Synchronsprecher: Sorge vor den Fortschritten der KI

KI-Mikrofon

Wenn mehr als 200 so unterschiedliche Stars wie Billie Eilish, Stevie Wonder, Katy Perry und Jon Bon Jovi gemeinsam einen Brandbrief verfassen, lässt sich wohl mit Sicherheit sagen: Hier geht es um ein großes Problem.

Es ist die Sorge vor den Fortschritten der Künstlichen Intelligenz, welche weltweit viele Menschen umtreibt, die von ihrer Stimme leben. Das täuschend echte Klonen von Stimmen gilt als nächster großer Schritt, der ansteht.

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Das betrifft nicht nur Musiker, auch Schauspieler und Sprecher. Denn im Synchronbereich werden menschliche Akteure immer mehr ersetzt. «Dieser Bereich bereitet uns sehr, sehr große Sorgen», sagt TV-Star Heinrich Schafmeister («Wilsberg») der dpa. Zurzeit sitzt er als Bevollmächtigter der Schauspieler-Gewerkschaft BFFS in Tarifverhandlungen mit der Deutschen Produzentenallianz an einem Tisch, damit menschliche Akteure in Film und Fernsehen nicht auf breiter Front durch Stimm-Klone aus dem Rechner verdrängt werden. 

Die ganze Branche redet über das Thema. Wenn an diesem Montag (8. April) die weltgrößte Messe für Fernsehen und Streaming, die MIPTV im französischen Cannes, beginnt, haben es Tausende von Medienmanagern ganz weit oben auf der Agenda: Wie wird Künstliche Intelligenz die Branche verändern? Schon jetzt sind die Auswirkungen überall zu sehen – und zu hören. Auf der MIPTV sind KI-Anbieter inzwischen regelmäßig vertreten. 

Das Amsterdamer Start-up Dubformer etwa hat gerade einen Videosynchronisationsdienst gestartet: in mehr als 70 Sprachen und Sprachvarianten sowie mit über 1000 Stimmen. Das KI-System wird unter anderem von der Motorvision Group eingesetzt, die Automobilinhalte auf verschiedenen TV-Kanälen ausstrahlt. Schon jetzt spart das Medienunternehmen mit Computergenerierten «Voice-overs» oder Untertitelungen 17 Prozent der Kosten ein. 

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Experten in diesem Bereich sind auch bei dem Unternehmen Respeecher im Einsatz. Die vielfach preisgekrönte ukrainische Firma hat erst kürzlich das charakteristische Kreischen des 2005 gestorbenen Sprechers Hans Clarin für die «Pumuckl»-Neuauflage auf RTL aus der Retorte neu erschaffen und viele Zuschauer verblüfft. Das israelische Start-up Deepdub wiederum will die Originalstimmen bekannter Stars in beliebig viele Sprachen transferieren. 

Davor hat Charles Rettinghaus, einer der erfolgreichsten deutschen Synchronsprecher, aktuell keine Angst. «Auf dem Niveau, auf dem meine Kollegen und ich arbeiten – das bekommt noch keine KI hin», sagt der Schauspieler, der unter anderem Hollywoodstars wie Jamie Foxx und Jean-Claude van Damme seine deutsche Stimme verleiht, im dpa-Interview. 

Aber auch Rettinghaus ist überzeugt, dass Synchronisationen aus dem Computer künftig leider drastisch besser werden. Alle anderthalb Jahre verdoppelt sich die Rechenleistung der Prozessoren. Dass Maschinen aber bald preiswerter sein werden als Menschen, das glaubt der 63-Jährige nicht: «Die Kollegen in Hollywood werden die Verwertung ihrer Stimme sicher nicht für ein paar Euro abgeben. Bei den Summen, um die es da geht, wird es sicher nicht um die Beträge gehen, die wir hier bekommen. Und je mehr Stars in einem Film mitwirken, umso mehr erhöht sich diese Summe. Dann sind das noch mal ein paar Millionen extra. Eine gute menschliche Synchro für einen Blockbuster gibt es für 80 000 bis 100 000 Euro.» 

Dass Stimmen regelrecht «gestohlen» werden, kommt allerdings immer öfter vor. Auf obskuren Plattformen werden sie gegen Geld angeboten, das hat nicht nur Schauspieler Schafmeister beobachtet. «Ich kann meine Stimme leider noch nicht patentieren lassen», ärgert sich Rettinghaus ebenfalls. Er fordert eine angemessene Vergütung: «Seit Jahren unterschreiben wir Verträge, dass wir die Rechte an unserer Stimme für alles abgeben müssen.» Unter anderem der Streit darüber hatte im vorigen Jahr Hollywood monatelang lahmgelegt. Das bekamen dann auch die Sprecherinnen und Sprecher hierzulande zu spüren: Sie hatten zeitweise kaum noch Arbeit, weil keine US-Serien oder -Filme produziert wurden. 

Mit Blick auf den Nachwuchs in seiner Zunft wird der Synchronsprecher nachdenklich: «Sie tun mir leid. Vielleicht sind wir die letzte Generation in dieser Profession. Aber vielleicht bekommen wir zumindest dadurch noch mal einen ganz anderen Stellenwert.»

dpa

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