Neue Gesetzentwürfe und Verordnungen der Bundesregierung werden vom 1. April an einem sogenannten Digitalcheck unterzogen, dessen Ergebnisse öffentlich einsehbar sind. Dabei wird automatisch geschaut, ob bei dem jeweiligen Vorhaben eine digitale Umsetzung mitgedacht wurde. Außerdem prüfen Experten, ob die damit verbundenen Prozesse für Verwaltungsmitarbeiter, Bürger und Unternehmen einfach zu bewältigen sind oder eher in die Kategorie Bürokratischer Fünfkampf gehören – mit den Disziplinen Ausdrucken, Ausfüllen, Absenden, Hoffen und Warten.
«Die Digitalisierung ist einer der größten Hebel für den Bürokratieabbau – Voraussetzung ist natürlich, dass man den Hebel in die richtige Richtung umlegt», sagt Malte Spitz, Mitglied des Nationalen Normenkontrollrats, der Deutschen Presse-Agentur. In der Praxis ist es bisher so, dass Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen Verfahren, die nur analog laufen oder in der digitalen Umsetzung für Überforderung sorgen, praktisch hilflos ausgeliefert sind – abgesehen von der Möglichkeit, die politisch Verantwortlichen bei der nächsten Wahl an der Urne abzustrafen.
Spitz, der dem zehnköpfigen Gremium als Berichterstatter für digitale Verwaltung angehört, will nicht zu viel versprechen. «Die nächsten 18 Monate werden zeigen, ob der politische Wille, der mit der Einführung des Digitalchecks verbunden war, auch bis nach ganz unten zu den Referenten, die an den Gesetzentwürfen mitwirken, durchsickert.»
Der Normenkontrollrat ist für den «Digitalcheck» verantwortlich. Das unabhängige Gremium prüft bereits seit Januar alle Gesetzentwürfe, Verordnungen und Formulierungshilfen, die in den Bundesministerien erarbeitet werden, auf ihre Digitaltauglichkeit. Um den Ministerien Gelegenheit zu geben, sich darauf einzustellen, wurden die Ergebnisse jedoch bisher nur intern weitergegeben. Von April an sollen sie dann Teil des Gesetzentwurfes sein.
Eine Verpflichtung der Bundesregierung, die Empfehlungen des Gremiums umzusetzen, besteht zwar nicht. Ministerien, die sich beratungsresistent zeigen, müssen allerdings damit rechnen, dass die Abgeordneten des Bundestages sowie der Bundesrat die Hinweise des Rates nutzen, um Änderungen am jeweiligen Entwurf einzufordern.
Bestandteil des «Digitalchecks» ist ein Fragenkatalog, der in dem Ministerium ausgefüllt werden muss, das die Hauptverantwortung für eine neue Regelung trägt. Da wird dann beispielsweise abgefragt, ob durch das Vorhaben eine Anpassung einer IT-Lösung erforderlich wird oder auf welchem Wege Daten, die neu erhoben werden sollen, gespeichert und gegebenenfalls weitergeleitet werden.
«Im Idealfall startet schon zu Beginn des Prozesses, wenn in einem Ministerium ein Gesetzentwurf vorbereitet wird, ein enger Austausch», sagt Anika Wiest, die sich beim Normenkontrollrat als Referentin um den «Digitalcheck» kümmert. Was bei der Erhebung und Weiterleitung von Daten beispielsweise vermieden werden sollte, ist, dass am Ende Verwaltungsbeamte dafür ständig einzelne, womöglich unverschlüsselte E-Mails versenden müssen oder Bürger Daten erneut eingeben müssen, die schon an anderer Stelle beim Staat vorliegen. Letzteres ist etwa bei der Grundsteuererklärung der Fall.
Nicht bei allen der durchschnittlich 400 Verordnungen, Gesetze und Formulierungshilfen der Bundesregierung, die pro Jahr entstehen, ist laut Normenkontrollrat allerdings ein erweiterter «Digitalcheck» notwendig. Wird beispielsweise eine Ausbildungsverordnung leicht verändert oder eine Regelung verlängert, kann es sein, dass da in puncto Digitalisierung dabei kein Handlungsbedarf entsteht.
Für die Mehrheit der Änderungen gilt das allerdings nicht. Der Direktor des European Center for Digital Competitiveness an der ESCP Business School in Berlin, Philip Meissner, sagt: «Eine Vielzahl von Gesetzen hat gezeigt, wie dringend der Digitalcheck ist: die elektronische Krankschreibung etwa, die Auszahlung der Corona-Hilfe, die komplexe und schwer verständliche Grundsteuererklärung oder das Gesetz zur Ausweitung der Anspruchsberechtigten für das Wohngeld.»
Bei all diesen Vorhaben sieht er «massive Nachteile für Bürger und Unternehmen» durch eine nicht digitale Umsetzung – «sowohl in Bezug auf den eigenen Aufwand für die Beantragung als auch bei der Bearbeitungszeit». Ein besserer digitaler Prozess hätte beim Wohngeld seiner Ansicht nach beispielsweise die Einstellung einer Vielzahl neuer Mitarbeiter überflüssig gemacht.
Als unabhängiges Beratungs- und Kontrollorgan hat der Nationale Normenkontrollrat bisher schon die Aufgabe, die Bundesregierung dabei zu unterstützen, die durch Gesetze verursachten Bürokratiekosten zu reduzieren. Er begutachtet Gesetzesvorhaben, prognostiziert die Bürokratiekosten und gibt eine Stellungnahme ab. Der Rat wird in seiner Arbeit von einem Sekretariat unterstützt, das aktuell 19 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat. Bis Ende April sollen weitere drei Stellen besetzt werden.
dpa