Neue KI hilft bei Übersetzung und Zuordnung antiker Texte

Quelle: Studiengesellschaft für Künstliche Intelligenz e.V.

Die KI stellt eine große Hilfe für Historiker beim Entschlüsseln antiker griechischer Schriften dar. Sie wurde mit digitalen Daten altgriechischer Texte trainiert. Am besten funktionieren KI und Historiker jedoch gemeinsam.

Die Odyssee, das zweite große Heldenepos des griechischen Dichters Homer neben der Ilias, beschreibt die Abenteuer, die der Recke Odysseus während seiner zehnjährigen Rückreise von Troja zu seiner Heimatinsel Ithaca erlebte. Der Begriff „Odyssee“ ist so zu einem Synonym für langes Umherirren geworden. Ähnlich herausfordernd wie des antiken Königs Suche nach dem heimischen Ithaca gestaltet sich häufig die Arbeit von Historikern, die sich bemühen, die Herkunft alter Texte zu bestimmen und diese Schriftstücke zu restaurieren. Dabei unterstützt sie jetzt maßgeblich eine Software, die mittels Künstlicher Intelligenz (KI) Lücken in antiken Texten schließen sowie deren Herkunft und Alter ermitteln hilft.

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Gerade etliche aus dem antiken Hellas erhaltene Schriften sind leider unvollständig und weisen mehr oder weniger große Lücken auf. Vielfach lässt sich auch nicht bestimmen, wann und wo sie entstanden sind. Denn die Fundorte der Texte, die häufig auf Stein, Keramik oder Metall „verewigt“ wurden, bzw. von Fragmenten der Schriften, entsprechen in vielen Fällen nicht deren Ursprungsorten, weil sie im Laufe der Jahrhunderte bewegt wurden oder schlicht kaputtgingen. All diese Faktoren bedeuten für die Wissenschaftler, die mit ihrer Rekonstruktion und Bestimmung befasst sind, eine wahre „Sisyphos-Arbeit“, um im antiken mythologischen Bild zu bleiben.

Deshalb machte sich die britische Firma DeepMind gemeinsam mit Historikern daran, eine Brücke zwischen der Arbeit der Altertumsforscher und moderner Künstlicher Intelligenz zu schlagen. Das auf die Programmierung von KI spezialisierte Unternehmen, das inzwischen zu dem US-Konzern Google gehört, hatte bereits 2019 ein KI-Modell namens „Pythia“ entwickelt. Die nach dem berühmten Orakel von Delphi benannte Entzifferungs-KI übersetzt altgriechische Texte bzw. macht Übersetzungsvorschläge, die nach ihrer Wahrscheinlichkeit gestaffelt sind. Doch anders als die Weissagungen, die von Pythia, der Priesterin des Gottes Apollo, in dessen Tempel in Delphi verkündet wurden, sind die Aussagen der gleichnamigen KI nicht so zweideutig und rätselhaft.

Unterstützung für Historiker

Stattdessen stellt diese KI eine große Hilfe für Historiker beim Entschlüsseln antiker griechischer Schriften dar. Sie wurde mit digitalen Daten altgriechischer Texte trainiert und schnitt bei Tests klar besser ab als konkurrierende menschliche Experten: Die KI-Übersetzungen trafen zu rund 70 Prozent den richtigen Ton, während die auf historische Schriften spezialisierten Wissenschaftler nur zu 43 Prozent richtiglagen.

Bereits bei „Pythia“ folgten die Entwickler der Maxime, dass die KI den Fachleuten als Instrument zur Erleichterung ihrer Arbeit dienen, sie jedoch nicht ersetzen soll. Gleiches gilt demnach für das neue KI-Modell „Ithaca“, das die Möglichkeiten der Historiker deutlich erweitern soll: Wiederherstellung, Lokalisierung und Datierung antiker Texte durch die Zusammenarbeit von KI und Historikern, so fasst der Hersteller die Funktionen der neuen Software zusammen. Sie erweitert sozusagen die Optionen für Historiker um die Dimensionen Raum und Zeit. Denn über die Unterstützung bei Übersetzungen historischer griechischer Inschriften hinaus, stellt das neue KI-Modell Hypothesen auf, wann die betreffenden Schriften innerhalb einer Zeitspanne von 800 v. Chr. bis 800 n. Chr. verfasst wurden und wo. Bei letztgenannten Angaben umfassen die Aussagen des neuen KI-Modells 84 antike Regionen, die zudem auf einer Karte dargestellt werden.

Am besten funktionieren KI und Historiker gemeinsam

„Ithaca“ sei das erste neuronale Netzwerk, das fehlende Textteile beschädigter Inschriften wiederherstellen, deren originalen Ursprung identifizieren sowie dabei helfen könne, das Entstehungsdatum der Schriften zu bestimmen, heben die Entwickler der Software hervor. Nach ihren Angaben soll „Ithaca“ bei der Textanalyse sowohl ganze Wörter als auch einzelne Zeichen berücksichtigen und dabei zu sehr korrekten Ergebnissen kommen: Laut DeepMind soll „Ithaca“ eine Präzision von 62 Prozent bei der Wiederherstellung von historischen Texten erreichen und sogar von 72 Prozent in Kooperation mit Historikern. Deren Genauigkeit ohne KI-Unterstützung wird mit lediglich 25 Prozent angegeben. Am besten funktioniert das Programm demnach zusammen mit dem Wissen von Historikern.

Damit sieht sich der Hersteller von „Ithaca“ in seiner ausdrücklichen Mission bestätigt, dazu beizutragen, dass Maschinen lernen, wie sie Historiker bei der besseren Interpretation von antiken Schriften helfen können – um ein größeres Potenzial in der Zusammenarbeit zwischen diesen menschlichen Experten und Künstlicher Intelligenz zu erschließen und so ein besseres Verständnis von Geschichte zu ermöglichen.

ai-society.org

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