Von der Prozess-Orientierung zum (wirklichen) Kundenverständnis

Change the Change

Damit sind Haltungen und Gefühlslagen verknüpft, die uns Menschen oft schwerfallen, manchmal auch gar nicht angenehm sind: wir mögen etwa das Erleben von Unsicherheiten nicht, oder das Involviertsein in einen Feedback-Zyklus zur Prozess-Optimierung. Gleichzeitig gibt es nach wie vor noch Bilder vom Funktionieren von Menschen in Unternehmen, die stark am längst widerlegten „homo oeconomicus“ der BWL und an einem gepflegten Misstrauen der Bereitschaft von Menschen gegenüber, sich verantwortlich in derartige Veränderungs-Prozesse einzubringen, ausgerichtet sind.

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Für den Gang in diese Richtung braucht es Mut, Selbstbewusstsein, die Fähigkeit, Unsicherheit auszuhalten und als Führungsperson dennoch eine gewisse Sicherheit zu geben, die Fähigkeit im wertschätzenden Stil Feedback-Schleifen zu nutzen und fruchtbare Auseinandersetzungen über neue Wege, anzuwendende Tools (auch Hypothesenbildung) und den Aufbau einer Vertrauens-Kultur zu führen. Das braucht also individuell die Bereitschaft, sich in einen derartigen Lernprozess einzubringen und organisational braucht es Räume (Zeit, Begegnung, Geld), in denen eine entsprechende Umorientierung und Entwicklung nötiger Verhaltensweisen gelingen kann. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass dies nicht (nur) mit Change-Trainings, sondern vorwiegend in der interdisziplinären Zusammenarbeit im laufenden Prozess mit Begleitung (Coaching) gelingt. 


Beispiel Bankensektor: 

Ein Beispiel von einem IT-Dienstleister im Bankensektor: Wie man sich zu Beginn schon selbst behindern und den gewünschten Change gefährden kann:

Die Geschäftsleitung sieht sich unter Druck, die Organisation kundenorientierter und kosteneffizienter auszulegen, weil der Ertrag hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. Sie gibt deshalb die Parole aus, man müsse sparen und alle Prozesse auf den Prüfstand stellen. 

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Für sie überraschend, finden sie nur schwer Mitstreiter für ein entsprechendes Programm und muss außerdem zur Kenntnis nehmen, dass hoch qualifizierte Mitarbeiter kündigen. Nach einer Inhouse-Analyse wird deutlich, dass das Sparprogramm schon das fünfte in den letzten drei Jahren ist und dass keiner der Mitarbeiter daran glaubt, dass man noch weitere nennenswerte Effizienzsteigerungen mit immer denselben Ansätzen und derselben Beratungsfirma erreichen würde. Dazu ist die „Change-Story“ unklar: Wo sind ein überzeugendes Change-Ziel, eine Vision für eine erfolgreiche kundenorientierte Organisation, ein nachhaltiger Benefit? 

Erst durch die Intervention einiger Personalleute, Senior-Projektmanager und Arbeitnehmervertreter wird darüber gesprochen, wie ein positives Leitbild aussehen könnte, um sich in dem umkämpften IT-Markt neu positionieren, Organisation und Verhalten anpassen zu können, Prozesseffizienz eingeschlossen. So erst entstehen tragfähige Initiativen für den notwendigen Change, die außerdem darauf vertrauen, dass sich aus den damit verknüpften Maßnahmen auch Einsparungen ergeben werden. „Ganz nebenbei“ wird die Funktion einer Change-Managerin geschaffen, was sich in den Projektgesprächen als sehr nützlich erwiesen hat.


Am Beispiel des Bankensektors (siehe Kasten) wird deutlich, wie schlecht die „Change-Story“ vorbereitet und wie schnell ihre Glaubwürdigkeit erschüttert war und zu Unruhe in der Belegschaft geführt hat. Immerhin kann man auch lernen, dass wenn Teile des Systems intervenieren, eine Korrektur des eingeschlagenen Weges möglich ist und eine präzisere Ausrichtung auf das, was wie geändert werden soll erfolgen kann.

Dazu sollte auch gefragt werden, welche Ressourcen/Kompetenzen, welche Kultur man zur Verfügung hat, um einschätzen zu können, wie diese auf den vorgedachten Prozess einzahlen könnten?

„learning journey“ Konfrontation 

Wir möchten auf dieser Grundlage eine anpassungsfähige Change-Konzeption mit dem Begriff „learning journey“ vorstellen und anhand eines Beispiels verdeutlichen, welche Bedeutung einige wichtige Fragen haben, die wir aus unserem Beitrag zum „Workbook Change Management“ (erschienen im Juni 2020 im Hanser-Verlag) extrahiert und auf einer U-Form (in Anlehnung an Scharmer, 2007) angeordnet haben (siehe Bild 2):

TH Bild2

Zentrale Fragen an den Change

Ergebnis dieser Diskussionen in verschiedenen Runden kann eine grobe Roadmap für den Change sein, mit ersten „Gates“ zur Durchführung von Reviews für die Bewertung der Erfahrungen auf dem gemeinsamen Weg. Dies bietet gleichzeitig die Basis für die Klärung von Aufgaben und Verantwortungs-Bereichen (also Rollen); begleitet durch passende Entwicklungs- und Unterstützungs-Maßnahmen (wie etwa Coaching für die Change-Agents) und die Klärung der benötigten Werte (Respekt, Verlässlichkeit, Vertrauen und Konsequenz) 

Vertrauen ist ein hohes (und leicht verderbliches) Gut, nach dem in vielen Change-Prozessen immer wieder gesucht wird (weil oft jahrelang eine Misstrauenskultur gepflegt wurde). Wir bauen dabei auf den Aufbau und die Pflege ehrlicher Beziehungen und die gemeinsame Arbeit mit wertschätzender Kommunikation, dem Einsatz vorhandener Kompetenzen, die Bewältigung von Herausforderungen, wie auch die Kongruenz von Verhalten und gesprochenem Wort. Hintergrund: ein modernes Menschenbild. Wir teilen die häufig in diesem Zusammenhang zu hörende Aussage, dass es darum ginge, den „mindset“ „agil“ auszurichten nicht: ganz davon abgesehen, dass sich das wie „Umprogrammierung“ anhört, steckt darin die (falsche) Annahme, „anders denken“ sei eine Frage der Kognition – aus der Hirnforschung wissen wir aber, dass es vielmehr darauf ankommt Situationen in der Arbeitswelt zu schaffen, in denen durch Mitmachen, durch Ausprobieren, durch Reflexion und emotionaler Bewertung eine Kombination aus Nachahmung und Selbst-Erkennen zu neuem Denken führt. Dazu gehört die Auseinandersetzung mit Komplexität auf einer adäquaten Ebene. Das Beispiel „IT-Supportbereich im neuen Aufbruch“ (siehe Kasten) bildet die Fragenkomplexe aus unserem Modell gut ab. Sinn und Zweck werden am Anfang gemeinsam erarbeitet und am Ende steht eine neue Entwicklungs- und Austauschdynamik, in deren Verlauf die Zeichen auf Umbau der klassischen Struktur gestellt werden.


Beispiel: IT-Supportbereich im neuen Aufbruch

Im IT-Bereich eines Finanzdienstleisters soll die klassische Struktur überprüft und angepasst werden: Wird die Aufgaben- und Arbeitsteilung den aktuellen technologischen Entwicklungen gerecht? Wie gut sind wir auf die Kundenbedürfnisse ausgerichtet? Aus Kundenkontakten heraus waren diesbezügliche Fragezeichen entstanden.

Die Mitarbeiter sind von Anfang an einbezogen. Gleich im ersten Workshop entsteht eine gemeinsame, fast peinlich bewegende Erkenntnis: Wir kennen viele Kundenprozesse nur in den Ausschnitten der Use Cases, dadurch können wir den Kunden end-to-end nur bedingt helfen. Das sollte aber das Zielbild sein, darüber sind sich alle schnell einig. 

Daraus folgen Prozess-Gespräche mit den Kunden, in denen Entwicklungsbedarfe für den IT-Support aufgezeichnet und Kundenbeziehungen positiv vertieft werden. Das Ergebnis: ein erstes Backlog, eine Roadmap und ein neuer Kommunikationsprozess mit den Kunden. 

Parallel wird ein wöchentliches Change Forum eingerichtet, um die zunehmenden Erkenntnisse, Informationen und Lösungsideen gemeinsam auszuwerten. Zur Ausarbeitung organisieren sich jeweils Teams, die dann wieder im Forum berichten. Und die „Struktur“? Keine Eile – sie wird aus dem nun laufenden Prozess erwachsen.


Wir hoffen, dass vor diesem Hintergrund sichtbar geworden ist, wie dringend das entspannte und produktive Zusammenbringen von IT und Organisationsentwicklung/ Personal sowie Unternehmensstrategie erfolgen sollte – was ja konzeptionell nichts Neues ist, was aber in VUCA-Zeiten eine neue Chance zur Umsetzung hat. Dafür müssten aber die Akteure auf den oberen Führungsebenen den Kreislauf von Mikromanagement mit Multi-Tasking, (unproduktiven) Meetings, Koordinierungs- und Vernetzungs-Aufgaben, Reporting- und Planungs-Routinen verlassen und die Chance bekommen, wirklich zu führen und professionell die Reflexion, Initiierung und Steuerung der Change-Vorhaben voranzutreiben (jenseits von schädlichen kulturellen / Rollen-Erwartungen an die Führung, „alles im Griff“ zu haben).

Der „Kraft der Fragen“ folgen könnte für Change-Vorhaben bedeuten, dass diese in der Herangehensweise und im Erfolg einen Unterschied zugunsten der Kunden und Mitarbeiter machen und so den change of the change einläuten – auch ohne teure „Rezeptverkäufer“.

 

Dr Klaus Wagenhals 160

  Dr. Klaus Wagenhals

  Netzmanager, metisleadership

  www.metisleadership.com

 

 

Frank Kuhn 160

  Dr. Frank Kühn,

  metisleadership

  www.metisleadership.com

 

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