Mit ChatGPT hat die künstliche Intelligenz ein Gesicht bekommen. Doch was ist dran am neuen Hype, der es sogar in alle Nachrichtensendungen gebracht hat? Unser Doc Storage hat – erwartungsgemäß – eine eigene Meinung und spricht aus, was sich viele ITler denken, »das kennen wir doch!«.
Kommentar Doc Storage:
Man kann in den letzten Wochen kaum irgendeine Fachseite oder Fachzeitschrift aufschlagen, ohne dass einem bereits auf den ersten Seiten sie neueste Sau der DV über die Füße getrieben wird: ChatGPT. Ach, was sage ich, selbst Wissenschafts- und Finanzseiten sind wie besoffen von diesem angeblichen Thema, das unser alle Zukunft entscheiden wird. Meine Reaktion darauf ist immer dieselbe: entweder Seite zu machen oder das Heft ganz schnell weglegen. Man macht aus Verzweiflung das Fernsehen an, und zack, da ist es wieder, das Wunderkind des Jahres. Du lieber Himmel, was wird hier – man verzeihe mir meine Wortwahl – ein Geschiss um diesen angeblich neuen Wein gemacht, der, wenn man genau hinschaut, in jahrzehntealten Schläuchen daherkommt.
Es soll sich hier um ein »bahnbrechendes Sprachmodell« handeln, welches eine völlig neue Kommunikation von Mensch und Maschine einläutet. Es soll für alle Formen und Inhalte des Informationsaustausches taugen, und hat sich (angeblich) als äußerst effektiv erwiesen. Wie der Name »Chat« schon sagt, soll der Benutzer über eine Texteingabe mit dem System kommunizieren, und dieses soll aus der Kommunikation lernen. Erstaunlich haben wir als Menschen doch in jahrhundertelanger Forschung noch nicht ansatzweise herausbekommen, wie dieses Lernen beim Menschen funktioniert. Und jetzt wollen die Herrschaften das einer Maschine beigebracht haben.
Schaut man genauer hin, tut ein solches System allerdings nichts anderes, als weiland beispielsweise ehemalige Minister oder andere Menschen, die sich für ihre akademischen Würden einfach bei anderen bedient haben: schlicht und einfach bei anderen abschreiben. Bei Menschen, die bestimmte Informationen vorher mühsam und auf klassische Weise zusammengetragen, formuliert und gespeichert haben. Aus vielen, sehr vielen solcher Quellen wurde einfach eine riesige Datenbank gebastelt, aus welcher sich dann dieses angeblich neue System nach Belieben bedient. Da die meisten dieser Texte sehr versiert verfasst wurden, ist es diesem System natürlich ein leichtes, seine Antworten auf die meisten Fragen ebenso versiert wieder auszuspucken. Da die meisten Nutzer kaum einen dieser Quelltexte kennen, weil sie sich die Mühe klassischer Recherche natürlich erspart haben, halten sie die altklugen Antworten des veredelten Parsers ebenso natürlich für das Ergebnis einer an ein Wunder grenzenden flammneuen Technologie.
Ebenso für ein Ergebnis dieser flammneuen Technologie halten die meisten begeisterten Betrachter auch den Stil, in welchem die Benutzerschnittstelle mit ihnen Informationen austauscht. Sie merkt sich bisherige Fragen (was für eine Neuigkeit!) und bezieht diese in die weitere Kommunikation mit ein. Da versuchen wir uns doch mal zu erinnern… Was hat das vom Kollegen Weizenbaum Mitte der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts (!!) entwickelte Programm Eliza getan? Na,… was? Genau das! Und nicht auf einem riesig verteilten System wie neuerdings, sondern auf einem Time-Sharing-OS einer IBM-Mittelklasse.
Und jetzt stellen sich Experten und andere Kommentatoren hin und äußern allen Ernstes, diese neue zugegeben sehr ausgeklügelte Datenbankabfrage eigne sich hervorragend als Ideengeber, Inspirationsquelle und was weiß ich nicht noch alles hochgestelltes. Selbst die Entwickler geben zu, dass man die Antworten immer noch einmal überprüfen sollte. Und dass die meisten Antworte als Plagiate anderen geistigen Eigentums angesehen werden müssten. Und – natürlich – dass die Antworten Fehler enthalten könnten. Selbstverständlich, nämlich genau die Fehler, die in den plagiierten Texten bereits vorhanden waren.
Also, liebe Technologiefans, Analysten, Experten und Investoren: lasst diese Sau ganz schnell durchs Dorf laufen, und seid froh, wenn man sie nur noch von hinten sieht. Künstliche Intelligenz (KI), wenn man irgendwann mal überhaupt von einer solchen sprechen können wird, hat nichts mit dem Sammeln von Texten (nicht Informationen!) über das Internet zu tun, nichts mit der plagiatsgefährlichen Zusammenstellung von Ergebnissen hieraus.
Künstliche Intelligenz ist im Ende nicht nur der Umgang mit Daten auf eine möglichst geschickte und täuschend menschenähnliche Art, sondern zunächst das Erschaffen einer eigenen, technischen Persönlichkeit. Und dann, erst dann, das Ermöglichen von Ausbildung dieser Persönlichkeit. Alles andere ist nichts anderes, wie auch hier, als ein toller und gehypter Datenbankhumunkulus.
Der Kollege Weizenbaum wusste, warum er an sich einem Zeitpunkt in den 70er Jahren geweigert hat, am Erschaffen einer solchen Persönlichkeit weiterzuarbeiten. Vielleicht sollten wir es dabei belassen.
Gruß
Doc Storage