Der Textroboter ChatGPT erinnert an die magischen Anfänge von Google vor 25 Jahren. Die KI-Technik heute kommt wie damals das Web-Know-how aus den USA. KI-Experten in Deutschland sehen darin ein Problem und fordern einen Kraftakt zur Wahrung der digitalen Souveränität.
Deutschland ist nach Einschätzung von Experten in der Lage, sich mit einem eigenen Leuchtturmprojekt im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) aus der technologischen Anhängigkeit von führenden KI-Nationen wie den USA oder China zu befreien. In einer Machbarkeitsstudie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde, bezifferte der KI-Bundesverband den finanziellen Aufwand auf 350 Millionen bis 400 Millionen Euro für die Umsetzung der KI-Initiative «LEAM» (Large European AI Models).
KI-Modelle wie GPT-3 der US-Firma OpenAI, auf den beispielsweise der Textroboter ChatGPT aufsetzt, stellen nach Ansicht des Verbandes die nächste Entwicklung in der Erfolgsgeschichte der künstlichen Intelligenz dar. «Dabei sind die aktuell populären Sprachmodelle nur der erste Schritt», sagte Jörg Bienert, der Vorstandsvorsitzende des KI-Bundesverbandes. In den kommenden Jahren würden weitaus leistungsfähigere und auf noch vielfältigere Daten trainierte Modelle den Markt weiter revolutionieren.
Die deutsche Wirtschaft habe diesen Trend erkannt und lote bereits Möglichkeiten aus, die KI-Modelle effektiv in internen Prozessen und als Produkte zu nutzen. Dabei sei sie derzeit aber weitgehend von firmeneigenen US-Modellen abhängig. «Dies stellt die Unternehmen vor große Herausforderungen in den Bereichen Datenschutz, Qualität und Zugriff auf die Modelle.» KI-Modelle, die europäischen Standards entsprechen, würden dazu beitragen, diese Herausforderungen zu bewältigen.
Eine Voraussetzung für die Entwicklung von eigenen KI-Modellen sei der Zugang zu einer leistungsfähigen KI-Supercomputinginfrastruktur. «Die ist derzeit in Deutschland in dieser Form nicht vorhanden», sagte Bienert. Der Aufbau eines geeigneten KI-Rechenzentrums in Deutschland sei hard- und softwaretechnisch machbar und werde rund 350 Millionen bis 400 Millionen Euro kosten. Dabei soll eine Kernfinanzierung durch die öffentliche Hand durch privatwirtschaftliche Investitionen ergänzt werden.
«Ein KI-Servicezentrum kann durch eine gemeinsame Initiative von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik in Deutschland erfolgreich aufgebaut und betrieben werden», zeigte sich Bienert sicher. Das Vorhaben sei aber noch nicht durch einen festen Posten im Bundesetat abgesichert.
Die Studienautoren sehen bei einer Umsetzung des LEAM-Projektes auch bessere Voraussetzungen dafür, gut ausgebildete KI-Expertinnen und -Experten von deutschen Universitäten an Deutschland zu binden. «Gut ausgebildete Talente wandern derzeit oft in die USA ab, weil hierzulande fachliche Entwicklungsmöglichkeiten fehlen.» Ein KI-Leuchtturm könne durch anspruchsvolle Projekte auf dem Stand der Technik dazu beitragen, Talente in Deutschland halten.
dpa