Die Bundesregierung wirbt mit augenzwinkernden Videos für das Zu-Hause-Bleiben in der Corona-Krise, in denen sie Nichtstuer auf der Couch zu Helden erklärt. Die unter dem Schlagwort «#besonderehelden» im Internet verbreiteten Clips sorgten am Wochenende für viel Aufmerksamkeit in den sozialen Medien – dabei gab es Lob, aber auch kritische Reaktionen.
In den mit dramatischer Musik untermalten Videos erzählen fiktive ältere Menschen aus der Zukunft rückblickend, wie sie als junge Leute die zweite Welle «damals in diesem Corona-Winter 2020» erlebt haben.
«Eine unsichtbare Gefahr bedrohte alles, woran wir glaubten», sagt ein Mann, der als Anton Lehmann vorgestellt wird. «Und das Schicksal dieses Landes lag plötzlich in unseren Händen.» Also hätten sie getan, was von ihnen erwartet worden sei: «Absolut gar nichts. Waren faul wie die Waschbären», so der Mann. «Tage- und nächtelang blieben wir auf unserem Arsch zu Hause und kämpften gegen die Ausbreitung des Coronavirus.»
«Unsere Couch war die Front, und unsere Geduld war die Waffe.» Das sei ihr Schicksal gewesen. «So wurden wir zu Helden.» In einem zweiten Clip taucht neben der Figur Anton Lehmann auch seine Frau Luise Lehmann auf: «Damals» habe das ganze Land «voller Hoffnung auf uns junge Leute» geschaut, sagt diese. «Vielleicht stimmte es, wenn die Leute damals sagten: Besondere Zeiten brauchen besondere Helden. Und weiß Gott, ja, das waren wir.»
Die Videos enden jeweils mit dem Appell der Bundesregierung: «Werde auch du zum Helden und bleib zu Hause». Allein auf dem Twitter-Account von Regierungssprecher Steffen Seibert wurden die Clips, die in ihrer Inszenierung an TV-Geschichtsdokus erinnern, bis Sonntagnachmittag hunderttausendfach aufgerufen.
Ein Sprecher des Bundespresseamts erklärte auf Anfrage, die Videos seien Teil der Informationsmaßnahmen in der Corona-Pandemie. «Ihre Botschaft ist klar: Kontakte zu reduzieren ist derzeit unser wichtigstes und wirksamstes Mittel, um die Pandemie einzudämmen.» Diesen Appell wolle man mit den Videos an möglichst viele junge Menschen herantragen.
Der Versuch, diese Botschaft humorvoll zu verbreiten, stieß auf ein gemischtes Echo. «So stark. So herzerwärmend. Und so verdammt wichtig», schrieb die Berliner SPD-Politikerin Sawsan Chebli auf Twitter. Eine Reihe von Nutzern des sozialen Netzwerks lobte die Aktion. Andere bemängelten hingegen etwa, dass Themen wie Einsamkeit, häusliche Gewalt oder Existenzängste in den Spots keine Rolle spielen – oder dass die eigentlichen Helden doch beispielsweise die Beschäftigten im Gesundheitswesen seien.
Der Autor Sascha Lobo trat wiederum der Kritik entgegen: «Deutsches Twitter selten knalldackeliger (und deutscher), als wenn diese brillanten Corona-Spots auf Krampf scheiße gefunden werden», schrieb er auf Twitter. «Manche Leute erreicht man so und nur so, also lasst eure innere Abiturientenkonferenz EINMAL für 10 Minuten NICHT raushängen.»
Die Kampagne sorgte auch außerhalb Deutschlands für Reaktionen. Ein Journalist der Londoner «Financial Times», Henry Mance, kommentierte auf Twitter: «Ich kann damit umgehen, dass die deutsche Antwort auf die Pandemie besser ist als unsere, aber ich glaube, ich kann nicht damit umgehen, dass sie lustiger ist.»
Vom Bundespresseamt hieß es, man freue sich «über viele positive Rückmeldungen und die Aufmerksamkeit, die so auf diese wichtige Botschaft gelenkt werden kann». Zu kritischen Stimmen äußerte der Sprecher sich zunächst nicht. Zu den Kosten sagte er: «Die Videos fügen sich in unsere bisherigen Maßnahmen ein. Genauere Angaben können wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht machen.»
dpa