Bevor bei Urheberrechtsverletzungen Netzsperren verlangt werden können, müssen zunächst alle anderen Mittel ausgeschöpft werden.
Das machte der Bundesgerichtshof (BGH) am Donnerstag bei der mündlichen Verhandlung über eine Klage von Wissenschaftsverlagen gegen die Telekom deutlich (Az. I ZR 111/21). «Eine Sperrung ist das letzte Mittel», betonte der Vorsitzende Richter Thomas Koch. Es bestehe dabei die Gefahr, dass auch der Zugang zu legalen Inhalten gesperrt würde. Ein Urteil verkündet der BGH nicht mehr am Donnerstag.
Die Verlage aus Deutschland, den USA und Großbritannien beanspruchen eine Sperre von Internetseiten der Dienste «LibGen» und «Sci-Hub», weil dort Artikel und Bücher ohne Zustimmung der Rechteinhaber veröffentlicht wurden. Das Oberlandesgericht München hat die Klage abgewiesen: Die Verlage hätten sich demnach zunächst an den in Schweden ansässigen Host-Provider der beiden Internetdienste wenden müssen. Host-Provider sind Internetanbieter, die ihre Server für die Inhalte anderer Nutzer bereitstellen.
Kernfrage ist für den BGH: War es den Verlagen zuzumuten, zunächst den Host-Provider in Schweden in Anspruch zunehmen? Nach Angaben des Vorsitzenden BGH-Richters Koch wäre etwa eine Einstweilige Anordnung gegen den Host-Betreiber möglich gewesen, um Namen und Anschriften der Betreiber zu ermitteln.
dpa