Der Digitalverband Bitkom plädiert vor der Konstituierung der neuen EU-Kommission für ein Umdenken in der europäischen Verbraucherpolitik. In den letzten Jahren wurde eine kaum überschaubare Vielzahl neuer Regeln wie Datenschutz-Grundverordnung, Digital Markets Act, Data Act, AI Act oder dem Digital Services Act und diverse Verbraucherrechtsrichtlinien erlassen.
In der neuen Legislatur sollten aus Bitkom-Sicht die EU-weit einheitliche Umsetzung und Evaluierung der Maßnahmen sowie die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher Vorrang vor neuen Regulierungsinitiativen haben. In der jetzt veröffentlichten „Verbraucheragenda 2025-2030“ kritisiert Bitkom unter anderen die reflexartige Tendenz des Gesetzgebers sowohl in Brüssel als auch in Berlin, bei neuen Geschäftsmodellen noch mehr zusätzliche Informationspflichten einzuführen. „Die Informationen müssen oft bereits in der Vertragsanbahnung bereitgehalten werden. Also zu einem Zeitpunkt, zu dem sie meist für die Verbraucherinnen und Verbraucher noch gar nicht relevant sind“, sagt Susanne Dehmel, Mitglied der Bitkom-Geschäftsleitung. In der Folge werden unter anderem Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) noch umfangreicher, die Informationen werden dadurch aber immer seltener wahrgenommen – und werden von den Verbraucherinnen und Verbrauchern nicht einmal gefunden, wenn sie danach suchen.
So sagen schon heute 8 von 10 Internetnutzerinnen und -nutzern, dass die AGB viel zu kompliziert geschrieben (80 Prozent) oder zu unübersichtlich (78 Prozent) sind. Drei Viertel (74 Prozent) halten AGB für viel zu ausführlich. „Statt immer mehr Informationen zu fordern, müssen wir fragen: Welches Informationsbedürfnis besteht bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern zu welcher Zeit und wie lässt es sich befriedigen?“, so Dehmel. „Hier ist die Politik auf EU-Ebene ebenso gefordert wie die Bundes- und Landespolitik hierzulande. Es muss auch darum gehen, die Erkenntnisse der Verbraucherwissenschaft zu nutzen.“ Dabei können auch neue Technologien wie Künstlicher Intelligenz helfen, etwa wenn KI-Chatbots die relevanten Fragen auf Grundlage der Informationen beantworten. Schon heute sagen 39 Prozent der Internetnutzerinnen und -nutzer in Deutschland, dass sie sich bei Online-Angeboten fairer behandelt fühlen als bei klassischen Angeboten vor Ort. Umgekehrt sehen sich nur 33 Prozent im klassischen Geschäft fairer behandelt als online.
Kritisch sieht Bitkom in diesem Zusammenhang auch Bestrebungen, digitale Kommunikationswege mit klassischen Briefen zu ergänzen oder gar durch diese zu ersetzen. „Bedrucktes Papier kann nicht die Antwort auf die Frage nach besserer Verbraucherinformation sein“, so Dehmel. „Wir müssen stattdessen viel genutzte elektronische Kommunikationswege wie die E-Mail als sicher und rechtlich verbindlich anerkennen. Bis dahin sind Alternativen wie beispielsweise digitale Kundenpostfächer und entsprechende Hinweise auf neue Informationen im Postfach per Mail sicherlich zeitgemäßer, kostengünstiger und nicht zuletzt klimafreundlicher.“
(lb/Bitkom)