»Jobsuche in der IT über 40 – vergesst es…«

IT-Fachkräfte und DV-Leiter sind gesucht. Egal, mit wem man spricht, es gibt kaum eine andere Meinung. Die Praxis zeigt aber etwas anderes: Vor allem Jobsuchende über 40 haben es schwer, vor allem mit Berufserfahrung und einem damit verbundenen Gehaltswunsch. Zudem ist ein Generationskonflikt beim Vorstellungsgespräch scheinbar an der Tagesordnung. Doc Storage hat es am eigenen Leib erfahren…

Kolumne Doc Storage:

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Vor einigen Wochen unterhielt ich mich auf einer Veranstaltung mit einem ehemaligen Kollegen über seine Anstrengungen, nach einem Umzug eine neue Anstellung im angeblich ach so leeren IT-Arbeitsmarkt zu bekommen. Er ist ungefähr im gleichen Alter wie ich, hat mit kleinen Offsets dieselben Stufen auf der Karriereleiter hinter, sich wie ich auch. Zu meinem Erstaunen beschrieb er, wie schwierig es doch offensichtlich ist, trotz guter Ausbildung, erheblicher Qualifikationen und über 30 Jahren Berufserfahrung einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Da ich mir das kaum vorstellen konnte, habe ich mich zu einem Experiment entschlossen und wollte mir die Situation auf dem vorgeblichen »Arbeitnehmermarkt« ansehen.

Ich schrieb einen Lebenslauf, nicht fancy, nur zwei Seiten, listete dort meine Ausbildungen, meine beruflichen Positionen und noch einige andere Angaben auf, versah das Ganze mit einem seriösen Bild (sogar mit Krawatte!) und legte los.

Wo schaut man nach, wenn man sich im Leben noch nie beworben hat? Nun ja, bei den Unternehmen, bei denen ich bisher gearbeitet hatte, herrscht seit einiger Zeit ziemliche Flaute, aufgekauft oder zusammengestutzt, so dass eine Nachfrage dort sowieso keinen Wert gehabt hätte. Ich loggte mich also bei den üblichen sozialen Plattformen ein, suchte mir ein paar Dutzend ehemalige Kollegen zusammen, die nun bei neuen Firmen arbeiteten, und schrieb einen kurzen Brief, in dem ich meine Absicht zur Neuorientierung kundtat.

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Meine erste Erfahrung: Es gibt drei Gruppen, in die sich ehemalige Kollegen einteilen lassen. Erstens diejenigen, die freundlich zurückschreiben, sie würden sich »natürlich« im eigenen Umfeld umhören und sich dann melden. Zweitens diejenigen die sofort antworten, es gäbe nichts. Und drittens diejenigen, die »Toter Ex-Kollege« spielen, sprich sich nicht melden.

Um es kurz zu machen, von keinem der drei Gruppen kam etwas zurück. Nicht, dass ich mir wirklich große Hoffnungen gemacht hätte, aber enttäuscht ist man dann schon. Eigentlich sogar sehr… Vor allem auch, weil ich im Nachhinein bei einigen der zweiten Gruppe herausgefunden habe, dass es durchaus freie Positionen gegeben hätte. Aber egal – ich kenne jetzt keinen von denen mehr.

Bewerbungen werden nicht mit Priorität behandelt

Okay, die ersten ernüchternden Erfahrungen waren eingeholt. Dann eben Plan B – bewerbe ich mich mit dem Lebenslauf, eben mehr oder weniger anonym, bei Unternehmen, die freie Jobs in den sozialen Medien anbieten. Bei manchen ist es einfach, dort ist eine Telefonnummer oder noch besser eine E-Mail-Adresse angegeben, an welche man seine Unterlagen schicken kann. Ich habe dies abgezählt elf Mal getan. Alle anderen Firmen oder Personalberater nötigen einen zur Eingabe seiner Daten über mehr oder weniger strukturierte Web-Portale, inklusive der Möglichkeit, seinen Lebenslauf und vielleicht noch ein Bild hochzuladen. Das ist dann meist gefolgt vom Eintrudeln einer »wir haben Ihre Unterlagen erhalten und melden uns nach Prüfung baldmöglichst bei Ihnen«.

Die Prüfung muss schon sehr gründlich sein, dachte ich in den ersten Wochen, es dauerte allen Ernstes 20 Tage, bis sich die erste Firma bei mir zurückmeldete. Es ging um die Stelle eines DV-Leiters, und man schrieb mir zurück, dass man »nach ausgiebiger Prüfung der Unterlagen« beschlossen hätte, dass ich nicht der richtige für den Posten sei. Ich saß zuhause und konnte nicht anders als mich ebenso ausgiebig totzulachen. Ich bin ja wirklich nicht arrogant, aber wenn ich nach über 30 Jahren, als Informatiker und mit einigen Jahren Erfahrung als DV-Leiter, der von Windows über Unix bis zOS mit allem gearbeitet hat, was da draußen läuft, nicht der richtige bin, dann sollte man mir doch einmal zeigen, wer es denn sonst sein soll.

Einige Personaler, der Stimme nach hätten alle meine Söhne sein können, ließen sich sogar dazu herab, mich persönlich anzurufen. Die Gespräche liefen durch die Bank alle positiv, meist bis zu dem Punkt, wo das gewünschte Gehalt abgefragt wurde. Was haben die sich vorgestellt? Dass ein Mensch mit meinen Erfahrungen und meiner Ausbildung einen solchen Job für unter 80k Euro im Jahr macht? Offensichtlich. Ich muss nicht weiter ausführen, dass sich kein einziger von denen jemals wieder gemeldet hat, obwohl mir das von jedem zugesagt wurde.

Anforderung an DV-Leiter: sehr erfahren, jung, billig, stromlinienförmig

Der Höhepunkt war allerdings die Einladung zu einem persönlichen Gespräch bei einem Unternehmen hier in der nächstgrößeren Stadt. Ein Werkzeughersteller suchte einen Nachfolger für den in Kürze ausscheidenden DV-Leiter. Ich fuhr hin, immerhin 80 km, schön in einen Anzug geschmissen, wieder sogar mit Krawatte. Mir gegenüber saßen der DV-Leiter, seine Sekretärin, ein Mitarbeiter aus der DV, höchstens 30 Jahre jung, und jemand, der es nicht nötig zu haben schien sich vorzustellen, aber im selben Alter. Hinterher sollte sich rausstellen, dass das allen Ernstes der Personalleiter des Unternehmens war.

Man versicherte mir, dass der Lebenslauf genau das widerspiegeln würde, was man sich als Nachfolger gewünscht hätte. Dann begann der Jüngling aus der DV, mir mehr oder weniger gewitzte Fragen aus der technischen Ebene des Windows- und Linux-Betriebes zu stellen. Jede Antwort musste ich, guten Gewissens, mit einem meiner berühmten »die Antwort ist hier nicht so einfach« einleiten, ab der zweiten Antwort mit einem tiefen Atmen und einer entsprechenden Bewegung der Augenbrauen meiner Gegenüber begleitet.

Ich dachte mir, dass die entweder selbst noch nie im 24×7-Betrieb gearbeitet hatten oder eben jemanden suchten, der auf alle Probleme eine schnelle und einfache Antwort, also ein neues Problem, geben würde. Was soll ich sagen, nach einigen Tagen informierte mich die Sekretärin (!) am Telefon, dass man sich für einen internen Bewerber entschieden hätte. Ein weiteres Treffen mit einem anderen Unternehmen in derselben Stadt verlief ähnlich.

Jobsuche in der IT, nur wenn es nicht anders geht

Danach brach ich das Experiment ab und fasste meine Schlüsse zusammen:

1. Ehemalige Kollegen sind nicht die beste Ressource, wenn man einen neuen Arbeitsplatz sucht. Man sollte diese lieber vergessen, und ich meine so vergessen, wie man einen Verblichenen vergisst. Das tun die nämlich mit einem auch.

2. Jahrzehntelange Erfahrungen, Weiterbildungen und andere Qualifikationsmaßnahmen zählen in diesem Markt nur, wenn es solche sind, die ein Personaler, der Dein Sohn sein könnte, gerade einmal versteht. Alles, was über ISO9000, Six Sigma und den ganzen anderen unnötigen modernistischen Mumpitz hinausgeht, zählt nichts. Überhaupt nichts.

3. Die nachgekommenen Generationen in den Unternehmen, und ich meine diejenigen, die sich mit 30 bis 35 auf einen Manager- oder Direktorenposten »hochgearbeitet« haben, und die danach kommenden 25 bis 30jährigen »Ameisen«, sind leider Gottes das Arroganteste, was wir in dieser Branche je gehabt haben. Erfahrung zählt nichts, Anstand noch weniger. Wenn wir vor 20 Jahren unsere Bewerber so behandelt hätten, hätte uns unser Chef achtkantig gefeuert. Und mit was? Mit Recht!

Wenn Sie also über 40 sind und glauben was geleistet zu haben, das die nachfolgenden Herrschaften doch anerkennen müssten – vergessen Sie es!

Bleiben Sie um Gottes Willen dort, wo Sie gerade sind, und streben Sie von da auf die Rente zu. Sie haben in Ihren jüngeren Kollegen, in den schnodderigen Personalern und selbstverliebten Managern da draußen keine Unterstützer. Die suchen nur unter 30jährige Ameisen, die sie nach ihrem Willen formen und nicht für ihre Leistungen bezahlen müssen. Und streichen Sie alle ehemaligen Kollegen aus Ihrem Adressbuch. Ich hab’s auch getan. Schönes Restleben noch!

Gruß
Doc Storage

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