Deutschland kämpft mit einem anhaltenden Fachkräftemangel. In diesem Kontext rücken KI-basierte Automatisierungslösungen in den Fokus, um Arbeitskräfte zu entlasten. Große Potenziale versprechen sogenannte Large Action Models (LAMs), die Prozesse automatisieren können – auch ohne vorhandene Schnittstellen.
Der Fachkräftemangel hat laut einer aktuellen Studie des Personaldienstleisters ManPowerGroup einen neuen Höchststand erreicht. 82 Prozent der deutschen Unternehmen haben derzeit offene Stellen, die sie nur schwer besetzen können. Im Vergleich zu den vergangenen zehn Jahren hat sich dieser Mangel verdoppelt, und Deutschland belegt inzwischen weltweit Platz zwei unter den am stärksten betroffenen Ländern. Besonders gefragt sind Spezialistinnen und Spezialisten in der IT, dem Gesundheitswesen und im produzierenden Gewerbe. Die Personalnot zwingt Unternehmen dazu, Gehälter zu erhöhen und flexiblere Arbeitszeitmodelle anzubieten.
Angesichts dieser Herausforderungen richtet sich der Fokus auf technologische Lösungen wie KI-basierte Automatisierung und die sogenannten Large Action Models (LAMs). Ein Beispiel dafür ist die Plattform uiAgent, die von dem Mathematiker und Unternehmer Enes Witwit entwickelt wurde. „Diese offene und modulare Plattform ist zugeschnitten auf die Bedürfnisse von klassischen mittelständischen Unternehmen und deren Arbeitsabläufe. Sie funktioniert wie ein Plug-and-Play – es ist daher nicht notwendig, die Schnittstellen fürs Andocken aufwendig zu programmieren.“, erklärt Witwit das Konzept. Mit solchen Technologien können Aufgaben automatisiert und manuelle Arbeitsschritte auf ein Minimum reduziert werden.
Großes Potenzial für KI-Automatisierung in Deutschland
Laut einer weiteren aktuellen Umfrage im Auftrag von reichelt elektronik unter 500 deutschen Industrieunternehmen nutzt derzeit fast die Hälfte (47 Prozent) der Befragten Cloud-Computing, 46 Prozent setzen auf das Internet der Dinge (IoT) und vernetzte Maschinen. Automatisierte Lager- und Logistiksysteme werden bereits bei 45 Prozent der Unternehmen eingesetzt, und 44 Prozent setzen automatisierte Fertigungssysteme ein. Dennoch besteht vor allem bei Technologien wie Big Data und KI noch Nachholbedarf: Nur 28 Prozent der Unternehmen nutzen bisher KI oder maschinelles Lernen (ML), obwohl 60 Prozent annehmen, dass diese Technologien helfen könnten, den Fachkräftemangel zu verringern. Die Befragten waren Tech-Entscheider aus dem verarbeitenden Gewerbe, darunter die Branchen Luft- und Raumfahrt, Chemie/Kunststoffverarbeitung, Automobil, Textil, Hardwarekomponenten, Produktion und Fertigung, elektronische Bauteile, Transport und Spedition, Zulieferer für den Energieversorgungsektor sowie Maschinenbau.
Die positiven Effekte auf die Effizienz und die Qualität der Arbeit sind messbar: 54 Prozent der befragten Unternehmen berichten von gesteigerter Produktivität, 52 Prozent von Zeitersparnissen und 49 Prozent von Kosteneinsparungen seit Einführung der Automatisierungstechnologien.
Die Rolle der Large Action Models
Large Action Models gehen einen Schritt weiter als herkömmliche KI: Sie können verschiedene Software-Anwendungen ohne Schnittstellen verbinden und Arbeitsprozesse optimieren. Witwits Lösung analysiert etwa, welche Systeme im Unternehmen häufig gewechselt werden, und identifiziert so die Bereiche, in denen eine Automatisierung besonders sinnvoll ist. „Ein- und derselbe KI-Agent, der sich später um die Automatisierung kümmert, analysiert auch permanent die Prozesse im Unternehmen.“, beschreibt Witwit den doppelten Nutzen.
Diese systemübergreifende Vernetzung könnte auch im Gesundheitswesen oder im Bauwesen zum Einsatz kommen, wo der Bedarf an Automatisierung aufgrund des Fachkräftemangels besonders groß ist. Laut einer Studie von ABBYY gibt eine Mehrheit der befragten Unternehmen in den USA an, auf LAMs zu setzen, um den demografischen Wandel und den Fachkräftemangel zu bewältigen. Auch in Deutschland sind vor allem größere Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Vorreiter bei der Implementierung von KI-Lösungen, während kleinere Unternehmen noch auf Hürden wie fehlende Fachkräfte und hohe Investitionskosten stoßen.
Die Zukunft der digitalen Arbeitskraft
Die Umfrage im Auftrag von reichelt elektronik zeigt zudem, dass 63 Prozent der deutschen Industrieunternehmen Roboter einsetzen, oft für körperlich herausfordernde Aufgaben oder repetitive Tätigkeiten. Fast zwei Drittel (62 Prozent) erwarten in den nächsten fünf Jahren eine vollautomatisierte Fertigung und erhoffen sich durch KI-Lösungen eine Antwort auf den steigenden Bedarf an Fachkräften. „Trotz aller Fortschritte der KI wird der Mensch aber nicht überflüssig und letztlich immer die Kontrolle über die Maschinen behalten. Daher werden künftig vor allem Experten am Arbeitsmarkt gefragt sein, die die KI steuern. Eine der Hauptberufsgruppen der Zukunft werden Manager für digitale Arbeitskräfte werden“, so Witwit, der auch in der Zusammenarbeit zwischen Mensch und KI großes Potenzial sieht. Mit Blick auf die derzeitige wirtschaftliche Lage und die bereits mit Händen greifbare Personalknappheit in vielen Branchen und Unternehmen könnte der Einsatz von KI und LAMs in Deutschland bald zum Standard werden.
Autor: Christian Schultze