Künstliche Intelligenz ist längst kein Zukunftsthema mehr – sie ist in vielen Branchen angekommen und verspricht enorme Effizienzgewinne. Dennoch scheitern viele KI-Projekte, bevor sie echten Mehrwert liefern. Warum das so ist und wie Unternehmen KI sinnvoll und nachhaltig in ihre Prozesse integrieren können erklärt Michael Quast, Gründer der Plattform für KI-Kompetenz NEXperts.
KI ist in aller Munde und viele Unternehmen wollen sie einsetzen. Trotzdem scheitern viele Projekte. Woran liegt das?
Michael Quast: Tatsächlich sehen wir immer wieder das gleiche Muster: Viele Unternehmen stürzen sich in KI-Projekte, weil sie denken „Hauptsache, wir machen was mit KI!“ Aber ohne echte Strategie geht das meistens schief. Man muss sich vorher ehrlich fragen: Was wollen wir eigentlich erreichen? Wo stehen wir heute? Und vor allem – sind wir als Organisation überhaupt bereit für diese Veränderung?
Ein weiterer Knackpunkt ist die Unterstützung von oben. Wenn das Management nur halbherzig dabei ist und nicht die nötigen Mittel bereitstellt, versanden KI-Projekte schnell in der Pilotphase. Außerdem unterschätzen viele, wie wichtig offene Kommunikation ist. Die Mitarbeiter müssen verstehen, was auf sie zukommt und wie sie davon profitieren können.
Welche Rolle spielt gutes Change Management bei der KI-Einführung?
Michael Quast: Strukturiertes Change Management ist definitiv ein entscheidender Baustein für die erfolgreiche Einführung von KI. Bei NEXperts verfolgen wir einen ganzheitlichen Ansatz mit sieben Säulen – unsere 7C-Methodik. Ein zentraler Aspekt dabei ist, wie wir die Unternehmenskultur und damit auch den Veränderungsprozess gestalten. Was das konkret bedeutet: Den Menschen in den Mittelpunkt stellen und die Transformation systematisch angehen.
Dabei ist professionelles Change Management ein integraler Teil des Kulturwandels. In der Praxis heißt das: Von Anfang an offen kommunizieren, auch über Unsicherheiten. Nichts ist schlimmer als schöne Powerpoints von oben, während die Mitarbeiter sich fragen, ob sie morgen noch gebraucht werden.
Was richtig gut funktioniert: Teams aktiv einbinden und erste Erfolge sichtbar machen. Wenn die Kollegin aus der Buchhaltung erzählt, wie ihr die KI die lästige Rechnungsprüfung abnimmt, ist das überzeugender als jede Management- Präsentation. Und natürlich braucht es gute Schulungen – aber bitte praxisnah und in verdaubaren Häppchen.
Haben Sie ein Beispiel für einen guten Einstieg in KI? Wo sollten Unternehmen anfangen?
Michael Quast: Am besten startet man mit überschaubaren Projekten, die schnell einen spürbaren Nutzen bringen. Ein Klassiker ist die Automatisierung von Standardanfragen im Kundenservice. Oder nehmen Sie die intelligente Dokumentenanalyse – wenn plötzlich niemand mehr Rechnungen manuell eintippen muss, sieht jeder sofort den Mehrwert. Auch die KI-gestützte Analyse von E-Mails zur automatischen Verteilung an die richtigen Ansprechpartner hat sich als guter Einstiegspunkt erwiesen, genau wie die Unterstützung bei der Erstellung von Standardtexten oder die Optimierung der Terminplanung.
Das Wichtige ist: Diese ersten Projekte sind Lernfelder. Man sammelt Erfahrung, baut Kompetenzen auf und – mindestens genauso wichtig – gewinnt Vertrauen in die neue Technologie.
Daten sind das Fundament jeder KI. Wie sieht es da in deutschen Unternehmen aus?
Michael Quast: Da sprechen Sie einen echten Schmerzpunkt an. Die Datenqualität ist oft der Flaschenhals. In vielen Unternehmen sind die Daten über zig Systeme verstreut, keiner weiß so richtig, was wo liegt, und ob man den Daten überhaupt trauen kann.
Wir sehen immer wieder die gleichen Herausforderungen: Daten-Wildwuchs in verschiedenen Abteilungen, unterschiedliche Systeme, die nicht miteinander reden, unklare Verantwortlichkeiten für die Datenpflege und große Unsicherheit beim Datenschutz.
Der erste Schritt muss sein, hier aufzuräumen und eine vernünftige Datenstrategie zu entwickeln. Das ist zwar nicht so sexy wie ein KI-Projekt, aber ohne gute Daten wird jeder KI-Anwendungsfall zum Glücksspiel.
Zum Schluss der Blick nach vorn: Wie wird sich der KI-Einsatz in den nächsten Jahren entwickeln?
Michael Quast: Die gute Nachricht ist: KI wird immer zugänglicher. Durch neue Tools und Plattformen können auch kleinere Unternehmen einsteigen, ohne gleich ein Entwicklerteam aufbauen zu müssen.
Der Trend geht klar in Richtung Integration – wir werden KI zunehmend als festen Bestandteil in Standardsoftware finden. Gleichzeitig verbessert sich die Erklärbarkeit von KI-Entscheidungen deutlich, was für die Akzeptanz enorm wichtig ist. Spannend ist auch die Entwicklung bei den Assistenzsystemen für Fachkräfte, die immer intelligenter werden. Und wir sehen, dass verschiedene KI-Technologien immer öfter clever kombiniert werden.
Aber bei allem Hype rate ich Unternehmen: Bleiben Sie fokussiert auf Ihre konkreten Geschäftsziele. Nicht jeder Trend muss mitgemacht werden. Wichtiger ist ein systematischer Aufbau von Kompetenzen und eine schrittweise, aber konsequente Transformation.