Die überwiegende Mehrheit der Menschen in Deutschland setzt große Hoffnungen in den Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Gesundheitswesen. 81 Prozent der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger sehen in KI eine riesige Chance für die Medizin. 70 Prozent meinen, Ärztinnen und Ärzte sollten, wann immer möglich, Unterstützung von einer Künstlichen Intelligenz erhalten. Dabei geht es nicht nur um die Auswertung von CT- oder Röntgenbildern um beispielsweise Tumore im Frühstadium zu identifizieren. Generative KI und Sprachmodelle könnten künftig auch auf medizinische Fragen antworten und Ärztinnen und Ärzte so in ihrem Alltag unterstützen.
Mehr als die Hälfte der Deutschen (57 Prozent) fordert, dass der Einsatz Künstlicher Intelligenz in der Medizin in Deutschland besonders gefördert werden sollte. Das sind die Ergebnisse einer aktuellen repräsentativen Befragung unter 1.138 Personen in Deutschland, die im Auftrag des Digitalverbands Bitkom durchgeführt wurde. Kann der KI-gestützte Robo-Doc seine menschlichen Kolleginnen und Kollegen unter Umständen auch ersetzen? Ein Drittel (35 Prozent) der Menschen ist der Ansicht: Ja, Künstliche Intelligenz werde in bestimmten Fällen bessere Diagnosen stellen als ein Mensch. „Röntgen- und CT-Bilder auswerten, Tumore oder Veränderungen im Herz-Kreislauf-System im Frühstadium identifizieren, Therapien gegen Krebs individuell anpassen: Künstliche Intelligenz hat für die Medizin ein enormes Potenzial und hilft schon heute, Leben zu verlängern und zu retten“, sagt Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst. „Es ist aber noch viel mehr möglich. Um die Potenziale von KI in der Medizin voll auszuschöpfen, brauchen wir einen Regulierungsrahmen, der Forschung und Praxiseinsatz der Systeme besser ermöglicht.“ 87 Prozent der Deutschen sprechen sich in diesem Zusammenhang dafür aus, dass der Einsatz von KI in der Medizin streng reguliert werden solle. Und trotz der von vielen Menschen wahrgenommenen Chancen herrscht bei einigen auch Unsicherheit vor: 23 Prozent macht der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Medizin Angst.
E-Rezept und elektronische Patientenakte sind den meisten ein Begriff
Insgesamt wird die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens von einer breiten Mehrheit der Menschen als positiv bewertet. 83 Prozent der Deutschen halten die Digitalisierung des Gesundheitswesens grundsätzlich für richtig. 74 Prozent meinen, mehr Digitalisierung würde das marode Gesundheitssystem Deutschlands stärken. 72 Prozent beurteilen das Tempo der Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland jedoch als zu langsam, 20 Prozent bewerten das Tempo als genau richtig und 7 Prozent geht es zu schnell.
Ein Großteil der in den letzten Jahren eingeführten digitalen Innovationen ist den Menschen bereits bekannt: 97 Prozent haben bereits vom E-Rezept gehört, dessen flächendeckende Einführung seit diesem Sommer läuft. 95 Prozent können etwas mit der elektronischen Patientenakte anfangen, die nach Plänen der Bundesregierung ab Anfang 2025 alle Versicherten automatisch erhalten, sofern sie nicht aktiv widersprechen. 93 Prozent ist auch die eAU, also die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, ein Begriff. 85 Prozent haben von der Video-Sprechstunde gehört und 61 Prozent von Gesundheits-Apps auf Rezept. Knapp die Hälfte (49 Prozent) weiß, dass es einen elektronischen Medikationsplan gibt.
Großer Informationsbedarf bei der ePA
Auf dem Weg hin zu einem digitalisierten Gesundheitssystem spielt die elektronische Patientenakte (ePA) eine zentrale Rolle. In ihr werden unter anderem medizinische Daten, Befunde und Untersuchungen gespeichert, so dass sie für alle Patientinnen und Patienten jederzeit einsehbar sind. Zwar gibt es die ePA bereits seit Januar 2021, allerdings hat sich erst ein Bruchteil der Deutschen (ca. 1 Prozent) eine ePA eingerichtet – vor allem wegen hoher bürokratischer Hürden. Ab 2025 soll daher die so genannte Opt-out-Regelung gelten. Heißt: Alle Versicherten erhalten automatisch eine elektronische Patientenakte – es sei denn, sie widersprechen aktiv. „Die elektronische Patientenakte ist das Kernstück der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Mit ihr werden die Menschen informierter, souveräner und können sich besser um ihre eigene Gesundheit kümmern“, betont Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst. „Die Hürden zur Beantragung und Nutzung sind aktuell noch zu hoch. Das vorgesehene Opt-out ist der richtige Weg. Der angekündigte Zeitplan muss jetzt unbedingt eingehalten werden.“ In der aktuellen Bitkom-Befragung geben weitere 59 Prozent an, die ePA nutzen zu wollen – 33 Prozent antworteten „Ja, auf jeden Fall“ und 26 Prozent „eher ja“. Weitere 31 Prozent tendieren zu „eher nein“ wohingegen nur 6 Prozent die Nutzung kategorisch für sich ausschließen. Insgesamt ist das Informationsbedürfnis noch groß: 73 Prozent wollen besser über die elektronische Patientenakte informiert werden. Zwei Drittel (65 Prozent) halten die Einführung in Deutschland für überfällig. Doch es gibt auch Vorbehalte: 59 Prozent sorgen sich bei der ePA um die Sicherheit ihrer Daten.
72 Prozent wollen E-Rezept digital einlösen
Das E-Rezept, das ebenfalls ein wichtiger Baustein des digitalen Gesundheitssystems ist, wird nach einigen Verzögerungen seit diesem Sommer bei Apotheken und Praxen eingeführt. Lediglich 24 Prozent der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger wollen dabei weiterhin die Papiervariante nutzen. Insgesamt 72 Prozent bevorzugen die digitale Einlösung des E-Rezepts – entweder per App in der Apotheke bzw. online (22 Prozent) oder durch Einstecken der Gesundheitskarte vor Ort in der Apotheke (50 Prozent). Ähnlich wie bei der Elektronischen Patientenakte gibt es auch beim E-Rezept noch ein breites Bedürfnis nach mehr Information: 47 Prozent möchten gern besser darüber Bescheid wissen. Insgesamt bewerten 81 Prozent die Einführung des E-Rezepts in Deutschland als zu langsam.
Ein Fünftel hat bereits die Video-Sprechstunde genutzt
Die Video-Sprechstunde ist in Deutschland mittlerweile ein fester Bestandteil des Versorgungsalltags. 22 Prozent der Menschen in Deutschland hat schon einmal per Video-Sprechstunde mit einer Ärztin bzw. einem Arzt oder einer Therapeutin bzw. einem Therapeuten kommuniziert. 2022 waren es noch 15 Prozent und im Vor-Corona-Jahr 2019 nur 5 Prozent. Erst seit 2017 werden die Kosten hierfür von der Krankenkasse übernommen. Insbesondere während der Corona-Pandemie wurden bürokratische Hürden für Medizinerinnen und Mediziner, die Video-Sprechstunden anbieten wollten, abgebaut. Im aktuellen Digital-Gesetz des Bundesgesundheitsministeriums ist zudem die Abschaffung der noch immer geltenden Deckelung bei der Vergütung von Video-Sprechstunden in Aussicht gestellt. „In Zeiten von Social Distancing hat die Video-Sprechstunde einen großen Schub erfahren. Viele, die sie während Corona ausprobiert haben, sind jetzt dabei geblieben“, so Wintergerst. „In Zeiten abnehmender Praxisdichte und einer alternden Bevölkerung werden Video-Sprechstunden unverzichtbar, um immobile Menschen oder solche in ländlichen Regionen weiter optimal zu versorgen.“
Bislang ist fehlende Mobilität allerdings nur für einen sehr geringen Anteil von 3 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer der Grund für die Video-Sprechstunde gewesen. Die große Mehrheit (51 Prozent) möchte vor allem Zeit sparen, 38 Prozent finden es schlicht bequemer und 31 Prozent haben vor Ort keinen zeitnahen Termin bekommen und sind deswegen auf die Video-Sprechstunde ausgewichen. 21 Prozent brauchten außerhalb regulärer Praxisöffnungszeiten Rat. „Ärztinnen und Ärzte bieten Video-Sprechstunden mitunter bis weit in den späten Abend hinein und auch am Wochenende an. So können in bestimmten und nicht lebensbedrohlichen Fällen neben den Patientinnen und Patienten auch die Notaufnahmen entlastet werden“, betont Wintergerst.
Die Vorteile eines digitalisierten Gesundheitssystems überwiegen
Insgesamt sehen die Menschen in Deutschland in der Digitalisierung des Gesundheitswesens vor allem Vor- statt Nachteile. 80 Prozent meinen, Digitalisierung ermögliche etwa durch Robotik schonendere und präzisere Operationen. Lediglich 17 Prozent sehen ein erhöhtes Risiko durch technische Fehler. Dass die Digitalisierung im Gesundheitswesen medizinisches Personal entlastet, davon sind zwei Drittel (69 Prozent) überzeugt – 27 Prozent gehen hingegen von einer Überforderung aus. Knapp mehr als die Hälfte (53 Prozent) meinen, die Digitalisierung führe im Gesundheitswesen zu weniger Bürokratie – 39 Prozent befürchten das Gegenteil. 41 Prozent meinen zudem, die Digitalisierung werde zu hohen Kosten im Gesundheitswesen führen – und 50 Prozent gehen davon aus, dass die Digitalisierung die steigenden Kosten im Gesundheitswesen auffangen kann. Wintergerst: „Digitalisierung kann Ärztinnen und Ärzte, aber auch Pflegepersonal von vielen bürokratischen Routineaufgaben entlasten, so dass sie wieder mehr Zeit für ihre Patientinnen und Patienten haben. Nur mit der Digitalisierung wird die Qualität der medizinischen Versorgung in Deutschland überhaupt gehalten und verbessert werden können – trotz Ärztemangel, Pflegenotstand und chronischer Unterfinanzierung.“
Gleichwohl gibt es auch Sorgen innerhalb der Bevölkerung. 70 Prozent stimmen der Aussage zu, ein digitalisiertes Gesundheitssystem mache die Menschen zu „gläsernen Patientinnen bzw. Patienten“ – und 62 Prozent haben Angst vor Hacker-Angriffen auf Kliniken und Praxen. „Auch in einem digitalisierten Gesundheitssystem behalten die Menschen die Kontrolle über ihre Daten. Jeder kann selbst festlegen, wer welche Daten in der elektronischen Patientenakte einsehen darf – und jeder kann sehen, wer auf die eigene elektronische Patientenakte zugegriffen hat. Die Versicherten sind Herr ihrer Daten“, so Wintergerst. „Klar ist: Patientendaten sind hochsensibel und sie müssen bestmöglich geschützt werden. Auch die Krankenhäuser in Deutschland müssen deshalb aufrüsten, damit sie Hackern und Cyberkriminellen keine Einfallstore bieten.“
Trotz der Sorgen: Aktuell sehen 74 Prozent der Deutschen die Digitalisierung des Gesundheitswesens eher als Chance – vor einem Jahr waren es noch 60 Prozent. Ein Viertel (25 Prozent) sieht darin ein Risiko (2022: 35 Prozent). „Die Digitalisierung des Gesundheitswesens macht nach langen Jahren der Stagnation nun große Fortschritte. Die Corona-Pandemie hat eindrücklich gezeigt, dass Zettelwirtschaft und analoge Verfahren nicht zukunftstauglich sind. Wichtig ist jetzt, dass die angekündigten Gesetze und Digitalvorhaben auch zügig ins Ziel gebracht werden“, betont Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst. Voraussetzung ist aus Bitkom-Sicht dafür auch eine ausgewogenere Regulierung bei der Nutzung von Daten – so sollten die Daten aus der elektronischen Patientenakte anonymisiert und pseudonymisiert für die privatwirtschaftliche Gesundheitsforschung etwa zur Bekämpfung seltener Erkrankungen nutzbar sein. Wintergerst: „Daten sind die Grundlage einer hoch leistungsfähigen, auf die individuelle Situation jedes und jeder Einzelnen abgestimmten medizinischen Versorgung. Um diese Potentiale zu nutzen, müssen wir auch in Deutschland den Datenschutz in ein ausgewogenes Verhältnis zum Gesundheitsschutz bringen. Gelingt dies nicht, werden die deutschen Patientinnen und Patienten künftig viele medizinischen Leistungen in digitaler Form aus anderen Ländern beziehen.“ Inzwischen sei das deutsche Gesundheitswesen aber auf einem guten Weg, den internationalen Rückstand aufzuholen und digital auf die Höhe der Zeit zu kommen.
Hinweis zur Methodik: Grundlage der Angaben ist eine Umfrage, die Bitkom Research im Auftrag des Digitalverband Bitkom durchgeführt hat. Dabei wurden 1.138 Personen in Deutschland ab 16 Jahren telefonisch befragt. Die Umfrage ist repräsentativ.
www.bitkom-research.de