epidemie – sich folgende Fragen zu beantworten.
- Glaube ich daran, dass das Unternehmen heute schon im Vergleich zum Wettbewerb meine Requirements besser abbildet als ein Konkurrent?
- Wird das Unternehmen auch in Zukunft weiterhin künftige Requirements zeitgemäß und zufriedenstellend erfüllen? Wird es eventuell von einem Konkurrenten überholt?
- Ist der Austausch mit dem Team des Startups auf augenhöhe und vertrauenswürdig? Bekomme ich transparente Einblicke in das Geschehen innerhalb des Startups und kann ich die Pläne des Startups für die Zukunft nachvollziehen (etwa technische Roadmap)?
- Glaube ich an den langfristigen Erfolg des Unternehmens und dass es weiterhin bestehen bleibt? Welche wirtschaftlichen Indikatoren gibt es dahingehend (z.B. Funding, Sales Traction, usw.)?
- Ist jetzt der richtige Zeitpunkt für ein solches Investment? Ist das Risiko verhältnismäßig? Habe ich die Möglichkeit mich gegenüber meiner eigenen Konkurrenz durch ein solches Investment abzusetzen? Verliere ich eventuell künftig den Anschluss, wenn ich es nicht tue?
Um diese Fragen zufriedenstellend beantworten und belegen zu können, bedarf es den Aufbau einer intensiven Vertrauensbeziehung zwischen Start-up und Unternehmen, welche zumindest zu Beginn oftmals sehr langwierig ist und im Schnitt zwischen neun und zwölf Monaten dauert. Besonders bei Innovationen im IT-Kontext, bei denen es mehrere Stakeholder innerhalb der zuständigen Abteilungen und Teams, der IT sowie in der Geschäftsführung gibt, ist der Aufbau einer nachhaltigen und belastbaren Vertrauensebene entscheidend.
Die Herausforderung für den Innovationsvertrieb
Vertrauen ist also das Schlüsselwort. Doch selbst in einer mittlerweile stark digitalisierten Welt wird besonders in Deutschland Vertrauen auch heute noch stark von Angesicht zu Angesicht aufgebaut, weshalb regelmäßige persönliche Termine eine absolute Notwendigkeit des Innovationsvertriebs darstellen. Doch gerade in Zeiten einer Krise und angesichts der aktuellen Corona-Thematik werden solche Vertrauen aufbauenden Termine schwierig bis unmöglich zu koordinieren sein, was dazu führt, dass der Investitions- und Kaufprozess für Innovationsthemen zum stocken oder gar zum erliegen kommt.
Aus der Perspektive eines Bestandsunternehmens stellt dies zunächst nur eine unglückliche, aber im großen und ganzen unwichtige Komplikation dar. Für Start-ups jedoch, die viel kürzere Zeithorizonte verfolgen, kann eine derartige Lappalie, wie das Verschieben eines Termins um ein paar Monate, weitreichende, existenzielle Folgen haben.
Lösungsstrategien
Damit Start-ups, die sich auf innovative Technologien spezialisiert haben, in Zeiten wie diesen am Markt bestehen können, bedarf es ein Umdenken auf Seiten der Bestandsunternehmen. Folgende Faktoren können über das Bestehen eines Start-ups maßgeblich mitbestimmen:
- Reduktion der Komplexität des Entscheidungsprozesses für kleine Innovationsprojekte
Unternehmen sollten grundsätzlich die Fähigkeit zum Treffen von Innovationsentscheidungen kleinteiliger gestalten. Einzelne Abteilungen oder Teams sollten dezidierte Investitionsbudgets für Innovationen bekommen, welche sie nach freiem Ermessen in experimentelle Projekte investieren können, ohne das Einholen von Freigaben oder das Einbeziehen anderer Abteilungen oder Stakeholder.
- Entscheidungen über kleine Projekte auch virtuell treffen
Im täglichen Business werden heute schon oft strategische Entscheidungen getroffen, ohne das man sich persönlich zusammenfindet. Warum nicht also auch für Investitionsentscheidungen in Innovationsprojekten? Grundsätzlich würde eine Virtual-First-Mentalität an der Stelle die Vorlaufzeiten einer solchen Entscheidung drastisch reduzieren (in der Praxis vergehen meist mehrere Wochen oder Monate zwischen wichtigen Präsenzterminen, Zyklen im virtuellen sind um einiges kürzer) und gleichzeitig wird das Innovationspotential enorm erhöht.
- Innovation auch in Krisenzeiten als Priorität behandeln
Grundsätzlich gehören Innovationsaktivitäten häufig zu den ersten Themenbereichen, die in schwierigen Zeiten auf Eis gelegt werden, damit mehr Zeit in das Krisenmanagement gesteckt werden kann. Es zeigt sich jedoch, dass eine Vernachlässigung von Innovation lediglich den daraus entstehenden Druck in die Zukunft verlegt. Das liegt vor allem daran, dass das Innovationstempo heute schon enorm ist und eine Vernachlässigung dessen kann schon drastische mittelfristige bis langfristige Folgen für ein Unternehmen haben. Der Verlust von innovativen Startups in solchen Krisenzeiten schwächt grundsätzlich das deutsche Innovations- und Wettbewerbspotential im internationalen Vergleich und kann mittel- bis langfristig kostspielige Folgen mit sich bringen.
- Bedeutung von Innovationen für Unternehmen und ihre Folgen
Grundsätzlich sichert Innovation einem Unternehmen das Bestehen am Markt. Die zunehmende Globalisierung, ein damit einhergehender erhöhter Wettbewerbsdruck, die rasant fortschreitende Digitalisierung sowie veränderte Kunden- aber auch Mitarbeiterbedürfnisse macht es für Unternehmen unerlässlich, neue Wachstumsmöglichkeiten zu suchen. Dies wiederum steigert den Bedarf an Innovationen. Als Folge erhöht sich bei der Implementierung technologischer Innovationen auch der Unternehmenserfolg innerhalb dynamischer Märkte.
Besonders in Krisenzeiten, wie der aktuellen Corona Situation geschuldet ist, aber auch darüber hinaus während generellen Wirtschafts- und Finanzkrisen können Unternehmen nur dann bestehen, wie sie auf die damit einhergehenden veränderten Markt- und Nachfragebedingungen schnell und flexibel agieren können.
Hierfür ist allerdings eine vorausgehende Basis entscheidend. Hinken Unternehmen dem innovativen Fortschritt hinterher, können sie im Fall einer plötzlich eintretenden Krise lediglich reagieren und laufen somit Gefahr, von Wettbewerbern abgehängt zu werden. Somit ist eine Innovation gleichsam der Garant für die Zukunft eines Unternehmens. Dementsprechend ist es für ein Unternehmen unerlässlich, bereits früh neue Absatzmärkte zu erkennen und Chancen zu nutzen.
Dies führt wiederum zu der Schlussfolgerung, dass besonders Unternehmen, die das Innovationsthema bisher eher stiefmütterlich behandelt haben, besonders in Krisenzeiten angehalten sind, nachzujustieren und einen Teil ihrer Ressourcen in Innovationen zu investieren, um die eigene Wirtschaftlichkeit und damit auch das Bestehen am Markt zu gewährleisten.