44 Prozent der Unternehmen priorisieren digitale Barrierefreiheit höher als letztes Jahr, doch nur 19 Prozent setzen sie angemessen um. Die Hälfte der befragten Unternehmen nutzt KI und automatisierte Tools, um Probleme zu erkennen.
Applause, Anbieter für Testing und digitale Qualitätssicherung, gab die Ergebnisse seiner dritten jährlichen Umfrage zu Barrierefreiheit und inklusivem Design bekannt. Die weltweite Umfrage unter mehr als 3.500 Technologie- und Rechtsexpert:innen untersuchte, welche Priorität Unternehmen der Barrierefreiheit bei der Entwicklung ihrer digitalen Erlebnisse einräumen und wie die Befragten ihren Wissensstand in Bezug auf Barrierefreiheit einschätzen.
Unternehmen hinken bei der Umsetzung von Barrierefreiheit hinterher
Die Umfrage ergab, dass die Konformität mit den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) zugenommen hat. WCAG ist ein internationaler Standard zur barrierefreien Gestaltung von Internetangeboten. 42 Prozent der Befragten gaben an, dass ihr Unternehmen die aktuellen WCAG-Standards erfüllt. Trotz der zunehmenden WCAG-Annahme ist nur etwa ein Drittel (32 Prozent) im Zeitplan, um die Anforderungen des „European Accessibility Acts“ (EAA) zu erfüllen, der im Juni 2025 in Kraft tritt. Der EAA gilt für die Mehrheit der globalen Unternehmen, die in der EU tätig sind. Bisher hat jedoch mehr als ein Drittel (34 Prozent) der europäischen Unternehmen noch nicht einmal mit der Umsetzung begonnen.
Priorität von digitaler Barrierefreiheit in Unternehmen steigt
Hervorzuheben ist, dass Unternehmen digitaler Barrierefreiheit und inklusiven Design mehr Priorität einräumen. Auf die Frage, welche Bedeutung die digitale Barrierefreiheit für ihr Unternehmen hat, stimmte fast die Hälfte (44 Prozent) der Befragten der Aussage zu, dass sie für ihr Unternehmen eine höhere Priorität hat als im letzten Jahr. 2023 waren es nur 27 Prozent. Mehr als drei Viertel (77 Prozent) der Befragten gaben an, dass es in ihrem Unternehmen eine Person oder Gruppe gibt, die dafür verantwortlich sei, dass Produkte barrierefrei sind. Die überwiegende Mehrheit der europäischen Unternehmen (57 Prozent) gibt an, dass ihre Hauptmotivation für das Erreichen barrierefreier Konformität darin liegt, die Benutzerfreundlichkeit für alle zu verbessern. Im weltweiten Vergleich liegt dieser Wert bei 45 Prozent.
Steigendes Wissen bei sinkenden Ressourcen
Die Umfrage zeigt, dass Entwickler:innen die Barrierefreiheit bereits zu einem früheren Zeitpunkt im Designprozess testen und integrative Designprinzipien anwenden. Auf die Frage nach ihrem Wissensstand über Barrierefreiheit bezeichnete mehr als ein Viertel (26 Prozent) ihr derzeitiges Verständnis von digitaler Barrierefreiheit als fortgeschritten, ein Anstieg gegenüber 21 Prozent im Jahr 2023. Bereits 87 Prozent der Befragten gaben an, dass ihr:e Expert:in oder ihr Team für Barrierefreiheit die Grundsätze des inklusiven Designs anwendet, während weitere 79 Prozent aussagten, dass sie Barrierefreiheit bereits in den frühesten Phasen ihrer Designpläne einbauen.
Die internen Ressourcen für die Umsetzung können allerdings nicht mit dem steigenden Wissen mithalten. Auf die Frage, wie gut sie für die laufende Prüfung der Barrierefreiheit ausgestattet sind, gaben nur 19 Prozent an, dass sie über angemessene interne Ressourcen verfügen. Die Zahl der Befragten, die angaben, dass sie nur über begrenzte Ressourcen verfügen, stieg von 23 Prozent im Jahr 2023 auf 26 Prozent im Jahr 2024.
Jedes zweite Unternehmen nutzt KI zur Identifizierung von Probleme bei der Barrierefreiheit
Die Nutzung von Automatisierung und KI nimmt bei der Prüfung der Barrierefreiheit zu: 50 Prozent der Befragten geben an, automatisierte Tools zur Identifizierung potenzieller Probleme zu verwenden, gegenüber 40 Prozent im Jahr 2023. Auf die Frage, ob sie glauben, dass KI in den nächsten zwei, fünf oder zehn Jahren einen bedeutenden Beitrag zur Prüfung der Barrierefreiheit leisten wird, antwortete die Mehrheit (60 Prozent) mit zwei Jahren.
Menschliche Perspektive bleibt unverzichtbar
„Barrierefreiheit ist ein zunehmend wichtiger Fokusbereich für Unternehmen. Das wachsende Bewusstsein für die Bedeutung von inklusiven Designprinzipien und das Schreiben von Code unter Berücksichtigung der Barrierefreiheit schafft nicht nur einen Mehrwert für Menschen mit Behinderungen, sondern trägt auch dazu bei, allen Nutzern bessere digitale Erlebnisse zu bieten“, so Bob Farrell, Vice President of Solution Delivery and CX Practices bei Applause. „Die Automatisierung kann zwar ein wertvolles Werkzeug sein, wenn sie als Teil einer ausgereiften Strategie für Barrierefreiheitstests eingesetzt wird. Viele Zugänglichkeitsprobleme lassen sich allerdings einfach nicht maschinell erkennen, und obwohl die KI die Erkennbarkeit von Problemen bereits verbessert, ist sie noch kein Ersatz für echte menschliche Perspektiven.“
Es bleibt ein weiter Weg zu echter Inklusivität
„Obwohl die Ergebnisse der Umfrage einen vielversprechenden Aufwärtstrend aufzeigen, erfüllt immer noch weniger als die Hälfte aller Unternehmen die WCAG-Normen nicht. Zwei Drittel sind mit der Einhaltung des bevorstehenden europäischen Gesetzes über die Barrierefreiheit im Verzug. Wenn man bedenkt, dass die Einhaltung der Vorschriften nur der Ausgangspunkt für die Barrierefreiheit ist, haben viele Unternehmen noch einen weiten Weg auf ihrem Weg zu echter Inklusivität vor sich“, so Farrell.
(lb / Applause)