Internationalen Ermittlern ist ein Schlag gegen Hacker gelungen, die für Tausende Attacken auf Organisationen und Unternehmen verantwortlich sein sollen. Das US-Justizministerium teilte am Montag in Washington mit, in Polen sei ein Ukrainer gefasst worden, der im Verdacht stehe, unter anderem hinter der großen Cyberattacke auf den amerikanischen IT-Dienstleister Kaseya zu stecken.
Über eine Schwachstelle bei Kaseya waren Anfang Juli Hunderte Unternehmen in den USA und anderen Ländern mit Erpressungssoftware angegriffen worden. Die Polizeibehörde Europol teilte in Den Haag mit, in Rumänien seien zwei Menschen festgenommen worden, die mit der gleichen Software Attacken begangen haben sollen. Die Festnahmen seien Teil einer internationalen Operation gewesen.
US-Präsident Joe Biden sagte, die Vereinigten Staaten gingen zusammen mit internationalen Partnern mit aller Kraft gegen Cyber-Kriminelle vor. Es gebe noch viel zu tun, doch die USA hätten bereits wichtige Schritte unternommen, um kritische Infrastrukturen besser zu schützen, Angreifer zur Rechenschaft zu ziehen und internationale Netzwerke von Hackern auseinanderzunehmen.
REvil für Kaseya- und JBS-Hack verantwortlich
17 Länder waren laut Europol in die Ermittlungen eingebunden, darunter die USA, Deutschland, Frankreich, die Niederlande, Polen, Rumänien und Kanada. In Deutschland war nach Angaben der europäischen Justizbehörde Eurojust die Staatsanwaltschaft Stuttgart federführend. Über mehrere Monate seien in verschiedenen Ländern insgesamt sieben Verdächtige festgenommen worden, teilte Europol mit. Sie stünden im Verdacht, bei sogenannten Ransomware-Attacken rund 7000 Ziele angegriffen und Millionensummen erbeutet zu haben.
Bei Angriffen mit Erpressungssoftware – auch Ransomware genannt – werden Daten auf Computern verschlüsselt, und die Hacker verlangen Geld für die Freigabe. Die Attacken der Festgenommenen richteten sich nach Angaben von Eurojust gegen Firmen, aber auch Kommunen, Krankenhäuser, Justiz, Schulen und Universitäten. Fünf der Festgenommenen hätten Angriffe mit der Software REvil verübt.
Die gleichnamige Hackergruppe hatte in den vergangenen Monaten mit großen Attacken für Aufsehen gesorgt. Beim Kaseya-Angriff hatte die Gruppe REvil auf ihrer Website im Darknet 70 Millionen Dollar für einen Generalschlüssel zu allen betroffenen Computern verlangt. Da viele der betroffenen Kaseya-Kunden selbst IT-Dienstleister für andere sind, reichten die Auswirkungen der Attacke zum Beispiel bis nach Schweden, wo die Supermarkt-Kette Coop Hunderte Läden wegen nicht funktionierender Kassensysteme nicht öffnen konnte.
Wenige Wochen zuvor hatte REvil-Software mehrere Werke des weltgrößten Fleischkonzerns JBS lahmgelegt – ebenfalls mit internationalen Auswirkungen. Die Gruppe kassierte damals vom Unternehmen elf Millionen Dollar Lösegeld in Kryptowährungen.
US-Justizminister Merrick Garland sagte in Washington, bislang sei REvil-Software bei Attacken auf etwa 175 000 Computer weltweit eingeschleust worden, mindestens 200 Millionen US-Dollar Lösegeld seien bei Angriffen mit der Software schon gezahlt worden. Der im Zusammenhang mit der Software festgenommene 22 Jahre alte Ukrainer sei auf Ersuchen der USA bei der Einreise nach Polen gefasst worden. Seine Auslieferung in die Vereinigten Staaten sei beantragt.
Auch DarkSide gesucht
Das US-Justizministerium habe außerdem 6,1 Millionen US-Dollar beschlagnahmt, die ein anderer REvil-Hacker mit Ransomware-Attacken erbeutet haben soll, sagte Garland. Der 28 Jahre alte Russe solle etwa 3000 Ziele mit Erpressungssoftware angegriffen haben.
Das US-Außenministerium lobte am Montag eine Belohnung in Millionen-Höhe aus für Hinweise, die zur Identifizierung oder Festsetzung von Führungsfiguren der Gruppe REvil führen – oder von all jenen, die in Attacken mit der Software verwickelt sind.
Eine ähnliche Belohnung hatte die US-Regierung vor wenigen Tagen mit Blick auf die Hackergruppe DarkSide ausgeschrieben, die nach Einschätzung der USA für die Cyberattacke auf die größte Benzin-Pipeline Amerikas im Frühjahr verantwortlich war. Infolge der Attacke wurde der Betrieb der Pipeline, durch die etwa 45 Prozent aller an der US-Ostküste verbrauchten Kraftstoffe laufen, zeitweise komplett eingestellt. In Teilen des Landes kam es zu Benzin-Engpässen. Die Hacker waren damals in das Computer-Netzwerk des Pipeline-Betreibers eingedrungen und hatten ein Lösegeld in Millionenhöhe gefordert, das das Unternehmen auch zahlte.
dpa