European Accessibility Act

Barrierefreiheit und Zugänglichkeit von Websites werden zur Pflicht

Barrierefrei

Der European Accessibility Act (EAA) verpflichtet Unternehmen ab einer gewissen Größe, ihre Websites und Online-Shops barrierefrei zu gestalten und mindestens den AA-Standard der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) zu erreichen.

Das betrifft Frontend und Backend, Design und Content gleichermaßen und kann umfangreiche Anpassungen notwendig machen. Am einfachsten gelingt die Umsetzung mit einem erfahrenen Partner.

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Der European Accessibility Act (EAA) wird im Juni 2025 in der Europäischen Union in Kraft treten, womit die Barrierefreiheit im Internet verbessert werden soll. Betroffen sind eine Reihe von Geräten wie Smartphones, E-Reader und sogar Geldautomaten, in erster Linie aber Websites und Webshops, wenn sie von Unternehmen mit mindestens zehn Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von mindestens zwei Millionen Euro betrieben werden. Diese müssen nun die Zugänglichkeitsrichtlinien für Webinhalte, die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1 der Stufe AA erfüllen und damit den globalen Standard.

Die WCAG-Leitlinien decken zahlreiche Nutzungsszenarien ab und legen die folgenden vier Grundsätze als Maßstab an:

1.     Wahrnehmbarkeit:

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Können Informationen und Funktionen überhaupt wahrgenommen werden? Sind z.B. Texte auch auf einem alternativen Weg für Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen rezipierbar?

2.     Bedienbarkeit:

Sind Interfaces z.B. auch für Menschen mit motorischen Einschränkungen bedienbar?

3.     Verständlichkeit:

Ist z.B. die Navigation einer Website so klar und eindeutig benannt, dass Fehlbedienungen vermieden werden können?

4.     Robustheit:

Funktionieren die verwendeten Technologien zuverlässig und konsistent z.B. auch in Screenreadern?

Websites sollen so auch von Menschen mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen genutzt werden können. Die WCAG werden regelmäßig aktualisiert: Die Version 2.2 ist bereits in Arbeit.

In Deutschland gilt bereits das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, das Vorgaben für die Barrierefreiheit auch für Onlineangebote umfasst. Die Überwachungsstelle für Barrierefreiheit hat 2021 ihren ersten Report vorgelegt und dafür 1.900 Websites auf ihre Barrierefreiheit hin geprüft. Jedoch lautete die ernüchternde Bilanz: Keine der untersuchten Websites erfüllte die Kriterien für eine ausreichende Barrierefreiheit.

Menschen mit Beeinträchtigungen sind vom Online-Handel praktisch ausgeschlossen

Rund 80 Millionen Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen leben Schätzungen zufolge in der EU; 20 Prozent haben eine dauerhafte Behinderung. Die Bandbreite der Einschränkungen ist groß und reicht von Blindheit und Farbenblindheit (acht Prozent) über Bewegungseinschränkungen wie Spastik oder Lähmungen bis zu Gehörlosigkeit. Für Menschen mit diesen Einschränkungen kann die Bedienung einer nicht barrierefreien Website herausfordernd bis unmöglich sein. Erschwert wird für sie die Nutzung der Websites z.B. durch das Erfordernis mehrere Tasten gleichzeitig zu drücken, zu geringe Farbkontraste, das Fehlen einer Bedienung der Website mittels Tastatursteuerung, eine nicht funktionale Menüführung bzw. Navigation oder Hyperlinks und Bilder ohne Beschreibung. Sie benötigen für die Nutzung von Websites integrierte Hilfen wie Sprachein- und -ausgabe, Screenreader, aber auch Spezial-Mäuse und -Tastaturen oder eine Augensteuerung. Weil Websites nicht oder nicht ausreichend barrierefrei sind, sind aktuell in Deutschland etwa zehn Prozent der Menschen vom Onlinehandel ausgeschlossen. Das ist besonders schwerwiegend, denn gerade Menschen mit Beeinträchtigungen nutzen Online-Shopping verstärkt, weil sie weniger mobil sind, wie aus einer Studie der Aktion Mensch hervorgeht.

So wirkt sich der EAA auf Websites und Webshops aus

Websites und Shops müssen mit dem EAA für so viele Menschen wie möglich lesbar und nutzbar sein – auf so vielen Endgeräten wie möglich. Für Unternehmen kann das den Um- und Neubau ihrer Webpräsenzen und somit ggf. ein umfangreiches Unterfangen bedeuten. Da die benötigte Vorlaufzeit jedoch groß sein kann und der EAA bereits in einem Jahr in Kraft tritt, sollten Unternehmen zeitnah mit der Umsetzung beginnen. Notwendige Änderungen betreffen das Backend genauso wie das Frontend sowie Gestaltung und Inhalte, um die Anforderungen an Verständlichkeit, Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit und Robustheit zu erreichen. Die Datenerfassung und -verwaltung muss so erfolgen, dass eine barrierefreie Präsentation auf dem Frontend möglich ist und möglicherweise werden zusätzliche Tools notwendig, um Barrierefreiheit sicherzustellen. Barrierefreies Design und Layout stellen konkrete Anforderungen an leicht lesbare Farbkontraste, Schriftgrößen oder Alternativen für Inhalte, die kein Text sind – also Bilder und Videos – etwa in Form von Audiosteuerung oder Transkripten; für UX/UI-Designern stellen diese Erfordernisse umfangreiche Aufgaben dar, während Backend-Entwickler für einen robusten Code sorgen müssen. Eine barrierefreie Navigation erfordert etwa Tastaturkürzel, Untertitel und Transkriptionen. Texte müssen leicht zu verstehen und übersichtlich gegliedert sein und Dokumente werden dann erst zugänglich, wenn sie in barrierefreien Formaten wie PDF vorliegen und entsprechend formatiert sind.

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Den EAA umsetzen

Unternehmen sollten mit einem Audit starten, um den Status Quo der Barrierefreiheit ihrer Websites zu ermitteln. Danach benötigen Unternehmen einen Plan, in dem Ziele und Leistungsindikatoren sowie Verantwortlichkeiten festgelegt werden. Eine Checkliste mit den wesentlichen Schritten für eine barrierefreie digitale Präsenz von der Planung bis zu Prüfung und Pflege kann hier hilfreich sein. In Zusammenarbeit mit externen Partnern wie der Digitalagentur SQLI kann eine Strategie für Barrierefreiheit entwickelt werden. Insgesamt lassen sich erste Verbesserungen erreichen, indem etwa Farbkombinationen, die die Lesbarkeit erschweren, vermieden und ausreichend Kontraste eingesetzt werden. Dabei sollten die Probleme mit hoher Priorität zuerst gelöst und so eine langfristige Strategie angestrebt werden: Barrierefreiheit ist ein langfristiges Thema, das bei jeder Erweiterung und Aktualisierung einer digitalen Präsenz relevant ist.

In der Umsetzung werden dann die Kriterien der WCAG angewandt. Dabei ist es hilfreich, so sauber wie möglich zu programmieren und Best Practices der UX anzuwenden, damit alle Menschen durch sämtliche Elemente eines Digitalangebots navigieren können. Für die Einhaltung der WCAG werden zudem zusätzliche Funktionen notwendig: Software, die in Forschung und Entwicklung eingesetzt wird, kann barrierefreie Profile erstellen und zusätzliche Optionen etwa für Kontraste abdecken.

Allerdings ist es lediglich mit der einmaligen Herstellung der Barrierefreiheit nicht getan. Unternehmen sollten den EAA-Konformitätsgrad dauerhaft überprüfen und sicherstellen und dafür ihre digitalen Kanäle kontinuierlich bewerten und aktualisieren. Zugänglichkeit muss für die Barrierefreiheit als fester Grundsatz etabliert und standardmäßig bei der Erstellung neuer Seiten, digitaler Dienste oder Produkte im Design berücksichtigt werden – das betrifft Texter, UX/UI-Designer und Backend-Entwickler gleichermaßen. Wird Barrierefreiheit von Anfang an integriert, können Unternehmen im Vergleich zur nachträglichen Implementierung Kosten sparen und Umsätze steigern. Insgesamt sollte im gesamten Betrieb ein Bewusstsein für Barrierefreiheit entstehen und ein/e Verantwortliche/r dafür bestellt werden.

Die Vorteile eines barrierefreien Webauftritts

Unternehmen müssen den EAA und damit die WCAG erfüllen, allein schon um Sanktionen sowie Rechtsstreitigkeiten bei Nichteinhaltung und interne Kosten zu vermeiden: Es ist vorgesehen, dass jeder User eine Beschwerde einreichen darf – man rechnet damit, dass Strafen gemäß den Verfahren der DSGVO angewandt werden, wobei Millionenstrafen bis hin zu Höhen von prozentualen Anteilen des Jahresumsatzes entstehen können. Ein Gesetzes-Äquivalent zum EAA in den USA hat zum Beispiel dazu geführt, dass Gerichtsklagen auf digitale Zugänglichkeit um 15 Prozent gestiegen sind.

Jenseits der reinen Compliance-Erfüllung eröffnen sich den Unternehmen mit der Steigerung der Barrierefreiheit jedoch auch große, nicht zu unterschätzende Chancen: Denn auf der technischen Seite erhöht sich die Kompatibilität der Websites mit mobilen Endgeräten und smarten Technologien. Zudem steigert die verbesserte Zugänglichkeit die Benutzerfreundlichkeit für alle Nutzer, führt zu einer besseren User Experience und Kundenerfahrung, zu zielgerichteteren Dienstleistungen und Produkten und damit zu einer höheren Konversionsrate und mehr Käufen. Das wiederum kann die Suchmaschinenoptimierung der Website bzw. des Webshops positiv beeinflussen, da Suchmaschinen positive Nutzererfahrungen beim Ranking in den Suchergebnissen berücksichtigen. Ein Alt-Tag für ein Bild hilft damit nicht nur der Sprachsoftware eines Blinden, sondern wird bspw. von Google mit mehr organischem Traffic belohnt.

Unternehmen erschließen sich mit barrierefreien Websites so auch eine zusätzliche Kunden-Zielgruppe: Sie machen ihre digitalen Produkte und Dienstleistungen für schätzungsweise 80 Millionen Menschen mit Behinderungen in der EU zugänglich, was einem Marktsegment mit einer Kaufkraft von 1,4 Billionen Euro entspricht. Eine EDF-Umfrage von 2018 hat gezeigt, dass 71 Prozent der Menschen mit Behinderungen die Nutzung von schwer zugänglichen Websites einstellen. Eine barrierefreie Website kann damit zum Wettbewerbsvorteil werden.

Nicht zuletzt ermöglichen Unternehmen mit barrierefreien Websites die Teilhabe am sozialen und wirtschaftlichen Leben für Menschen mit Einschränkungen und setzen ein Zeichen für Inklusivität und Empathie.

Fazit

Unternehmen müssen ihre Webshops und Websites barrierefrei zugänglich machen, um den EAA und seine Zugänglichkeitsrichtlinien, die Web Content Accessibility Guidelines, einzuhalten. Damit ermöglichen sie aber nicht nur Menschen mit Einschränkungen die Nutzung ihrer Online-Angebote, sondern können sich neue Zielgruppen erschließen und die User Experience dank einer aufgeräumten und übersichtlichen, leicht zu bedienenden Website insgesamt verbessern.

Autor: Felix Kühn, Competence Lead SQLI

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