Jammern ist gerade irgendwie in Mode. Der Virus, der Markt, die Geschäfte – natürlich ist es aktuell schwierig. Für die Kunden gestaltet sich vieles aber positiv, braucht es doch weniger Manpower, um Produkte und Lösungen in Betrieb zu nehmen. Das macht sich im Geldbeutel bemerkbar. IT-Anbieter müssen künftig nicht nur in Studien in die Zukunft schauen, sondern sich generell schneller anpassen und auf neue Gegebenheiten reagieren.
Kolumne Doc Storage:
Liebe Leser,
man kann lesen, schauen und hören wohin man will, aus unserer Branche gesellt sich immer mehr Geheule, zu den durch den Virus schon alltäglich gewordenen Jammereien der Privatleute (notwendigen und nicht zu diskutierenden Maßnahmen wie Abstandhalten, Masken usw.). War man es über Jahre, ach was, Jahrzehnte gewohnt, dem Kunden so effizient wie möglich die Geldkatze zu melken, sitzen viele Hersteller, Vertriebs- oder Systemhäuser, »Analysten« und »Berater« wie das Häschen vor der bösen Schlange und heulen sich artikelweise die Augen aus. Wie schön war es doch, vom Geld der Kunden »Kick-Offs« in Las Vegas oder an fernen weißen Stränden abzuhalten. Wagen der deutschen Nobelschmieden als Dienstkarosse zu chauffieren, aber bitte nicht die kleinsten, und auch mit jedem erdenklichen Schnikkes ausgestattet. Zu den Autos passende, aber genauso teure Chronometer am Handgelenk rumzutragen, und mittags oder abends – natürlich nur aus rein dienstlichen Gründen, so viel für ein Essen im Restaurant rauszuhauen, wie manch nicht so gut gestellte Familie monatlich zum Überleben hat.
Too big to fail, gilt nicht mehr
Und jetzt? Jetzt versiegen die Quellen des schönen Lebens langsam, Kunden bemerken, dass sie auch für wesentlich weniger Marge dieselben Leistungen bekommen. Die einstmals großen Superschlachtschiffe der Branche gehen unter der Last der vieltausendköpfigen Besatzung langsam unter. »Too big to fail« gilt nicht mehr, wenn die einstmals so umgarnten Kunden die Heerscharen der Vertriebs- und Technikmannschaften nicht mehr im Hause haben wollen, oder eben selbst nicht mehr im Hause sind.
Nicht nur Corona verändert den Markt
Und was tun die erwähnten Unternehmen, die nunmehr über ein halbes Jahr Zeit hatten, ihre Geschäftsmodelle anzupassen, ihre Produkte den neuen Gegebenheiten gemäß auszurichten und sich wenigstens etwas bescheidener bei den verlangten Preisen zu geben? Neineinein, nichts von alledem. Man jammert lieber rum, wie schlecht es der Branche »im Allgemeinen« ja ginge, dass ja die Kunden schuld wären, da sie alle einen Igel im Portemonnaie hätten, und starren gebannt auf die Corona-Zahlen, in der bangen Hoffnung, es könne ja nochmal so werden wie früher.
Nein, Herrschaften, wird es nicht. Nie wieder. Deshalb hört auf zu heulen und passt Euch endlich der neuen Lage an. Märkte verschieben sich, haben sie immer. Es kein Wunder, dass beispielsweise der Absatz von HDDs mit 4 oder 8 TByte zurückgeht, wenn man Platten mit Kapazitäten von 12 bis 18 TByte verkauft. Hinzukommen natürlich neue Technologien wie in diesem Beispiel Flash & Co. Dafür braucht es eigentlich auch keine Umfragen, das sind im Ende nur logische Konsequenzen der eigenen Innovationsfähigkeit.
Die USA sind EDV-technisch kein Vorbild
Und noch ein Aspekt: Wir mögen die schon fast gebetsmühlenartigen Wiederholungen weder hören noch lesen, dass die Cloud, in welcher Form auch immer, jetzt aber nun wirklich vor dem Durchbruch und dem Mainstream steht. Nein, tut sie nicht. Gewöhnt Euch dran! Genauso wie keiner mehr lesen mag, dass (warum eigentlich immer die deutschen???) Unternehmen technisch hinterherhinken, und in anderen Ländern (angeführt wird immer wieder das Land, das noch nicht einmal in der Lage ist, Corona als Bedrohung zu akzeptieren) alles so viel besser und fortschrittlicher liefe. Nein, tut es nicht. Ich habe lange genug da drüben gearbeitet und kann sagen, dass es keine rückständigere, risikobehaftetere und vor allem amateurhaftere EDV gibt als da drüben. Von denen können wir uns rein gar nichts abschauen, und vor allem kann uns von da drüben niemand sagen, wie man irgendetwas besser machen könnte oder sollte.
Kunden fordern einfacheren Zugriff auf Produkte und Lösungen
Alle Hersteller sollten sich weniger auf das Bejammern des vergangenen als vielmehr auf die Ausrichtung auf die Zukunft konzentrieren. Es wird nie wieder wie vorher, dies gilt es zu akzeptiert. Niemand will mehr Regimenter an Technikern im Hause haben, um irgendeine Hardware zu installieren oder eine Software so einzurichten, dass man diese auch gebrauchen kann. Man muss Hardware ordern und nach Lieferung selbst installieren können. Software muss sich ohne weiteres Getue herunterladen, elektronisch bezahlen und installieren lassen, ohne wochenlang auf die Hilfe eines Mitarbeiters des Herstellers angewiesen zu sein. Und ja, dies bedeutet den Wegfall der Geschäftsmodelle vieler Firmen, die bisher wohlig im Tross hinter den großen Herstellern hergezuckelt sind und deren Brosamen zusammengesucht haben. Keine Beratung, keine Installations- oder Konfigurations-Dienstleistungen mehr. Das muss in Zukunft alles von allein gehen, sonst kauft das Zeug niemand mehr.
Ich weiß, wir haben in den letzten drei Jahrzehnten mehr als gut gelebt von den beschriebenen Prinzipien. Hohe Boni, tolle Reisen, große Autos und sonst ein sehr hochherrschaftliches Leben, alles vom Geld der Kunden und eigentlich schon länger unnötig für den Betrieb der DV der Kunden. Aber das ist vorbei, und wenn es denn noch eines einzigen Auslösers bedurft hätte, haben wir diesen vor mehr als einem halben Jahr mit dem Dampfhammer bekommen. Richtet Euch neu aus, erfindet vielleicht sogar neue Dinge. Schaut nicht nur in Euren Studien in die Zukunft. Zur Not, richtet Euer Geschäftsmodell neu aus, nach den Bedürfnissen der Kunden und des Marktes.
Ansonsten schlagt im Geschichtsbuch nach, was im ausgehenden Erdmittelalter mit den Kolossen passiert ist, die sich nicht anpassen wollten oder konnten. Die graben wir heute als versteinerte Hinterlassenschaften aus, mehr nicht.
Im kommenden Beitrag werden wir dann wieder konstruktiv…
Gruß
Doc Storage
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