Chatbot ChatGPT stellt Sachsens Hochschulen vor Transformation

ChatGPT
Bildquelle: Iryna Imago / Shutterstock.com

Nie wieder lästige Hausarbeiten oder Textzusammenfassungen schreiben: Das wünschen sich einige Studentinnen und Studenten an deutschen Hochschulen. Chatbots wie ChatGPT, die mit nur wenigen Knopfdrücken in der Lage sind, schlüssige Texte zu schreiben und Fragen zu beantworten, können bereits heute einen Großteil dieser Aufgaben erledigen. Künstliche Intelligenz (KI) ist seit Jahren das große Heilsversprechen der Tech-Branche und könnte Expertinnen und Experten zufolge das Lernen an Schulen und Universitäten für immer verändern.

ChatGPT wurde von der US-amerikanischen Firma OpenAI entwickelt. Hinter der Software steckt eine KI, die mit gewaltigen Mengen an Texten gefüttert wurde – etwa aus Büchern, Zeitschriften oder von Internetseiten. Zudem wird die KI von den vielen Nutzerinnen und Nutzern, denen das Programm derzeit kostenfrei zur Verfügung steht, trainiert. Jede Benutzung des Textgenerators füge weiteres Wissen hinzu, erklärt Florian Röhrbein, Professor für Neurorobotik an der Technischen Universität Chemnitz.

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«Das ist ein rein statistischer Ansatz, wie im Prinzip alle neuronalen Netze. Dieses Netz lernt aufgrund von Wahrscheinlichkeiten.» Röhrbein zufolge könne die Software somit mögliche Folgewörter oder Folgesätze vorhersagen. «Dadurch, dass gewaltige Mengen an Text zum Trainieren verwendet wurden, kann dieser Chatbot verblüffend gute Antworten generieren – in vielen Fällen zumindest.»

Der wissenschaftliche Fortschritt dabei sei eigentlich überhaupt nichts Revolutionäres, findet Röhrbein. Im Gegenteil: ChatGPT sei eher mit einer Evolution vergleichbar, als mit einer Revolution. Denn mit derartigen Netzen werde bereits seit vielen Jahren gearbeitet. «Wissenschaftlich kann man da überhaupt nicht von einem Durchbruch reden», sagt Röhrbein. Vor allem weil das System selbst nichts verstehen könne. «Es ist immer der Mensch, der die Ausgabe des KI-Systems interpretiert und dadurch Bedeutung hinzufügt.»

Allerdings glaubt Röhrbein, dass derartige KI-Systeme an Hochschulen einige Konsequenzen nach sich ziehen könnten – vor allem bezüglich der Prüfungsleistungen. Man müsse sich überlegen, welche Formate jetzt sinnvoll seien, um Wissen zu prüfen. Eine Meinung, die auch Alexander Lasch vertritt. Er ist Sprachwissenschaftler an der TU Dresden. Lasch glaubt, dass Studiernde durch KI-Systeme in Zukunft ihre Kreativität vor allen Dingen auf Gestaltungsprozesse lenken sollten und weniger auf die Produktion von Texten.

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«Für die Hochschule wird das die Konsequenz haben, dass wir uns vom Abfragen von normativen Wissensbeständen verabschieden können», sagt Lasch. Denn zu solchen Aufgaben könnten KI-basierte Textgeneratoren plausible Antworten erzeugen. Das gleiche gelte für Hausarbeiten. «Was ChatGPT aber nicht leisten kann, ist die mündliche Verteidigung dieser Arbeit.» Lasch könne sich deshalb vorstellen, dass es in Zukunft weniger schriftliche Hausarbeiten und mehr mündliche Prüfungen geben könnte. Seiner Meinung nach müsse diese Umstellung jedoch zügig passieren.

«Ich denke es wird Zeit, zum einen mündliche Prüfungsformate zu stärken und zum anderen die Bequemlichkeit von Standardisierung in unserem Bildungszusammenhängen ganz deutlich zu hinterfragen», sagt Lasch. Hochschulen müssten sich etwa von Multiple-Choice-Prüfungen verabschieden. «Ich persönlich mache keinen Hehl daraus, dass ich sehr offen darüber nachdenke, dass wir unsere Prüfungsformate neu gestalten müssen und möglicherweise müssen wir sie sehr viel schneller gestalten, als uns allen lieb ist.» Prüfungsrechtliche Auslegungen, die korrigiert werden müssen, seien jahrelange Prozesse.

«Wir reden hier von einer erdrutschartigen Entwicklung, auf die ein relativ stabiles, traditionelles, konventionalisiertes Bildungssystem überhaupt keine Antwort parat hat», sagt Lasch. Er glaube aber auch, dass sich Hochschulen keinen Gefallen tun werden, wenn sie auf einer Bildungsvorstellung des 19. Jahrhundert stehen bleiben.

Vor allem private Universitäten, die von heute auf morgen ChatGPT in ihre Lehrpläne integrieren und ihre Assessmentformate entsprechend umstellen können, hätten den staatlichen Hochschulen gegenüber einen klaren Vorteil. «Die privaten Universitäten laufen uns, wenn wir nicht ein bisschen darauf achten was wir tun, den Rang ab», warnt Lasch. Dann wiederum stehe das Thema Bildungsgerechtigkeit an der Tagesordnung. Denn nicht jeder könne sich die Studiengebühren an privaten Hochschulen leisten.

Um die Transformation erfolgreich bewältigen zu können, müssten alle – nicht nur die Politik – mit anpacken. «Wir werden es nur gemeinsam schaffen», sagt Lasch. Menschen müssten sich in Zukunft an schnellere Denk- und Umdenkprozesse gewöhnen. Obwohl ChatGPT erst seit wenigen Monaten zugänglich ist, steht jetzt schon fest, dass sich die Möglichkeiten des Internets deutlich erweitern werden – im Positiven wie auch im Negativen.

Das sächsische Wissenschaftsministerium ist sich nach eigenen Angaben über die digitalen Möglichkeiten und Auswirkungen des Chatbots bewusst. «Digitalisierung kann Hochschulbildung offener, internationaler und leistungsfähiger machen, aber auch Abläufe in Hochschulverwaltungen beschleunigen oder Forschungsqualität und Transfer verbessern», sagte Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow (CDU) vergangenen Monat. Sein Ministerium verkündete, sich dieser Aufgabe «mit Energie und Geschwindigkeit» stellen zu wollen.

dpa

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