Kunden-Hotlines, Chatbots und personalisierte Ansprachen gehören heute zum Standard-Repertoire im Customer Service eines jeden Unternehmens. Denn: Die Kunden sind kritischer geworden. Welcher Marke, welchem Produkt und welcher Dienstleistung sie ihr Vertrauen schenken und warum, entscheiden allein sie.
Die Sieger sind diejenigen Unternehmen, die von Beginn an die Bedürfnisse ihrer Kunden verstanden und berücksichtigt haben und darauf aufbauend einen herausragenden Service bieten. Die Digitalisierung unterstützt Unternehmen dabei, ihre Strategien und Wertschöpfungsketten auf die Wünsche ihrer Kunden auszurichten. Customer Centricity lautet hier das Zauberwort. Wer also auch in Zukunft wettbewerbsfähig bleiben will, tut gut daran, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen.
Digitalisierung und Customer Centricity gehen Hand in Hand
Märkte werden transparenter und schnelllebiger – was heute im Trend ist, kann morgen schon längst wieder veraltet sein. Lokale Retailer konkurrieren mit internationalen Playern, neue Kommunikationskanäle, das Internet of Things und neue Methoden zur Echtzeitanalyse von riesigen Datenbeständen durchdringen den Markt. Kurzum: Die Art und Weise, Handel zu treiben, hat sich verändert und ruft damit auch neue Geschäftsmodelle hervor.
Man kann die Digitalisierung heute als Grundvoraussetzung sehen, um die stetig wachsenden Herausforderungen für den Einzelhandel und Online-Retail sowie die digitale Informationsbeschaffung in Wirtschaft und Gesellschaft zu meistern. Für Einzelhändler und Retailer ist sie die Basis, um Customer Centricity nachhaltig in der eigenen Unternehmensstruktur und -kultur zu verankern. Im Zentrum stehen natürlich die Kunden. Denn nur wer eine enge Beziehung zu ihnen aufbaut, sammelt Daten, die – richtig eingesetzt – einen Rundum-Blick auf die Kundenbedürfnisse ermöglichen. Diese Insights können Unternehmen für die Weiterentwicklung ihrer Produkte und Dienstleistungen nutzen und die Customer Journey optimieren. Die logische Konsequenz lautet also: Einzelhändler und Retailer sollten sich auf ihre eigene digitale Transformation fokussieren, um sich auf dieser Basis zu einer kundenzentrierten Organisation zu entwickeln.
Wo liegen die Herausforderungen?
Viele Unternehmen neigen dazu, diese Themen zu sehr zu analysieren und komplett durchdringen zu wollen, bevor sie diesen Schritt wagen. Aber gerade im Bereich Digitalisierung ist das in dieser schnelllebigen Zeit beinahe unmöglich. Oft genügt es, loszulegen, zu experimentieren und Schritt für Schritt vorzugehen. Und ja, dabei dürfen Fehler gemacht werden. Hier gilt es eine Resilienz gegenüber der Furcht vor dem Unbekannten zu etablieren. Das alte Sprichwort „learning by doing“ hält in dieser Hinsicht etwas durchaus Erfrischendes bereit.
Unternehmen sollten außerdem darauf achten, dass es bei der Transformation nicht in erster Linie um die eigenen Produkte und Dienstleistungen geht, sondern darum eine fundierte Strategie zur digitalen Transformation zu entwickeln, die die entsprechenden Möglichkeiten zur technischen Umsetzung schafft. Dazu gehören beispielsweise die IT-Infrastruktur, technisches Equipment oder Mobile-First-Ansätze. Darauf aufbauend gilt es, eine digitale offene Kultur zu entwickeln, in der das Unternehmen in der Lage ist, sich gemeinsam mit seinen Kunden auszuprobieren und entsprechende Projekte umzusetzen. Dabei muss natürlich stets gewährleistet sein, dass Privatsphäre und Kundendaten geschützt werden.
Einen großen Vorteil haben dabei Unternehmen, die die Transformation aus eigenem Antrieb starten. Sie haben ausreichend Zeit zur Verfügung, um eine solide Strategie zu entwickeln und die notwendigen Budgets und Ressourcen zu schaffen. Kommt der Druck von außen, beispielsweise durch die aktuelle Corona-Krise oder neue Regularien, wird es häufig schwierig, adäquat (und vor allem zeitnah) zu reagieren, da womöglich finanzielle Engpässe vorliegen oder die notwendige Infrastruktur noch nicht vorhanden ist. So erging es beispielsweise der norwegischen Supermarktkette Coop, als die norwegische Regierung im Rahmen der Corona-Krise beschloss, dass Lebensmittel nun verstärkt online angeboten werden sollen, um das Social Distancing zu fördern. Coop hat es allerdings geschafft, eine Customer Experience zu schaffen, die dem Einkauf im stationären Einzelhandel schon sehr nahekommt. So hat der Kunde die Möglichkeit, schnell und jederzeit sichtbar seinen Warenkorb zu betrachten oder dem Mitarbeiter eine Nachricht zu hinterlassen, was beim Einpacken der Waren beachtet werden soll (beispielsweise Alternativen zu bereits vergriffenen Produkten).
So klappt der Change-Prozess
Change-Prozesse sind kompliziert, erfordern Flexibilität und einen großen Transformationswillen. Dabei stoßen sie nicht selten auf Widerstand, da sie gnadenlos aufdecken, an welchen Stellen es im Unternehmen hapert. Oftmals können sich Mitarbeiter nicht mit den anstehenden Veränderungen identifizieren, fühlen sich übergangen und vor vollendete Tatsachen gestellt. Um das zu verhindern, muss das Unternehmen transparent, klar und glaubwürdig kommunizieren, warum Veränderungen anstehen, welche Vorteile diese für das Unternehmen und die Mitarbeiter haben und dass diese vor allem aktiv mitgestalten können und sollen. Dieses Versprechen muss das Management anschließend sukzessive und gemeinsam mit den Mitarbeitern umsetzen. Ein offenes Ohr für Anmerkungen, Feedback und Sorgen ist dabei unerlässlich. Nur so entsteht ein konstruktiver Prozess. Je nach Unternehmensgröße ist das natürlich mit einem großen Organisationsaufwand verbunden, aber er lohnt sich. Denn wenn das ganze Unternehmen an einem Strang zieht, entsteht die Transformation von innen heraus. Und nur eine intrinsische Strategie, die jeden Mitarbeiter mitnimmt und ihm aufzeigt, weshalb Progression nötig bzw. notwendig ist, kann am Ende auch erfolgreich sein.
Customer Centricity in der Praxis
Der Premiumschokoladenhersteller Neuhaus aus Brüssel hat sich ebenfalls auf das Abenteuer digitale Transformation und Customer Centricity eingelassen. Das Unternehmen setzte lange Zeit auf eigene Boutiquen in Belgien und Deutschland sowie den Vertrieb über verschiedene Luxuskaufhäuser. Im Zuge der wachsenden Digitalisierung stellte sich Neuhaus allerdings die Frage, wie sich das Geschmackserlebnis und die Beratung vor Ort auch online umsetzen lassen. Das oberste Ziel: Alle Kunden sollen sowohl online als auch offline vom selben Shopping-Erlebnis profitieren.
Personalisierung ist dabei ein ausschlaggebender Faktor. Durch individuelle Produktempfehlungen via E-Mail und im Webshop sowie auf Basis der Kundenkonten analysiert Neuhaus nun Schokoladengeschmack, Vorlieben und Kaufgewohnheiten und kann so die Kunden gezielt ansprechen. Das Unternehmen hat auf der Webseite außerdem einen Chatbot implementiert, der die User berät, Informationen zu den verschiedenen Schokoladenkreationen bereithält oder über Themen wie ethische Bezugsquellen, Nachhaltigkeit und Umweltauswirkungen informiert. Für den Versand hat Neuhaus eine spezielle Verpackung entwickelt, um den Kunden ein hochwertiges „Unboxing“-Erlebnis zu bieten.
Damit auch Online-Kunden das Sortiment von Neuhaus kennenlernen, hat das Unternehmen Neuhaus Insiders – eine Art Newsletter-Club – gegründet. Die Mitglieder profitieren hier von kostenlosen Kostproben, um neue Kollektionen kennenzulernen, sie erhalten ein Geburtstagsgeschenk oder werden zu exklusiven VIP-Events eingeladen.
Wir sehen: Der Weg zu einem digitalen kundenorientierten Unternehmen ist komplex und geschieht nicht von heute auf morgen. Doch gerade die Möglichkeiten der Digitalisierung, Big Data und das Einbeziehen von Kunden und Usern eröffnen neue Wege, das Thema Customer Centricity anzugehen.
Am Ende kommt es dabei auf genau drei Dinge an: Kultur (Dinge ausprobieren), Struktur (Technologien nutzen und die interne Digitalisierung vorantreiben) und Strategie (maximale Orientierung am Kunden). So gelingt der Weg hin zu einer erfolgreichen Customer Centricity in Zeiten schnelllebiger digitaler Prozesse.