Mehr als 100.000 IT-Fachkräfte haben in den letzten Monaten Russland und Belarus verlassen, viele weitere könnten folgen. In der Digitalwirtschaft besteht eine große Offenheit, diese IT-Expertinnen und -Experten einzustellen.
So sagen in einer Blitzumfrage des Bitkom 84 Prozent der Unternehmen, sie seien grundsätzlich dazu bereit, wenn die IT-Profis die gesuchte Qualifikation mitbringen und vorab eine behördliche Sicherheitsüberprüfung bestanden haben. 41 Prozent dieser Unternehmen würden die IT-Fachkräfte auch dann einstellen, wenn sie kein Deutsch sprechen. Bei 42 Prozent hängt die Anforderung an die Sprachkenntnisse vom jeweiligen Einsatzbereich ab. 17 Prozent der Unternehmen würden IT-Fachkräfte aus Russland oder Belarus nur einstellen, wenn sie die deutsche Sprache beherrschen. An der Umfrage haben sich 139 Unternehmen beteiligt, sie ist nicht repräsentativ, liefert aber belastbare Trendaussagen.
Die teilnehmenden Unternehmen haben im Durchschnitt 87 freie Stellen für IT-Expertinnen und -Experten. Bitkom geht davon aus, dass der gesamtwirtschaftliche Bedarf an IT-Fachkräften mittlerweile wieder über 100.000 liegt. Anfang 2022 war die Zahl freier Stellen für IT-Fachkräfte branchenübergreifend bereits auf 96.000 gestiegen. „Der IT-Fachkräftemangel betrifft nicht nur die Digitalwirtschaft – er betrifft alle Branchen und zudem Staat und Verwaltung, Schulen und Wissenschaft. Es wäre für alle Seiten ein Gewinn, wenn wir das exzellente IT-Know-how aus Russland und Belarus abziehen und es schaffen, möglichst viele IT-Profis nach Deutschland zu holen“, sagt Bitkom-Präsident Achim Berg.
Bitkom schlägt in diesem Zusammenhang das Sofortprogramm #greencard22 vor, mit dem russische und belarussische IT-Expertinnen und -Experten schnell und unbürokratisch angeworben und vollständig und dauerhaft in Arbeitsmarkt und Gesellschaft integriert werden könnten. „Voraussetzung für eine erfolgreiche Einwanderung müssen das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und eine behördliche Sicherheitsüberprüfung sein“, betont Berg. „Viele IT-Fachkräfte in Russland und Belarus teilen unsere freiheitlichen und pluralistischen Werte. Ihnen wollen wir eine Perspektive bieten.“
Zum Einsatz könnten IT-Fachkräfte aus Russland und Belarus in faktisch allen Kompetenzbereichen kommen. So würden die befragten Unternehmen sie insbesondere im Bereich Software-Entwicklung (81 Prozent) oder als Software-Architektinnen und -Architekten (66 Prozent) einstellen. Auch Cloud Engineers (48 Prozent), Data Scientists (46 Prozent), UX-Designerinnen und -Designer (43 Prozent) sind gesucht, ebenso IT-Anwendungsbetreuerinnen und -betreuer (42 Prozent) und KI-Profis (35 Prozent).
16 Prozent der an der Umfrage teilnehmenden Unternehmen würden jedoch keine IT-Fachkräfte aus Russland und Belarus einstellen. Ausschlaggebend sind hier insbesondere Sicherheitsbedenken, die von jedem zweiten Unternehmen genannt werden, das keine IT-Fachkräfte aus diesen Ländern einstellen würde.
Über das von Bitkom vorgeschlagene Sofortprogramm #greencard22 sollten IT-Fachkräfte aus Russland und Belarus innerhalb einer Woche eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, sofern ihnen ein Jobangebot vorliegt und sie eine behördliche Sicherheitsüberprüfung durchlaufen haben. Zudem sollen das Visa-Verfahren zur Arbeitsplatzsuche und das Berufsanerkennungsverfahren beschleunigt werden. Die Antragsverfahren sollen komplett digitalisiert und es sollen verbindliche Bearbeitungsfristen gesetzt werden.
Hinweis zur Methodik: Grundlage der Angaben ist eine nicht-repräsentative Online-Befragung des Bitkom in KW 28, an der 139 Unternehmen, vorwiegend aus der Digitalwirtschaft, teilgenommen haben.
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