Der Handyempfang auf Deutschlands Autobahnen und Bundesstraßen soll sich in den kommenden Jahren verbessern. Die Bundesnetzagentur stellte am Mittwoch einen Regelungsvorschlag vor, dem zufolge die Netzbetreiber etwas härter an die Kandare genommen werden sollen, damit sie die Reichweite ihres Antennennetzes erweitern. Im Gegenzug für die leicht verschärften Ausbaupflichten will die Bonner Behörde im kommenden Jahr auf eine milliardenschwere Frequenzauktion verzichten und die jetzige Nutzung bestimmter Frequenzen um fünf Jahre verlängern.
Die letzte Versteigerung hatte 2019 rund 6,6 Milliarden Euro ins Staatssäckel gebracht. Nun sollen die Firmen nur niedrige Gebühren zahlen. Grund für den Verlängerungsvorschlag ist, dass das zur Verfügung stehende Spektrum vermutlich nicht für vier gute Netze ausgereicht hätte. Bisher werden die Frequenzen von drei Betreibern genutzt. An einer Auktion über die Nutzung ab 2026 würde aber auch der Neueinsteiger 1&1 teilnehmen. Durch die Verlängerung bekommt 1&1 zwar kein eigenes Extra-Spektrum. Da die Firma aber das Vodafone-Netz mitnutzen darf, ist das aus Behördensicht nicht allzu problematisch.
Laut Ausbaupflichten aus der Auktion von 2019 müssen die Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica (O2) mit ihren Antennen die Autobahnen und wichtigen Bundesstraßen seit Jahresbeginn komplett mit einem Downloadspeed von 100 Megabit pro Sekunde abdecken. Tatsächlich verbesserte sich die Versorgung in den vergangenen Jahren, hierbei gab es aber einen Hasenfuß: Die verpflichtenden 100 Prozent bezogen sich auf die Branche insgesamt. Hatte ein Netzbetreiber einen Abschnitt nicht versorgt, aber ein anderer schon, dann galt die Auflage als erfüllt – obwohl die Kunden des ersten Anbieters auf ihrer Fahrt über besagte Autobahn zwischendurch kein Netz hatten.
Diese Anrechnungsfähigkeit soll laut Plänen der Netzagentur gestrichen werden – spätestens ab Januar 2029 sollen alle drei etablierten Netzbetreiber 100 Prozent der Autobahnen und Bundesstraßen abdecken.
Nach Angaben der Netzagentur erreichten die Antennen von der Telekom und von Vodafone jeweils 98,1 Prozent der Bundesstraßen im Mindestspeed von 100 Megabit pro Sekunde, Telefónica (O2) lag bei 98,8 Prozent. Bis zu 100 Prozent fehlt zwar nur wenig, allerdings sind die letzten Prozente und Zehntelprozente bekanntermaßen die schwierigsten und teuersten beim Ausbau. Für den Verbraucher sind die 100 Prozent wichtig, damit er überall gutes Netz hat.
Bei den Schienen soll es hingegen keine neue strenge Vorgabe geben. Es sei «ein Zusammenwirken von Mobilfunknetzbetreibern,
Eisenbahninfrastrukturunternehmen sowie den Betreibern der Züge» erforderlich, heißt es. Die vage Formulierung liegt daran, dass ein schlechtes Netz im Zug nicht immer auf Defizite der Netzbetreiber zurückzuführen ist, sondern auch an abschirmenden Zugfenstern und anderen Faktoren liegen kann – und dafür können Telekom & Co nichts.
In einem anderen Punkt will die Netzagentur ebenfalls die Situation von Handynutzern verbessern. In Gebieten mit weniger als 100 Einwohnern pro Quadratkilometer sollen 98 Prozent der Haushalte mit 100 Megabit pro Sekunde versorgt sein. So eine 98-Prozent-Vorschrift gibt es zwar schon, sie bezieht sich aber auf die Haushalte eines Bundeslandes insgesamt – die sehr dünn besiedelten Gegenden haben bei so einer Auflage häufig schlechte Netze, weil Antennen in kleinen Ortschaften relativ teuer sind für die Netzbetreiber und die Firmen sich beim Ausbau auf die Gegenden mit mehr Menschen konzentrieren.
Betrachtet man zum Beispiel Baden-Württemberg, so werden dort in dünn besiedelten Gebieten nur grob gesagt 90 Prozent der Haushalte von Antennen im 100-Megabit-Speed erreicht. In Rheinland-Pfalz sind es nur etwa 93 Prozent. Dort soll sich der Empfang in kleinen Ortschaften in den kommenden Jahren deutlich verbessern.
Netzagentur-Chef Klaus Müller betonte, dass die Verbesserung der Handynetz-Versorgung für alle Verbraucher ein vorrangiges Ziel seiner Behörde sei. Zugleich sorge man bei den Firmen für Planungs- und Investitionssicherheit. Der Vorschlag der Bundesnetzagentur durchläuft nun ein Konsultationsverfahren, in dem sich Marktteilnehmer zu Wort melden können. Entschieden werden soll 2024.
Die Reaktionen auf den Vorschlag fielen überwiegend positiv aus. Die alteingesessenen Netzbetreiber hatten die Verlängerung gefordert – entsprechend erleichtert reagierten sie. O2-Deutschlandchef Markus Haas sprach von einem «Richtungswechsel und Durchbruch für Mobilfunk in Deutschland». Der Neueinsteiger 1&1, der in den Plänen schlecht wegkommt, hielt sich bedeckt und teilte mit, das Papier zu prüfen.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Schätzl befürwortete den Verzicht auf eine Auktion. «Dabei wäre der Branche nur das Kapital entzogen worden, das sie doch für Investitionen in die Netze braucht.» Die Verschärfung der Ausbaupflicht an Verkehrswegen sei gut, davon würden die Verbraucherinnen und Verbraucher profitieren. «Noch immer gehören Verbindungsabbrüche zum Alltag, wenn man auf Bundesstraßen, Autobahnen oder Zugstrecken unterwegs ist – das muss aufhören.» Der Liberale Reinhard Houben merkte an, dass die Netzagentur schon jetzt klarmachen sollte, «dass sie bei einer möglichen Nicht-Einhaltung harte Sanktion in Betracht ziehen wird».
In einem anderen strittigen Punkt beim Mobilfunk blieb die Netzagentur vage: Sie ließ die Frage offen, ob es eine sogenannte Diensteanbieterverpflichtung geben wird. Hierbei würde die Position kleiner Konkurrenten der großen Netzbetreiber gestärkt.
dpa