Ein neues Berufsbild in der IT entsteht. Die erste Frage ist, wie sich das Berufsfeld des Low-Code Developers definiert. Nun, als Low-Code-Developer bezeichnet man Anwendungsentwickler, die mit Low-Code-Plattformen professionell Software entwickeln, aber ohne Programmcode zu schreiben.
Low-Code-Developer müssen die Prinzipien und Werkzeuge der jeweiligen Low-Code-Plattform verstehen und beherrschen.
Eine klassische Informatik-Ausbildung mit Programmierkenntnissen ist hingegen nicht unbedingt nötig. Anders als für einen Programmierer stehen für einen Low-Code-Developer die umzusetzenden Inhalte im Vordergrund und weniger die Softwaretechnik dahinter. Fachwissen aus der jeweiligen Branche ist demzufolge wichtiger als tiefgehendes IT-Know-how.
Die Anforderungen an Low-Code-Developer unterscheiden sich grundlegend von denen an professionelle Programmierer, denn sie müssen in der Lage sein, komplexe Modelle, regelbasierte Systeme und andere Arten deklarativer Beschreibungen zu verstehen. Weil sie weitaus produktiver als Programmierer sind und viel agiler vorgehen können, sind sie häufig im Austausch mit den späteren Anwendern. Dabei müssen sie sich in die fachlichen Inhalte der Auftraggeber hineinversetzen können.
Aus welchen Bereichen kommen Low-Code Developer?
Die Low-Code-Technologie ist geradezu ideal für Quereinsteiger in die IT. Erfahrungsgemäß fällt es gut qualifiziertem Fachpersonal völlig anderer Berufsrichtungen sehr leicht, sich in das Aufgabenfeld eines Low-Code-Developers einzuarbeiten. Und häufig erweisen sich Quereinsteiger sogar als die besseren Low-Code-Entwickler, weil sie viel unvoreingenommener an die Sache herangehen. Außerdem fällt Nicht-IT-Leuten deklaratives Denken leichter als ausgebildeten Programmierern, die über lange Zeit hinweg lernen mussten, prozedural und algorithmisch zu denken.
Reguläre öffentlich geförderte Umschulungen oder herstellerneutrale Trainee-Programme kenne ich bisher nicht. Aber fast alle Hersteller bieten geeignete Einarbeitungskurse an, jeweils speziell auf die Werkzeuge des jeweiligen Anbieters zugeschnitten. Bei Scopeland Technology sieht der Prozess folgendermaßen aus: Wir stellen geeignete Kandidaten ein, und sie werden von uns eine Woche lang geschult. Voraussetzung sind grundlegende Kenntnisse im Bereich Datenbankmodellierung, die man sich aber in Vorbereitung der Schulung relativ schnell selbst aneignen kann. Anschließend bekommen sie einen erfahrene/n Low-Code-Developer/in als Mentor an die Seite gestellt, mit deren / dessen Hilfe sie sofort in die reale Projektarbeit eingebunden werden können.
Der Unterschied zwischen Citizen Developer und Low-Code-Developer
Als Citizen Developer werden Mitarbeiter der Fachabteilungen bezeichnet, die neben ihrer eigentlichen fachlichen Tätigkeit kleinere Softwarelösungen selbst entwickeln. Das hat seine Wurzeln in dem, was man früher auch als ‚Schatten-IT‘ bezeichnet hat. Als Low-Code-Entwickler bezeichnen wir hingegen eher solche Leute, die sich ganz bewusst für einen Berufsweg als professionelle Anwendungsentwickler entschieden haben. Oftmals sind das ehemalige Citizen Developer, die ihre gesammelten Entwicklererfahrungen nun zum Beruf machen.
Problem Fachkräftemangel
Mit dem Berufsfeld Low-Code Developer tut sich gerade ein großes Arbeitsmarktpotential für Akademiker aller Fachrichtungen auf. Und das zum Glück nicht wie früher als Informatiker zweiter Klasse. Die Verdienstmöglichkeiten sind ähnlich attraktiv wie die der ‚richtigen‘ Informatiker, wenn nicht sogar dank des mitgebrachten Branchenwissens sogar noch besser. Bereits heute zahlen Kunden für Low-Code-Entwickler deutlich mehr als für Java-Programmierer und andere IT-Spezialisten. Für Endkunden und IT-Firmen stellt dieser Trend eine interessante Perspektive zum wachsenden Fachkräftemangel in der IT dar. Es gibt auf dem Arbeitsmarkt aktuell mindestens nochmal so viele potentielle Seiteneinsteiger wie ausgebildete Informatiker.
Wie sieht die Zukunft aus?
Die Zukunft für diese Berufsgruppe sieht sehr gut aus, denn der Bedarf wird weiter steigen. IDC spricht aktuell von einem massiven Anwachsen der Entwicklerpopulation. Bis 2024 wird eine neue Klasse professioneller Entwickler, die Code ohne selbstgeschriebene Routinen produzieren, die Entwickleranzahl um 30% erhöhen und die digitale Transformation beschleunigen . Und dieses viel größere Entwicklerpotential, in Kombination mit der hohen Produktivität von Low-Code führe dazu, dass in den nächsten fünf Jahren voraussichtlich mehr Softwarelösungen entwickelt werden als in den letzten 40 Jahren zusammen. Es geht also keinesfalls nur um einige wenige neue Stellen, sondern um ein Vervielfachen des Entwicklerpotentials durch externe und interne Nicht-Informatiker.
Dass das Interesse an Low-Code immer größer wird, sieht man auch daran, dass es mittlerweile eigene Fachkongresse zur Low-Code-Technologie gibt. In diesem Jahr findet beispielsweise zum zweiten Mal der Berlin Low-Code Day statt. Dabei handelt es sich um den ersten bundesweiten herstellerneutralen Fachkongress, der sich auch über rege internationale Beteiligung erfreut. Im vergangenen Jahr gab es sogar eine Workshop-Session zum positiven Einfluss von Low-Code-Plattformen auf den steigenden Fachkräftemangel. Persönlich wünsche ich mir für die Zukunft, dass die Low-Code-Technologie fester Bestandteil des Informatik-Studiums bzw. verwandter Studiengänge wird und es sogar einen eigenen Studiengang für Low-Code-Developer gibt.