Die US-Gesetzgeber sind zu Recht besorgt über die Auswirkungen von TikTok auf die nationale Sicherheit und haben die Notwendigkeit eines Eingreifens erkannt. Das Verbot einer App, die sich in ausländischem Besitz befindet, ist jedoch keine tragfähige langfristige Lösung, da es das eigentliche Problem nicht angeht.
Die unregulierte Art und Weise, wie soziale Medien und Tech-Unternehmen Nutzerdaten sammeln, speichern und nutzen. Solche Maßnahmen lösen nicht das grundlegende Problem, mit dem Bürgerinnen und Bürger konfrontiert sind und das der Gesetzgeber nicht rechtzeitig in Angriff genommen hat: das Fehlen strenger Bundesgesetze zum Datenschutz. Obwohl TikTok mit seinen ausländischen Verbindungen einzigartige Risiken mit sich bringt, bedeutet dies nicht, dass ‚einheimische‘ Tech-Unternehmen weniger invasiv oder sicherer im Umgang mit Daten sind; das Risiko ist schlicht weniger offensichtlich. Das Fehlen strenger Vorschriften für Datenverkäufe oder Manipulationen von Algorithmen bedeutet, dass jedes Unternehmen, ob im In- oder Ausland, Userdaten ausnutzen oder die öffentliche Meinung auf subtile Weise beeinflussen könnte. Zwar ist es richtig, sich mit den spezifischen Bedrohungen von TikTok zu befassen, aber als nachhaltige, umfassende Strategie sind solche Bemühungen unzureichend, da sie sich nicht mit den allgemeineren Datenschutz- und Sicherheitsbedenken der Tech-Branche befassen.
Statt eines Verbots: EU setzt auf Spielregeln für Internet-Giganten
Der Digital Services Act der EU ist seit dem 17. Februar 2024 in vollem Umfang durchsetzbar und zielt darauf ab, einen sichereren digitalen Raum zu schaffen, in dem die Grundrechte der Nutzer geschützt sind und gleiche Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen geschaffen werden. Illegale Inhalte sollten auch leichter zu entfernen sein. Neben Online-Marktplätzen, Content-Sharing-Plattformen und ähnlichen Online-Auftritten sollen mit der Gesetzgebung auch Apps sozialer Netzwerke reguliert werden. Einheitliche Regelungen, die für Anbieter aus allen Herkunftsländern gelten, könnten langfristig die effektivere Variante sein. Allerdings nur, wenn die Regeln die allgemeine Meinungsfreiheit nicht zu sehr einschränken – wie Verbraucherschützer bereits mehrfach gewarnt haben – und die Einhaltung der Richtlinien kontrolliert und Verstöße geahndet werden können.
TikTok oder Meta – wer ist schlimmer?
Es geht nicht um den Kampf Meta gegen TikTok – bei beiden sind Bedenken angebracht. Ja, Social-Media-Plattformen wie Facebook stellen ein erhebliches Risiko dar, weil sie umfangreiche Nutzerdaten sammeln, um die User auszunutzen und potenziell zu gefährden, aber sie könnten zumindest theoretisch durch US-Gesetze oder die Möglichkeit einer Regulierung eingeschränkt werden. TikTok stellt jedoch eine erhöhte Bedrohung dar, da es jenseits solcher gesetzlichen Schutzmaßnahmen operiert. Das Fehlen einer Aufsicht bedeutet, dass die Appbetreiber alle gesammelten Daten nutzen und ihren Algorithmus manipulieren können, um die öffentliche Meinung, vor allem unter Jugendlichen, auf subtile Weise und völlig ungestraft zu beeinflussen. Die Fähigkeit der Plattform zur verdeckten Beeinflussung der gesellschaftlichen Wahrnehmung in Verbindung mit der Möglichkeit, die immensen Mengen an detaillierten Daten, die sie sammelt, in einer Weise zu nutzen, die den Interessen der USA schadet, erhöht das Risiko zusätzlich. Sie operiert unter einer ausländischen Gerichtsbarkeit, die dafür bekannt ist, Informationen zu ihrem Vorteil zu nutzen, und somit die Besorgnis über ihre unkontrollierte Macht noch verstärkt.
Was bedeutet ein TikTok-Verbot?
Ein Verbot von TikTok in den USA könnte weitreichende internationale Auswirkungen haben und insbesondere die Spannungen zwischen den USA und China bzw. dem Westen und Teilen Asiens verschärfen. Außerdem könnte das Verbot Vorbild für weitere westliche Nationen werden, es den USA gleichzutun. Ein solch gezieltes Verbot würde die Bereitschaft der USA und des Westens signalisieren, strengere Maßnahmen gegen die chinesische Technologiepräsenz zu ergreifen, die sich auch auf andere chinesische Plattformen auswirken und die technologische Entkopplung zwischen den beiden Ländern bzw. Regionen verstärken könnten. Diese Maßnahme könnte die bereits angespannten Beziehungen weiter verschlechtern und zu einem breiteren geopolitischen Wettbewerb beitragen, bei dem die US-Maßnahmen als aggressive Schritte zur Eindämmung von Chinas technologischem und geopolitischem Einfluss wahrgenommen werden. Darüber hinaus spiegelt der Fokus auf TikTok die Besorgnis in den USA und im Westen wider, einen strategischen Vorteil gegenüber China zu verlieren, insbesondere im Technologiesektor.
Die weiterreichenden Auswirkungen eines Verbots könnten auch den globalen Handel, die Kommunikationsströme und den Zugang zu Informationen in Frage stellen und andere Länder im Gegenzug dazu veranlassen, ähnliche Beschränkungen für US-Unternehmen zu verhängen –insbesondere angesichts der weltweiten Besorgnis über das unregulierte Datenökosystem der USA. Es wird befürchtet, dass ein solcher Schritt einen Präzedenzfall schaffen und zu einem zunehmend fragmentierten Internet führen könnte, was den internationalen Datenfluss stören und den globalen digitalen Handel und die Kommunikation beeinträchtigen würde. Die Debatte um TikTok berührt daher Themen, die weit über die App selbst hinausgehen und Fragen nach dem Gleichgewicht zwischen nationaler Sicherheit und globaler Internetwirtschaft aufwerfen.
Mögliche nächste Schritte für TikTok: Verkauf an US-Unternehmen?
Angesichts der großen Beliebtheit der App und der logistischen Herausforderungen bei der Umsetzung eines vollständigen Verbots wäre es für ByteDance, die Muttergesellschaft von TikTok, eine praktikablere Lösung, das Verbot, wie es im aktuellen Gesetzentwurf vorgesehen ist, zu umgehen und seine US-Aktivitäten an ein amerikanisches Unternehmen zu veräußern. Die Umsetzung eines vollständigen Verbots von TikTok ist mit erheblichen logistischen Herausforderungen verbunden. Es ist davon auszugehen, dass ein Verbot die Nutzerbasis der App erheblich reduzieren würde. Damit fungiert das drohende Verbot indirekt als Druckmittel, um ByteDance dazu veranlassen, einen Verkauf des TikTok-Geschäfts in den USA zu erwägen.
Außerdem muss erwähnt werden, dass das Versagen des US-Kongresses bei der Regulierung inländischer Social-Media-Unternehmen den Weg für ausländische Organisationen geebnet hat, Apps wie TikTok ohne Einschränkungen zu betreiben. Hätte der Kongress strenge, klare und robuste Vorschriften erlassen, die die Privatsphäre der Nutzer und Nutzerinnen schützen und ihnen die Kontrolle über die Erhebung, Speicherung und Verwendung persönlicher Daten ermöglicht, hätten wir eine effektivere Aufsicht über Apps in ausländischem Besitz und ein Verbot wäre mit höherer Wahrscheinlichkeit unnötig.