In der EU-Kommission dürften Korken knallen: Nach langem Streit urteilt Europas höchstes Gericht gegen Google und Apple. Die müssen jetzt blechen – ein anderer Punkt ist mindestens genauso wichtig.
Nach zähen Streitigkeiten um Milliardenbeträge kassieren die zwei Tech-Giganten Apple und Google eine Niederlage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Die Richter in Luxemburg bestätigten eine Wettbewerbsstrafe der EU-Kommission für Google in Höhe von 2,4 Milliarden Euro und verdonnerten Apple zu einer Steuernachzahlung in Höhe von 13 Milliarden Euro. Für die EU-Kommission sind beide Fälle ein Triumph. «Es ist sehr wichtig, den europäischen Steuerzahlern zu zeigen, dass es hin und wieder auch Steuergerechtigkeit geben kann», sagte Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager.
Irlands Beihilfen waren rechtswidrig
Im Fall von Apple ging es um Steuernachzahlungen in Höhe von ursprünglich 13 Milliarden Euro – plus Zinsen. Die EU-Kommission hatte den iPhone-Hersteller 2016 aufgefordert, den Betrag zu zahlen, das Geld liegt seitdem auf einem Treuhandkonto. 2020 setzte sich Apple vor dem EU-Gericht durch, das die Nachforderung für nichtig erklärte. Die Kommission habe nicht nachweisen können, dass die Steuervereinbarungen von Apple in Irland aus den Jahren 1991 und 2007 eine verbotene staatliche Beihilfe darstellten, argumentierten die Richter.
Grundsätzlich soll in der EU ein freier Wettbewerb herrschen. Einzelne Mitgliedsstaaten dürfen diesen Wettbewerb nicht mit besonderen Vergünstigungen für einzelne Firmen verzerren. Besonders Irland und Luxemburg standen in der Vergangenheit wegen Steuerdeals in der Kritik.
Die Kommission ging gegen die Entscheidung des EU-Gerichts vor – und hatte Erfolg. Die Richter am EuGH hoben das frühere Urteil nun auf und entschied den Fall gleich endgültig: Irland habe Apple eine rechtswidrige Beihilfe gewährt, die zurückzufordern sei. Die EU-Kommission habe hinreichend nachgewiesen, dass bestimmte durch die Verkäufe von Apple-Produkten außerhalb der Vereinigten Staaten erwirtschafteten Gewinne steuerlich den irischen Zweigniederlassungen hätten zugewiesen werden müssen.
Apple zeigt sich enttäuscht
Von Apple hieß es, es sei in dem Fall nie darum gegangen, wie viel Steuern das Unternehmen zahle, sondern an welche Regierung sie gehen müssen. «Wir zahlen immer alle Steuern, die wir schulden, egal wo wir tätig sind, und es gab nie eine Sondervereinbarung.» Die Europäische Kommission versuche, die Regeln rückwirkend zu ändern und ignoriere, dass Apples Einkünfte, wie es das internationale Steuerrecht verlange, bereits in den USA besteuert wurden. «Wir sind von der heutigen Entscheidung enttäuscht.»
Die irische Regierung teilte mit, das Urteil selbstverständlich zu respektieren – auch wenn das Land immer den Standpunkt vertreten habe, dass es keine steuerliche Vorzugsbehandlung für Unternehmen oder Steuerzahler gibt. In dem Apple-Fall sei es um eine Frage gegangen, die nur noch von historischer Relevanz sei. Die entsprechenden Vereinbarungen seien nicht mehr in Kraft.
Google hat erneut Marktmacht missbraucht
Im Fall von Google ging es um einen langwierigen Streit über den Preisvergleichsdienst Google Shopping. Die EU-Kommission verhängte gegen Google 2017 eine Geldbuße von 2,4 Milliarden Euro. Sie argumentierte, dass der Internetriese auf der Seite für allgemeine Suchergebnisse die Resultate seines eigenen Preisvergleichs gegenüber denen der Konkurrenten bevorzugte. Den Angaben zufolge präsentierte Google die Suchergebnisse seines Dienstes an oberster Stelle und hervorgehoben mit Bild und Text. Die Suchergebnisse der konkurrierenden Dienste erschienen nur weiter unten als blauer Link.
Deswegen haben nach Ansicht der EU-Kommission die Nutzer die Ergebnisse von Googles Preisdienst häufiger angeklickt als die der Konkurrenz. Diese waren aber auf den Datenverkehr von Googles allgemeiner Seite angewiesen, um weiter wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Daher habe Google seine marktbeherrschende Stellung missbraucht, argumentierte die Brüsseler Behörde 2017. Google und sein Mutterkonzern Alphabet klagten gegen die EU-Strafe zunächst erfolglos vor dem Gericht der EU und zogen daraufhin vor den übergeordneten EuGH – wieder ohne Erfolg: Dieser bestätigte nun die von der EU-Kommission verhängte Milliardenstrafe.
Zwar könne nicht generell davon ausgegangen werden, dass ein beherrschendes Unternehmen, das seine eigenen Waren oder Dienstleistungen günstiger behandelt als diejenigen seiner Wettbewerber, rechtswidrig handelt. Vorliegend sei das Verhalten von Google «in Anbetracht der Merkmale des Marktes und der spezifischen Umstände des Falles» aber diskriminierend.
Auch Google enttäuscht vom Urteil
«Wir sind enttäuscht über die Entscheidung des Gerichts», teilte ein Google-Sprecher mit. Das Urteil beruhe auf einem sehr speziellen Sachverhalt, man habe bereits 2017 Änderungen vorgenommen, um der Entscheidung der Brüsseler Behörde nachzukommen. «Unser Ansatz hat mehr als sieben Jahre lang erfolgreich funktioniert und Milliarden von Klicks für mehr als 800 Preisvergleichsdienste generiert», sagte er.
Jubel hingegen bei Idealo: Das Vergleichsportal begrüßte das Urteil und sprach von einem Sieg für den gesamten E-Commerce und vor allem die Verbraucher, sagte Albrecht von Sonntag, Mitgründer des Portals. Es sei ein historischer Tag für den Wettbewerb und die Verbraucher in Europa. Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) und der Medienverband der freien Presse (MVFP) begrüßten die Entscheidung der Richter und bezeichneten sie unter anderem als wegweisend.
Sieg auf ganzer Linie für EU-Kommission
Auch für die EU-Kommission und die scheidende Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager sind beide Urteile ein großer Erfolg. Die Entscheidungen seien ein großer Gewinn für die europäischen Bürger und die Steuergerechtigkeit, sagte die Dänin nach der Urteilsverkündung.
In Brüssel wird seit Jahren darum gerungen, wie man Wettbewerbsverzerrungen der riesigen Tech-Konzerne verhindern kann. Neben Gesetzen wie dem Digital Markets Act (DMA), das die Dominanz von großen Online-Plattformen bekämpfen soll, überzogen die Wettbewerbshüter der EU-Kommission etwa Google in den vergangenen Jahren mit mehreren Strafen in einer Gesamthöhe von gut acht Milliarden Euro. Der Konzern verdaute diese mit seinem boomenden Online-Werbegeschäft zwar schnell, musste allerdings in manchen Fällen sein Geschäftsmodell ändern.
Auch gegen bestimmte Steuerdeals zog die Brüsseler Behörde immer wieder ins Feld – neben Apple und Irland wurden etwa auch Amazon und Luxemburg ins Visier genommen. Nicht immer waren die Maßnahmen erfolgreich, einige Beschlüsse wurden von europäischen Gerichten kassiert. Das Urteil des EuGH dürfte auch hier Signalwirkung haben.
Regina Wank und Katharina Redanz, dpa