Warum Archivierung physische Dokumente einbeziehen sollte

Bei der Archivierung digitaler Dokumente und Daten geben sich Firmen jede erdenkliche Mühe. Was zwischen den Deckeln von Aktenordnern schlummert, scheint ihnen dagegen oft egal zu sein. Allerdings gibt es gute Gründe, auch dafür ein Konzept zu haben – selbst wenn nicht alle Akten digitalisiert werden müssen.

Eingang zum Iron-Mountain-Archiv in Boyers, Pennsylvania. Hier werden viele der weltweit wichtigsten Handelsdokumente 220 Fuß unter der Erde in einer ehemaligen Kalksteinmine aufbewahrt. In der temperaturkontrollierten Hochsicherheitsanlage lagern unter anderem auch die Originalnegative von mehr als 120.000 Hollywood-Filmen (Bild: Iron Mountain).Eingang zum Iron-Mountain-Archiv in Boyers, Pennsylvania. Hier werden viele der weltweit wichtigsten Handelsdokumente 220 Fuß unter der Erde in einer ehemaligen Kalksteinmine aufbewahrt. In der temperaturkontrollierten Hochsicherheitsanlage lagern unter anderem auch die Originalnegative von mehr als 120.000 Hollywood-Filmen (Bild: Iron Mountain).2020 haben die Digitalisierungsbemühungen in deutschen Unternehmen einen ordentlichen Schub bekommen. Arbeiten von zuhause und der Bedarf an neuen Formen der Zusammenarbeit waren die treibenden Kräfte. Dennoch kommen Unternehmen längst noch nicht komplett ohne physische Dokumente und deren Archivierung aus – spätestens, wenn es um die Aufbewahrungsfristen von Rechnungen oder Steuerunterlagen geht.

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Zahlen dazu liefert eine Studie von Iron Mountain mit dem Titel »Folgen von COVID-19 für Digitalisierung in Unternehmen«. Für sie wurden 1.000 für das Management von Geschäftsdaten in Unternehmen mit über 250 Mitarbeiter zuständige Personen in fünf europäischen Ländern, darunter auch Deutschland, befragt.

91 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass ihr Unternehmen eine stärkere Prozess-Digitalisierung benötigt. Allerdings befürchten 57 Prozent, dass die während der Pandemie eingeführten Digitalisierungsmaßnahmen bald wieder rückgängig gemacht werden könnten. Überraschenderweise ist der Anteil derjenigen, die einen Rückfall in Vor-Corona-Zeiten befürchten, in den sonst so fortschrittlichen Niederlanden mit 89 Prozent am höchsten, im allgemein als digitalisierungs-träge geltenden Deutschland mit 42 Prozent am geringsten.

In gewissen Branchen und bei vielen Behörden ist die physische Archivierung von Daten seit langem etabliert – traditionell schon vor der digitalen Archivierung. In weiten Teilen der Wirtschaft fristet sie jedoch ein Nischendasein, weil sich der Fokus in den digitalen Bereich verschoben hat. Nach Ansicht von Iron Mountain ist das ein Fehler, denn gerade wenn Firmen Daten intensiver nutzen wollen, könne eine gut strukturierte und professionelle Archivierung Vorteile bieten – zum Beispiel durch gezielte Teildigitalisierung noch benötigter Akten aus umfangreichen Beständen. Das Unternehmen kann hier durchaus mitsprechen, schließlich ist es schon seit 1951 im Markt und heute einer der größten Anbieter im Bereich Archivierung weltweit, mit einem Jahresumsatz von rund 3,5 Milliarden Dollar und 230.000 Kunden in 46 Ländern.

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Sechs Stunden pro Woche für administrative, analoge Geschäftsprozesse

Ralf Kettnaker, Iron MountainRalf Kettnaker, Iron Mountain»Selbstverständlich ist heute vieles digital und Firmen wollen den Anteil auch ausbauen«, berichtet Ralf Kettnaker, Business Consultant bei Iron Mountain. »Covid-19 gibt dem durch Remote-Work und andere Digitalisierungs-Initiativen noch einmal einen Push.« Das bestätigen auch die Umfrageergebnisse: Demnach arbeiten 87 Prozent der befragten deutschen Mittelständler und alle Befragten aus Großunternehmen aktuell an der Digitalisierung von Kern-Geschäftsprozessen.

»Dennoch sollte man den Aspekt der physischen Archivierung nicht unterschätzen«, warnt Kettnaker. »Selbst wer digital arbeitet, hat noch physische Archive. Je nachdem, wie häufig auf die zugegriffen werden muss, sind unterschiedliche Szenarien sinnvoll – von der kompletten Digitalisierung bis zur Einlagerung bei uns und der Digitalisierung lediglich bestimmter Unterlagen auf Abruf.«

Auch dazu liefert die Studie Zahlen: Ihr zufolge verbringen im Durchschnitt 72 Prozent der befragten Deutschen mindestens sechs Stunden pro Woche mit administrativen, meist analogen Geschäftsprozessen. Das sind 15 Prozent der Wochenarbeitszeit. Mit Hilfe digitaler Prozesse könnte der Anteil in Zukunft deutlich reduziert werden: 62 Prozent der Befragten glauben, dass sie mindestens drei Stunden Arbeitszeit pro Woche sparen könnten, wenn in ihren Unternehmen mehr Prozesse digitalisiert wären.

Unterschiedliche Ansätze zur Archivierung

Zwei Angestellte tragen um 1960 Claude Monets Bild »Boot auf der Epte« durch die Tresortür zum Eingang des Iron Mountain Archivcenters in den USA. Und was für einen Monet recht ist, kann für Vertragsunterlagen und Steuerakten nur billig sein, findet der Anbieter (Bild: Iron Mountain).Zwei Angestellte tragen um 1960 Claude Monets Bild »Boot auf der Epte« durch die Tresortür zum Eingang des Iron Mountain Archivcenters in den USA. Und was für einen Monet recht ist, kann für Vertragsunterlagen und Steuerakten nur billig sein, findet der Anbieter (Bild: Iron Mountain).Welcher Weg der Archivierung gewählt wird, ist von der Aktivität der Akte und deren wirtschaftlichem Wert abhängig. Personalakten beispielsweise sollten Firmen direkt digitalisieren, dies ist einerseits überschaubar, andererseits werden sie regelmäßig benötigt. Bei alten Kreditverträgen bei Banken zum Beispiel reicht es, sie erst zu digitalisieren, wenn sie tatsächlich benötigt werden.

Fünf oder zehn Jahre alte Buchhaltungsdaten zu digitalisieren lohnt sich dagegen in der Regel nicht. Der wirtschaftliche Wert der Akten spricht vor allem in bestimmten Branchen für eine Digitalisierung, etwa in der Luftfahrt. Da ist es laut Kettnaker sinnvoll, alles zu digitalisieren, weil der Aufwand im Gesamtzusammenhang sehr gering ausfällt und selbst alte Akten oft und von vielen Stellen benötigt werden.

Dokumentationspflichten und Sicherheitsauflagen

Ein Grund, die Archivierung sowohl physischer als auch digitaler Akten auszulagern, können auch umfangreicher Dokumentationspflichten und hohe Sicherheitsauflagen sein. In manchen Branchen müssen Unternehmen deren Einhaltung durch aufwändige und teure Zertifizierungen regelmäßig nachweisen. Das fällt einem spezialisierten Dienstleister leichter als einer Firma, die eigentlich ein anderes Geschäftsmodell verfolgt. Das gilt insbesondere, wenn das Unternehmen international tätig ist und sich dabei noch nach unterschiedlichen Rechtssystemen richten muss.

Neben der Digitalisierung von Papierdokumenten entscheidet auch deren Weitergabe an firmeninterne Workflows oder sogar die zumindest in Teilen automatisierte Weiterbearbeitung über den Wert eines Digitalisierungs-Services. »Bei Eingangsrechnungen können wir etwa nicht nur die Rechnung erfassen, sondern auch den Lieferanten, das Datum oder den Brutto- und Netto-Betrag auslesen und das Dokument in den richtigen Workflow weiterleiten«, erklärt Kettnaker. »Unser KI-System lernt sogar die einzelnen Verarbeitungsschritte und übernimmt dann die Kontierung.« Die dazu verwendete Lösung heißt Insight und basiert auf Google-Algorithmen für Machine-Learning und Künstliche Intelligenz.

Digitalisierung der Eingangspost

Für die Nutzung eines Dienstleisters bei der Digitalisierung der Eingangspost spricht zum einen eine hohe Zahl an Sendungen. »Wenn zum Beispiel bei einem Energieversorger mehrere tausend Abrechnungen pro Tag eintreffen, die jeweils bis Mittag zur Weiterbearbeitung bereitstehen sollen, dann ist das in Eigenregie nur mit viel Aufwand realisierbar«, sagt Kettnaker. In solchen Fällen kann Iron Mountain auch als ausgelagerte Poststelle fungieren und die Sendungen direkt erhalten. Sie werden dann nicht erst beim Kunden abgeholt, was den Prozess deutlich beschleunigt.

Andererseits kann sich die Nutzung solch eines Dienstes auch lohnen, wenn es dabei vor allem um die Standardisierung geht. »Bei Unternehmen mit Niederlassungen in mehreren Ländern werden so zum Beispiel die Rechnungen von uns über eine Plattform einheitlich erfasst und können dann standardisiert an nachgelagerte Systeme, etwa von Oracle oder SAP, weitergegeben werden.«

Archivierung ist kein Selbstzweck

Ein weiteres wichtiges Feld ist die Vertragsanalyse. Dabei kann Iron Mountain mittels Maschinenlernen auch in einer sehr großen Anzahl an Verträgen einzelne, gleichbedeutende (nicht gleichlautende) Klauseln identifizieren. Das ist zum Beispiel nach Gesetzesänderungen oder Gerichtsurteilen erforderlich, wenn bestimmte Klauseln angepasst und die betroffenen Kunden informiert werden müssen.

Ein weiteres, interessantes Einsatzszenario hat Iron Mountain beispielsweise auch bei einer niederländischen Bank gefunden. Dort ersetzt die Archivierung nun das zuvor genutzte CRM-System. Dessen Problem war, dass Dokumente von den Mitarbeitern häufig falsch abgelegt wurden – also aufgrund eines sich immer wieder ergebenden Ermessenspielraumes nicht der komplizierten Systematik entsprechend. Daraufhin ließ die Bank einmalig 400 Millionen Dokumente erfassen, die Metadaten extrahieren und neu klassifizieren.

Aufbewahrungsfristen im Griff

Seit dem Ende der Übergangsfrist für die DSGVO suchen Unternehmen eine Lösung für das Problem der Aufbewahrungsfristen. Schließlich gilt es nicht nur, Dokumente strukturiert vorzuhalten, sondern sie zum Verfallsdatum auch zuverlässig zu löschen. Bei international tätigen Firmen gilt es dabei dann auch die jeweiligen Landesvorschriften zu beachten.

Über ein Policy Center genanntes Produkt kann man das bei Iron Mountain selber verwalten. Allerdings pflegt auch das Unternehmen die jeweiligen neuen Vorschriften und Richtlinien immer wieder aktuell in das System ein. Dazu arbeitet es weltweit mit Anwaltskanzleien zusammen. »Das Thema hat eine Komplexität, die man nicht eben einmal nebenher mit erledigen kann«, weiß Kettnaker. Deshalb kämen auch da die Vorteile eines Dienstleisters, der diese Aufgabe für viele Kunden übernimmt, wieder zum Tragen.

Dasselbe gelte, falls ein Kunde das »Recht auf Vergessen« in Anspruch nehmen wolle. Dann stelle sich oft die Frage, wo dessen Daten überhaupt überall liegen und wie sichergestellt werde, dass die erforderlichen Sperrvermerke überall durchgesetzt werden.

Wohin mit der Post, wenn keine Empfänger da sind?

Um während der Pandemie digitale Arbeit überhaupt erst zu ermöglichen, greift Iron Mountain Unternehmen und Organisationen in papier- und dokumentenintensiven Bereichen mit Posteingangs-Lösungen in seinen Scan-Centern unter die Arme. »Wenn niemand oder kaum noch jemand im Büro ist, funktionieren auch klassische Wege der Eingangspostverteilung nicht mehr«, berichtet Kettnaker. »Es ist aber auch zu aufwändig und war in der Kürze der Zeit nicht machbar, vor Ort eine eigene Digitalisierung des Posteingangs einzurichten. Schließlich ist die digitale Erfassung ja nur ein Teil davon – anschließend gilt es, die Dokumente sinnvoll zu verteilen und in einen Workflow einzuspeisen. «

In den vergangenen Monaten galt es vielfach aber auch einfach die Frage zu beantworten »Wie können die Mitarbeiter auch künftig von zuhause aus arbeiten?« Dazu wurden vielfach die Aktenschränke in ganzen Büros ausgeräumt und digitalisiert. »Der Scan ist dabei nur ein Aspekt, es gilt auch das im physischen Umfeld durch Büroräume und Schrankschlüssel ganz praktisch vorhandene Berechtigungskonzept dahinter in die digitale Welt zu übertragen – und vielleicht ganz neue Möglichkeiten zu schaffen, aber auch ganz neue Möglichkeiten des Missbrauchs im digitalen Umfeld zu verhindern«, sagt Kettnaker.

Gegenüber Lösungen, die eine Digitalisierung von Dokumenten im Home-Office propagieren, ist Kettnaker skeptisch: »Zum Beispiel muss gegenüber den Finanzbehörden für die Scan- und Digitalisierungspraxis laut GoBD eine Verfahrensdokumentation vorliegen. Das ist sicher schwierig zu bewerkstelligten, wenn Belege zuhause am Multifunktionsgerät eingelesen werden.«

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