Küsschenmund, Teufelchen, Kackhaufen, Katzengesicht: In Chats und sozialen Medien wimmelt es von Emojis. Die kleinen Bildzeichen und Symbole sind im Internet- und Smartphone-Zeitalter zur Weltsprache geworden.
Fast alle nutzen die Piktogramme auf ihrem Handy – jung wie alt. Doch so unterhaltsam die Zeichen von Aubergine bis Zebra oft sind und so sehr sie zur Verständigung oder auch nur Verstärkung des Geschriebenen beitragen, so missverständlich oder gar bösartig können sie auch zum Einsatz kommen.
Am Samstag (17.7.) ist wieder Welt-Emoji-Tag, den es seit sieben Jahren gibt. Der «World Emoji Day» geht auf den in London lebenden Australier Jeremy Burges zurück. Der 17. Juli wurde erkoren, weil das Kalender-Emoji diesen Tag beispielhaft auf mobilen Endgeräten zeigt.
Auch wenn «Emoji» wie «Emoticon» (Bezeichnung für die Kombinationen von Buchstaben, Satz- und Sonderzeichen, die Gesichter ergeben) die Vorsilbe «Emo» enthält, hat das aus dem Japanischen stammende Wort mit «Emotion» und Gefühl erstmal nichts zu tun. Es heißt übersetzt einfach nur «Bildschriftzeichen». Es kommt von den japanischen Schriftzeichen für «e» (Bild), «mon» (Ausdruck) und «ji» (Buchstabe).
Im Duden steht das Wort «Emoji» erst seit der vorletzten Auflage des gelben Rechtschreibwörterbuchs im Jahr 2017 (27. Auflage) – und zwar mit der Bedeutung: «aus Japan stammendes, einem Emoticon ähnliches Piktogramm, das auf Gefühlslagen, Gegenstände, Orte, Tiere, Essen oder Ähnliches verweist (in elektronischen Nachrichten)».
Die Grundlage der globalen Zeichen geht auf den heute 49 Jahre alten Grafikdesigner Shigetaka Kurita zurück, der Ende der 90er Jahre für einen japanischen Mobilfunkanbieter 176 Piktogramme entwarf.
Der weltweite Siegeszug der Emojis begann 2010, als das Unicode-Konsortium in Mountain View im Silicon Valley (eine Arbeitsgemeinschaft, die sich um die einheitliche digitale Darstellung von Schriftsystemen kümmert) die Piktogramme verschiedener Anbieter in einen Standard integrierte.
Seitdem kann jede und jeder sicher sein, dass beim Gegenüber auch tatsächlich das Clownsgesicht oder der Daumen hoch ankommt. Der aktuelle Emoji-Katalog umfasst fast 3000 Symbole.
Kritiker werfen ein, der Einsatz von Emojis sei pandemisch und lasse die menschliche Fähigkeit verkümmern, Emotionen angemessen zu beschreiben. Der Schriftgestalter und Autor Erik Spiekermann sagte zum Beispiel schon vor fünf Jahren im Deutschlandfunk Kultur: «Wir gehen damit zurück in die Bronzezeit, wo man solche Emojis ja an die Höhlen gemalt hat: Also, Mann mit Speer erledigt Hirsch.»
Der Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch meint, hinter den scheinbar einfachen bunten Bildchen lauere ein Kulturkampf. In der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» schrieb er vor vier Jahren: «Auf den ersten Blick mögen Emojis harmlos wirken, vielleicht sogar etwas albern. Aber wie alle Zeichensysteme stehen sie in einer komplexen Beziehung zur gesellschaftlichen Wirklichkeit: Einerseits sind sie Abbild, andererseits formen sie unser Verständnis des Bezeichneten.»
Aus den anfangs angeblich neutralen Zeichen sei ein Kampf um «Identität und Sichtbarkeit» geworden. Man denke an die Einführung von mehr weiblichen Emojis, an die größere Auswahl von Hautfarben oder das Emoji «Frau mit Hijab». Das islamische Kopftuch sei beispielsweise rasch zum Symbol für Frauen muslimischen Glaubens schlechthin geworden. So werden Stereotype verstärkt. Auch bei den Geschlechtern spielen Klischees und Vereinfachungen eine Rolle. Stefanowitsch: «Für kurzhaarige oder ungeschminkte Frauen ist ebenso wenig Platz wie für langhaarige oder bartlose Männer.»
Politisch und perfide ist in den letzten Jahren ausgerechnet das fröhliche Lach-Smiley geworden («grinning face with smiling eyes») oder auch das Tränen lachende Smiley («face with tears of joy»).
Bei Facebook zum Beispiel kommentieren trollige Profile oft Beiträge über ernste Themen mit Hahaha-Gesichtern. Damit sollen dann etwa tote Flüchtlinge im Mittelmeer, Klimawandelfolgen, Anti-Corona-Maßnahmen oder bestimmte Personen abgewertet und ins Lächerliche gezogen werden. Spott und Hass breiten sich aus.
Bei Leuten, denen diese Themen oder Menschen ernste Anliegen sind, entsteht auf diese Weise eine unangenehme Stimmung und ein Gefühl der Ohnmacht. Ein bislang unaufgelöster Widerspruch des Web-Zeitalters: Symbole für gute Laune erzeugen schlechte Laune.
dpa