Den Trend zum Personal Computer hat der Computergigant IBM in den 70er Jahren fast verschlafen. Damals war der Konzern zwar der führende Anbieter von Großrechnern, doch die waren meistens so groß wie ein Kühlschrank und nicht für den privaten Gebrauch geeignet.
An diesen Verhältnissen wollten die Konzernmanager an der Ostküste der USA eigentlich auch nichts ändern. Doch die langhaarigen Technik-Nerds in Kalifornien, die sich im «Homebrew Computer Club» ihre selbstgebastelten Mikrocomputer vorführten, wirbelten die Pläne von IBM durcheinander und erzwangen vor 40 Jahren die Entwicklung des ersten IBM-PCs.
Einer dieser Homebrew-Nerds, der IBM in Verlegenheit brachte, war der geniale Tüftler Steve Wozniak. «Woz» wurde von seinem Freund Steve Jobs immer wieder ermahnt, nicht nur an seine Bastler-Freunde zu denken, sondern weit darüber hinaus. Der von Wozniak entwickelte Apple I wurde 1976 von den Anzugträgern bei IBM noch nicht einmal zur Kenntnis genommen. Das Nachfolgeprojekt Apple II dagegen schon.
«Plötzlich kauften Zehntausende von Menschen solche Computer (wie den Apple II) und sie liebten sie», erinnert sich der ehemalige IBM-Manager Jack Sams in der TV-Dokumentation «Triumph of the Nerds». «Sie waren sehr zufrieden mit ihnen.» IBM musste reagieren – und zwar möglichst schnell. Doch der damalige Konzernchef Frank Carey befürchtete, bei IBM würde es vier Jahre und dreihundert Leute brauchen, um ein Projekt auf die Beine zu stellen.
Carey beauftragte Anfang 1980 den Entwickler Bill Lowe, sich im IBM-Forschungslabor in Boca Raton (Florida) mit einem verschworenen Dutzend Entwickler an die Arbeit zu machen. Sie sollten an der berüchtigten IBM-Bürokratie vorbei einen neuartigen Personal Computer entwickeln. Lowe entschied sich für eine offene Architektur ohne vorhandene IBM-Technologie.
Doch dazu mussten die IBM-Techniker Komponenten von außen zukaufen. Bei der Suche nach einem geeigneten Chip stießen sie auf Intels Mikroprozessor 8088 und legten damit das Fundament für den Aufstieg von Intel zum weltgrößten Chip-Produzenten. Auch das Betriebssystem für den neuen PC wollten die IBM-Ingenieure nicht selbst schreiben.
Nachdem der führende Softwareentwickler Gary Kildall von Digital Research die IBM-Offerte nicht ernst nahm, ergriff der damals erst 25 Jahre alte Bill Gates die Chance seines Lebens. Dabei verfügte Microsoft 1980 gar nicht über ein geeignetes Produkt. Doch Gates und sein Partner Paul Allen erkannten sofort, welche Perspektive ihnen ein IBM-Auftrag eröffnen würde. Gates kaufte bei einem Entwickler in der Nachbarschaft für läppische 25 000 Dollar den Kern für eine Systemsoftware zusammen und lizenzierte IBM das Konglomerat als PC-DOS 1.0. Die erfahrenen IBM-Manager ließen sich von Gates sogar die Rechte an DOS abringen und sorgten so dafür, dass Microsoft sich zum globalen Softwaregiganten entwickeln konnte.
Am 12. August 1981 präsentierte IBM in New York den unter größter Geheimhaltung entwickelten IBM-PC 5150. Technikpuristen waren enttäuscht. Der Chip war für eine vernünftige Grafikdarstellung nicht leistungsstark genug. Das DOS von Microsoft wurde als schwache Softwarearchitektur kritisiert. Apple begrüßte den großen Rivalen leicht überheblich mit einer Zeitungsanzeige mit den Worten: «Willkommen, IBM. Ernsthaft.»
Doch das Kalkulationsprogramm 1-2-3 für den IBM-PC konnte komplexere Rechenmodelle ausführen als der Apple II und verdrängte die Konkurrenz aus den Büros. In den USA kostete die billigste Version des IBM PC 5150, die der Benutzer mit einem eigenen Bildschirmgerät koppeln musste, 1565 Dollar. Voll ausgestattet wurden damals 6000 Dollar fällig, das entspricht knapp 18 000 Dollar heute.
«Tatsächlich läutete die Präsentation des IBM Personal Computer am 12. August 1981 eine neue Ära der Informatik ein», sagt Andreas Stolte vom Heinz Nixdorf MuseumsForum (HNF) in Paderborn. «Die bunte Kleinrechnerszene der Siebziger und Achtziger verwandelte sich in unsere Laptop- und Smartphone-Welt mit wenigen Gerätetypen, Chipfabrikaten und Betriebssystemen.»
Basis für den durchschlagenden Markterfolg der IBM-Architektur war die Entscheidung, anderen Firmen wie Compaq, Dell oder Nixdorf den Nachbau des IBM-PCs zu gestatten. Im Nachhinein haben die IBM-Manager vielleicht bedauert, dass sie damit der Konkurrenz den Weg bereitet haben. Zehn Jahre nach dem Verkauf des ersten «PC-Clones» durch Compaq verlor IBM die Spitzenposition im Markt 1994 an das texanische Unternehmen. 2005 verkaufte IBM seine PC-Sparte samt Marktrechten an den chinesischen Konzern Lenovo, der heute Weltmarktführer ist.
Der PC-Boom fand also weitgehend ohne IBM statt. Für die Branche insgesamt ging es jahrelang nur bergauf. Dazu trugen auch bessere Bedienoberflächen wie Windows 95 bei. 1996 wurden weltweit rund 70 Millionen PCs verkauft. Die Absatzzahlen stiegen dann kontinuierlich auf über 350 Millionen PCs im Jahr 2011 an. Danach zeigte der Trend allerdings stetig nach unten. Der Tiefpunkt wurde 2018 mit einem Absatz von knapp 260 Millionen PCs erreicht. Im vergangenen Jahr sorgte die Corona-Krise dafür, dass vor allem mehr Laptops benötigt wurden und die Absatzzahl auf über 300 Millionen PCs anstieg.
Trotz der jüngsten Markterfolge steht die PC-Branche aktuell vor großen Umbrüchen. Zum einen steht in Frage, ob Intel seine führende Rolle in der PC-Welt mit seiner Chiparchitektur (x86) behaupten kann. Herausforderer ist der ewige Konkurrent Apple, der derzeit die Technikexperten mit seinem Konzept überzeugt, stromsparende Chip-Technologie aus dem Smartphone-Bereich auf den PC zu übertragen. Die Apple-Leute können derzeit gar nicht so schnell produzieren, wie ihnen die Macs mit dem neuen M1-Chip aus den Händen gerissen werden.
Auf der anderen Seite fordert Google den traditionellen PC mit seinen Chromebooks heraus. Mit den preiswerten Laptops wird der komplexe Personal Computer auf die Funktion eines Webbrowsers reduziert, weil ohnehin alles in der Internet-Cloud gespeichert und verarbeitet wird. Insbesondere in des USA erleben die Chromebooks starken Zulauf, vor allem an den Schulen und Universitäten. Auf das Konzept des Cloud-Computers springt fast genau 40 Jahre nach der Vorstellung des ersten IBM-PCs aber auch Microsoft auf. Windows 365 bringt den PC und die benötigte Software ins Netz, so dass man zum Bedienen nur noch einen einfachen Rechner oder Tablet-Computer benötigt.
dpa