Unternehmen in Deutschland haben laut IDC einen Perspektivwechsel in Sachen Cloud vollzogen: Die Cloud wird akzeptiert, und allenthalben implementiert. Stark gefragt ist derzeit der Hybrid-Cloud-Ansatz. Bereits für die nähere Zukunft zeichnet sich indes die Multi-Cloud ab. IDC zufolge gibt es dafür immer mehr neue Technologien.
Unternehmen in Deutschland haben einen Perspektivwechsel in Sachen Cloud vollzogen. Diese Einschätzung der Marktanalysten von IDC trifft in dreifacher Hinsicht zu, und bestätigt sich durch die Ergebnisse der neuen IDC-Studie »Cloud Computing in Deutschland 2017«: Die Cloud ist in Deutschland endgültig angekommen, und die Cloud-Disruption ist nun hierzulande in vollem Gange.
Von Engelbert Hörmannsdorfer
Die derzeitigen Cloud-Deployment-Modelle: Hybrid-Cloud kommt in Fahrt, Multi-Cloud zeichnet sich ab (Bild: IDC)Viele Unternehmen haben das Thema Cloud-Computing in den vergangenen Jahren opportunistisch vorangetrieben. Die Marktforscher von IDC begleiten das Thema seit 2009 mit ersten Studien. Ging es damals noch um Technisches, wurde es bald abgelöst vom Thema, welche Services man darauf aufsetzen kann. Anschließend stand im Fokus, wie sich die Cloud fürs echte Business einsetzen lässt. Jüngst ist klar, dass die Hybrid-Cloud zu einem Megathema für Unternehmen heranreift. Darüber informiert IDC auch demnächst ausführlich auf dem »IDC Hybrid Cloud Summit 2017« am 9. Februar 2017 in Frankfurt. (Warum Sie den Event nicht versäumen sollten, erfahren Sie hier.)
Für das Jahr 2017 erwartet IDC nun einen deutlichen Perspektivwechsel im Umgang mit Cloud-Services und Cloud-Technologie. Dieser Perspektivwechsel lässt sich allerdings nur auf Basis einer strukturierten Cloud-Transition bewältigen. Um einen Einblick in die veränderten Sichten auf Cloud Computing, Umsetzungspläne und Schwerpunkte innerhalb der Cloud Strategie und Cloud Transition zu erhalten, hat IDC im Dezember 2016 317 IT- und Fachentscheider aus Unternehmen in Deutschland mit mehr als 20 Mitarbeitern befragt.
Der Einsatz von Cloud-Computing schreitet mit großen Schritten in Unternehmen aller Größenklassen und Branchen in Deutschland voran. Das gilt nicht nur für große Firmen. Auch der Mittelstand legt seine Bedenken mehr und mehr beiseite. »Es gibt viele Gründe – technische und geopolitische –, dass sich Unternehmen nun in Deutschland stärker mit der Cloud befassen«, erläutert Matthias Zacher, Senior Consultant und Projektleiter bei IDC.
Cloud startet in den nächsten zwei Jahren in Deutschland durch
Die Ausgaben rund um die Cloud in Westeuropa 2016 (Bild/Quelle: IDC)Der Weltmarkt für Cloud-Services, -Anwendungen, -Hard- und Software kletterte 2016 um 27 Prozent auf 37 Milliarden US-Dollar. Tendenz: weiter klar steigend. IDC erwartet deshalb eine rasche Ausweitung der weithin sichtbaren Cloud-Initiativen. 60 Prozent der befragten Unternehmen befinden sich derzeit noch in einer frühen Phase. Sie beschäftigten sich mit Pilotprojekten, treiben in einzelnen Fachbereichen individuelle Initiativen voran oder haben noch keine Cloud-Strategie definiert.
Diese Situation wird sich nach Meinung von IDC in den kommenden 24 Monaten signifikant wandeln. Dann werden knapp zwei Drittel der Unternehmen Cloud-Computing umfassend in ihren Unternehmen einsetzen, um letztendlich immer stärker auf eine Cloud-First-Strategie hinzuarbeiten. Der Einsatz von Cloud-Computing ist somit eine grundlegende Antwort auf die Digitalisierung, die 52 Prozent der Unternehmen als eine zentrale Herausforderung sehen.
»Cloud-Computing wird mittelfristig das De-facto-IT-Architektur-Modell und technologische Framework für die digitale Transformation in allen Unternehmen sein«, erläutert Zacher. »Die Trennung zwischen technologie-getriebenen IT-Services auf der einen Seite und Business- und Prozess-Services auf der anderen Seite tritt für die Fachbereiche immer stärker in den Hintergrund mit ihrer Forderung nach einfach zu konsumierenden Cloud-Services.«
Wir sind in Deutschland mitten in der Cloud-Transition
Der Reifegrad der Cloud-Implementierungen nimmt deutlich zu (Bild: IDC)Und damit kommt IDC zu dem Schluss: Eine Cloud-Transition ist auf den Weg gebracht, die Cloud-Disruption ist nun hierzulande in vollem Gange. Die Cloud-Transition basiert auf einer strukturierten Vorgehensweise zur Umsetzung von Cloud-Initiativen, die neben einer technischen Sicht auf Cloud-Services und Cloud-Technologie auch Prozesse und organisatorische Aspekte berücksichtigt.
Unternehmen, die sich heute erstmals oder vertiefend mit Cloud-Computing beschäftigen, befinden sich nach Meinung von Zacher in einer komfortablen Ausgangslage: »Sie können auf zahllose Best-Practices, Cases, Einführungs- und Nutzungsmodelle zurückgreifen.« Dieser hohe Reifegrad der allgemeinen Cloud-Diskussion spiegele sich in der Bewertung der einzelnen Prozessschritte klar wider. Besonderen Wert legen Organisationen auf die Kostenanalyse. Damit zeige sich, dass Cloud-Computing in vielen Unternehmen als Kostensenkungsfaktor gesehen wird.
Hier kommt es aber stark auf den Business-Case an, in den die Cloud-Initiative eingebettet ist. Die Firmen verstehen zudem laut IDC immer besser, dass es sehr wichtig ist, die relevanten aktuellen und künftigen Workloads einer umfassenden Bewertung zu unterziehen sowie die technischen und operativen Voraussetzungen zu überprüfen. Eigene Erfahrungen, das allgemein verfügbare Wissen über Cloud-Computing sowie veränderte Rahmenbedingungen haben zu veränderten Sichtweisen und zu Perspektivwechseln geführt.
Zunehmend geben Fachbereiche den Takt an
Fachentscheider bestimmen die Diskussion um die Nutzung von Cloud-Services immer stärker, ergab die IDC-Studie. 70 Prozent der Fachbereiche evaluieren und budgetieren Cloud-Services, entweder eigenständig oder innerhalb eines Entscheidergremiums. Cloud-Services und insbesondere Public-Cloud-Services sind aber für Fachbereiche keineswegs neu.
Aber die Zahl der Public-Cloud-Services wächst täglich an. Spezielle Geschäftsprozesse via Cloud-Services oder die Automatisierung von Prozessen und Funktionalitäten treffen die Anforderungen vieler Fachbereiche. Die zunehmende Vernetzung von Ökosystemen ist ein weiterer Treiber. 28 Prozent der Geschäftspartner setzen immer stärker auf Cloud-Services und fordern diese aktiv ein.
Cloud-Computing verändert die Jobrollen in den IT-Abteilungen
Jobrollen der IT-Architekten und Systemadministratoren dürften sich am intensivsten durch die Cloud-Transition verändern (Bild/Quelle: IDC)50 Prozent der IT-Entscheider sehen die Rollen der IT-Architekten, Systemadministratoren und der Verantwortlichen für IT-Operations im Wandel. Je mehr Cloud-Services ein Unternehmen nutzt, umso tiefgreifender werden die Veränderungen sein. Das betrifft das Fachwissen, die Prozesse und die Unternehmenskultur. IT-Systeme werden offener und schneller. »Vieles wird automatisiert«, erläutert Zacher. »Und Tätigkeiten, die sich automatisieren lassen, werden autark und damit ohne Mitarbeiter laufen.« Hybride-Clouds und Multi-Clouds stellen somit völlig neue Anforderungen an die Integration von Technologie und Prozessen. Das ist für viele IT-Organisationen Neuland.
Nach Meinung von Zacher dürften sich Anwendungsentwicklung, Testing und IT-Betrieb mit der Verbreitung effizienter Tools und Vorgehensweisen stark ändern. Dem steht aber anscheinend auch entgegen, dass in mehr als der Hälfte der Firmen geringe oder keine Kenntnisse über DevOps und Continuous-Integration vorhanden sind. »DevOps ist auch eine kulturelle Frage«, erklärt Zacher. Er empfiehlt deshalb Unternehmen, die Relevanz von DevOps zu prüfen, denn die Nutzung neuer Vorgehensweisen und Tools kann die Effizienz der Anwendungsbereitstellung stark verbessern.
Warum auch die Beziehungen zwischen IT-Anbietern und Unternehmen im Umbruch sind
Knapp drei Viertel der Befragten sind der Ansicht, dass ihr Service-Provider ihre Anforderungen an eine Cloud-Transformation voll und ganz oder überwiegend erfüllt. Allerdings ist das kein Freifahrtschein für die Service-Provider. Denn für neue Cloud-Transformationsprojekte sind 65 Prozent offen für neue Anbieter. »Klassische langfristige Lieferantenbeziehungen stehen zur Disposition«, sagt Zacher. »Allerdings gibt es – bislang – noch keine aufsehenerregende Wechsel.« Trotzdem sei dies ein neuer Aspekt, auf den sich IT-Anbieter einstellen müssen.
Mit Cloud-Services werden große Funktionsblöcke in kleinere Services gesplittet, die auch immer besser integriert bzw. über APIs verbunden werden können. »Es formieren sich gerade sehr viele kleine Spezialisten«, berichtet Zacher. Das gilt auch für die Nutzung der Services verschiedener Anbieter. IDC beobachtet, dass Transparenz und langfristige Roadmaps für unternehmenskritische Anwendungen in der Cloud wichtig sind und die Haltung vieler Unternehmen gegenüber ihren IT-Lieferanten beeinflusst.
Zahlreiche IT-Anbieter haben sich in den vergangenen Jahren schwergetan, eine klare Cloud-Roadmap zu formulieren und den Nutzen ihrer Cloud-Lösungen zu vermitteln. Diese Situation hat sich offenbar verändert. Die Unternehmen haben das inzwischen auch erkannt und sind immer häufiger bereit, Cloud-Services unterschiedlicher Anbieter in ihre IT-Landschaft zu integrieren.
Die alte Hürde Sicherheit wird kleiner
Schon vor einem Jahr sagte Zacher, dass die Sicherheitsbedenken gegenüber der Cloud in Deutschland langsam zurückgingen. Damals lag der Anteil der Befragten, die dies als sehr hohe Hürde einschätzten, bei 52 Prozent. Mittlerweile sank dieser Wert auf 47 Prozent. »Die Sicherheitsdiskussion rund um das Thema Cloud ist in Deutschland spürbar gereift, aber weiterhin vorhanden«, resümiert Zacher. Vor allem »prominente« Sicherheitsvorfälle und geopolitische Entwicklungen würden dafür sorgen. Zacher deutete an, dass die Entwicklung in den USA, nach denen der neue US-Präsident Donald Trump die IT-Sicherheitsvorschriften eher lockern will, europäischen und deutschen Cloud-Service-Providern evtl. sogar in die Hände spielen könnte.
31 Prozent der Organisationen haben übrigens Bedenken gegenüber der Verfügbarkeit der Cloud-Services. Diese Sorge ist nachvollziehbar und berührt zwei Fragestellungen. Zum einen geht es um die Verfügbarkeit in den Cloud-Rechenzentren selbst, und zum anderen für die Unternehmen, die öffentliche Netze benutzen, um Highspeed-Datenverbindungen – also schnelles Internet. Die ständige Verfügbarkeit von Cloud-Services ist essentiell für Unternehmen aller Branchen. Vor allem der Mittelstand leidet in vielen Gebieten Deutschlands unter einer mangelnden Netzverfügbarkeit. Das ist ein echter Wettbewerbsnachteil.
Fazit: Fachbereiche nehmen Cloud-Computing einfach in Anspruch – egal, was die IT-Abteilung sagt
Die Sicht der Unternehmen in Deutschland auf Cloud-Computing hat sich in den vergangenen zwölf Monaten stark gewandelt. Die Fachbereiche nehmen immer stärker Einfluss auf die Beschaffung und Budgetierung von Cloud-Services. Sie haben erkannt, dass moderne Informationstechnologie und damit im Wesentlichen Cloud-Services eine Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Unternehmen sind. »Erfolgreiche Business-Cases verbreiten sich schnell in den Unternehmen und wecken das Interesse anderer Fachbereiche«, berichtet Zacher über seine Beratungserfahrungen.
Daraus resultiert, dass die IT-Abteilungen immer umfassenderer zum Cloud-Enabler werden müssen, indem sie Cloud-Architekturen plant, Cloud-Technologie einführt und Cloud-Services integriert. Die Veränderung der Prozesse und der damit verbundene Wandel von Rollen und Kultur haben die Unternehmen erfasst, und weitreichende Änderungen sind bereits sichtbar.
Die Studienergebnisse zeigen ziemlich klar, dass sich die meisten Unternehmen inmitten der Umbruchprozesse hin zu Cloud-Computing als dominierendes Nutzungsmodell für IT-Ressourcen befinden. Auch die Anbieterlandschaft muss sich auf diesen Wandel einstellen. Dabei reicht es längst nicht mehr aus, Cloud-Technologie und Cloud-Services anzubieten. Das veränderte Bezugsverhalten der Unternehmen zwingt sie zu neuen Vertriebs- und Vermarktungswegen.
Cloud-Computing ist somit nicht nur ein Schlüsselelement der digitalen Transformation von Unternehmen. Es ist noch viel mehr: Cloud-Computing avanciert zur Disruption der IT, sowohl bei den IT-Herstellern als auch in den Firmen und Organisationen.
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