Man kennt es vom eigenen Computer: Das Gerät schafft nicht nur Verbindung zum Internet, es erzeugt auch eine Menge Wärme. So ist das auch bei Großrechenzentren. Ohne sie ist kein Streaming, kein Online-Shopping und keine Video-Konferenz möglich, doch die Energiebilanz fällt negativ aus. Das soll sich ändern: In Frankfurt und Umgebung gibt es besonders viele Rechenzentren, zahlreiche weitere sind im Bau. Deren Abwärme wollen die Kommunen nun zu einem tragenden Pfeiler ihrer Wärmeversorgung machen.
In Frankfurt gibt es mehrere entsprechende Vorhaben. Im Stadtteil Gallus soll ein Rechenzentrum rund 1300 Wohnungen in einem Neubaugebiet in der Nachbarschaft mitheizen. Im Stadtteil Griesheim sollen ab dem Jahr 2025 bis zu 1000 Haushalte Abwärme von drei Rechenzentren nutzen, dazu werden Häuser eigens umgerüstet. Die Räume der bekannten Disco und Konzertbühne «Batschkapp» sollen ab Mitte 2024 von einem benachbarten Rechenzentrum profitieren. In einem weiteren Projekt könnte Abwärme aus dem Frankfurter Stadtteil Sossenheim in die Nachbarstadt Eschborn fließen.
«Unser Interesse ist es, möglichst viel der bislang ungenutzt an die Umwelt abgegebenen Abwärme aus Rechenzentren zu nutzen», sagt Monika Brudler vom Klimareferat der Stadt. Die Wirtschaftlichkeit sei dabei aber eine zentrale Frage. Damit die Abwärme klimaneutral sein könne, müssten die Betreiber zudem ihre Rechenzentren mit grünem Strom füttern.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hat die Stadt aufgefordert, die Abwärme umfassend zu nutzen. Bundesweit könnten auf diese Weise angesichts der erwarteten Steigerung der Zahl der Rechenzentren bis zum Jahr 2025 rechnerisch 35 000 Wohnungen beheizt werden, heißt es vom Umweltverband. Auch das hessische Digitalministerium sieht viel Potenzial: Rechnerisch könne bis 2030 der gesamte Wärmebedarf von Privathaushalten und Bürogebäuden in Frankfurt durch Abwärme der Rechenzentren gedeckt werden. Wo Abwärme abgegeben und genutzt werden soll, müsse aber auch ein Abnehmer vorhanden sein – oft fehlten bisher geeignete Fernwärmenetze.
In Frankfurt und Umgebung befinden sich rund 70 größere Rechenzentren. Nirgendwo sonst in Deutschland ist deren Dichte so hoch. Zahlreiche weitere sind in Planung. Grund ist der Internetknoten mit dem Namen DE-CIX in Frankfurt, einer der wichtigsten weltweit, der Rechenzentren auch im Umland sprießen lässt.
Zum Beispiel in Offenbach, wo ebenfalls die Abwärme genutzt werden soll. Auf dem Gelände des kommunalen Energieversorgers EVO im Norden der Stadt wird ein Rechenzentrum entstehen, dessen Abwärme aufbereitet und ins Fernwärmenetz geleitet werden soll. Ein genauer Starttermin dafür steht noch nicht fest, die Nutzung von Abwärme ist den Angaben zufolge auch bei weiteren Rechenzentren geplant. Zusammen mit Holzpellets aus dem Spessart und Wärme aus der Abfall- und Klärschlammverbrennung seien Rechenzentren einer von drei Pfeilern der künftigen Wärmeversorgung, sagt ein EVO-Sprecher.
In Hanau soll im Stadtteil Großauheim ein Großrechenzentrum entstehen, dessen Stromverbrauch dem Doppelten des Jahresverbrauchs der gesamten Stadt entsprechen wird. Eigentümer und Betreiber Data4 investiert etwa eine Milliarde Euro. Das Unternehmen hat angekündigt, dass die Anlage zu 100 Prozent mit Ökostrom betrieben werden und die Abwärme für die Bürgerinnen und Bürger nutzbar gemacht werden soll, wenn das Rechenzentrum 2024 oder 2025 in den Betrieb geht.
«In Hanau haben wir den Vorteil, dass das Fernwärmenetz praktisch schon genau da vorhanden ist, wo das Rechenzentrum entsteht», erklärt Matthias Fernitz, Bereichsleiter Wärmeversorgung der Stadtwerke. Der Standort liegt nur wenige Hundert Meter vom Kraftwerk Staudinger im benachbarten Großkrotzenburg entfernt, von dem Hanau bisher den Großteil der Fernwärme bekommt. Das Kraftwerk wird in Zukunft wegen des Ausstiegs aus der Kohleenergie nicht mehr zur Verfügung stehen. «Eine derart günstige Konstellation gibt es nicht so oft. Wir müssen quasi nur unterirdisch ein Rohr hinüber zum Kraftwerksgelände verlegen und haben das Großrechenzentrum an unser Fernwärmenetz angeschlossen», sagt Fernitz.
dpa